Alle regen sich gerade über den deutschen Afrikabeauftragten auf. Zu Recht!
Der persönliche Afrikaexperte der Bundeskanzlerin sympathisiert in einem Interview mit dem Kolonialismus und offenbart, dass er keine Ahnung hat. Eine konstruktive Antwort.
Man sollte meinen, der Mann weiß, wovon er spricht. Seit dem Jahr 2010 ist
In einem
Fakten? Wer braucht die schon?
»Viele tragen sich mit dem Gedanken auszuwandern. Fast immer ist das Traumziel Europa. Die wenigsten Migranten aus Afrika sind Flüchtlinge. Die meisten suchen ein besseres Leben.« – Günter Nooke
Nooke scheint sich Donald Trump zum Vorbild genommen zu haben, der mit pathologischer Uninformiertheit und Fake News politisch gut fährt. »Fast immer ist das Traumziel Europa«, sagt er über afrikanische Migranten. Fakt ist:
Afrika sei »anders«, erklärt der Afrikakenner Nooke und führt das tiefsinnig auf »Clan-Strukturen, die Rolle von Stammesführern, die Vielzahl der Ethnien und tradierten Verhaltensweisen« zurück. Beweisstück A: die zeugungsfreudigen Nigrer, die angeblich 7,3 Kinder pro Frau kriegen und gerne 11 Kinder hätten.
»Die Gesellschaften dort funktionieren anders. Das hat mit Clan-Strukturen zu tun, der Rolle von Stammesführern, der Vielzahl an Ethnien und tradierten Verhaltensweisen. In Niger bekommen die Frauen im Schnitt 7,3 Kinder, die Männer hätten gern 11!« – Günter Nooke
Was er verschweigt: Die nigrische Fertilitätsrate ist der Extremfall,
Tatsächlich bekommt die durchschnittliche Afrikanerin etwa 4 Kinder, Tendenz fallend und mit erheblicher Varianz zwischen einzelnen Ländern. Das Bevölkerungswachstum Afrikas ist ohne Frage eine große Herausforderung für die Politiker des Kontinents. Mit »tradierten Verhaltensweisen« hat das aber wenig zu tun,
Auch ansonsten sind Nookes Antworten mit Unwahrheiten und Ungenauigkeiten gespickt. »Die wenigsten Migranten aus Afrika sind Flüchtlinge.« Falsch, denn die Mehrheit der afrikanischen Antragssteller auf Asyl
»Nigeria fördert seit 50 Jahren Öl, hat aber keine einzige funktionierende Raffinerie. Rohöl raffinieren oder Plastikstühle herstellen könnte man auch vor Ort. Stahlwerke, Aluminiumwerke – könnte es alles geben.« – Günter Nooke
»Nigeria fördert seit 50 Jahren Öl, hat aber keine einzige funktionierende Raffinerie.« Falsch, es gibt in Nigeria 4 staatliche Raffinerien, die zwar unter jahrzehntelanger Vernachlässigung leiden,
»Die ganzen Straßenhändler und landwirtschaftlichen Familienbetriebe zahlen ja keine Steuern.« Falsch, denn Straßenhändler zahlen natürlich Importsteuern und in vielen Ländern auch Gebühren an die lokale Gemeinde, landwirtschaftliche Produkte werden beim Export besteuert und der Vertrieb von Düngern und Saatgut ist in vielen afrikanischen Ländern ein staatliches Monopol. Anders als Nooke behauptet, spielen sich auch nicht »80 bis 90%« der Wirtschaft im informellen Sektor ab, sondern
»Man muss Chinas Aktivitäten natürlich beobachten, weil durch die Verschuldung der Afrikaner Abhängigkeiten entstehen.« Dass auch Schulden entstehen, wenn man sich Geld im Westen leiht, ist Günter Nooke offenbar entgangen.
»Aber auch Afrika hat seinen Teil zum Klimawandel beigetragen. Große Teile des Regenwaldes sind verschwunden und wurden für Feuerholz genutzt. Das geht bis heute so weiter ohne ausreichende Aufforstung.« Klar, Entwaldung ist schlimm, aber was Herr Nooke hier versucht, ist eine dreiste Verdrehung der Realität. Deutschlands 83 Millionen Einwohner
Als die Kolonialisierung noch Ordnung schaffte
So weit, so inkompetent, aber in dieser Bundesregierung ist Fachkenntnis
»Es gibt schon Nachwirkungen. Schlimm waren die Sklaventransporte nach Nordamerika. Auf der anderen Seite hat die Kolonialzeit dazu beigetragen, den Kontinent aus archaischen Strukturen zu lösen. Experten, auch Afrikaner, sagen: Der Kalte Krieg hat Afrika mehr geschadet als die Kolonialzeit.« – Günter Nooke
Klar, die Erbmonarchien Europas, in denen Menschen ohne Adelstitel nichts und Frauen schon gar nichts zu melden hatten, haben den Schwarzen damals so richtig gezeigt, wo der zivilisatorische Hammer hängt. Die bis zu 13 Millionen Kongolesen, die durch belgische Kolonialsoldaten in den Jahren 1885–1908 umgebracht oder systematisch verstümmelt wurden, waren für die Auflösung ihrer »archaischen Strukturen« sicher genauso dankbar wie die
Völlig unironisch beklagt sich Nooke dann noch über den mangelnden Handel und die schlechte Infrastruktur für den innerafrikanischen Warenaustausch. Als ob es nicht die europäischen Kolonialmächte gewesen sind, die die Transportinfrastruktur und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der meisten afrikanischen Staaten allein auf den Export billiger Rohstoffe zugeschnitten haben.
Ein Migrantenparadies in der Wüste
»Die Regierungen dürfen sich nicht damit zufriedengeben, dass ihre Bürger das Land verlassen und Geld aus dem Ausland schicken. […] Die Ärmsten kommen ja gar nicht weg. Diejenigen, die das Geld für die Schlepper haben, sind die besser Ausgebildeten, die das Land eigentlich voranbringen könnten. Deshalb ist es auch moralisch fragwürdig, wenn wir alle aufnehmen wollen.« – Günter Nooke
Dass er nicht lösungsorientiert denkt, kann man Herrn Nooke allerdings nicht vorwerfen. Die Probleme Afrikas – Migration, mangelndes Wirtschaftswachstum, geringe Produktivität, um nur einige zu nennen – will er durch einen großen Wurf lösen. Nookes geniale Idee: Anstatt afrikanische Migranten nach Europa zu holen – laut Nooke »moralisch fragwürdig« –, sollen sie an Orte zurückgebracht werden, an denen sie »beschützt sind, Ausbildung und Arbeit finden«. Und weil afrikanische Regierungen bekanntlich zu korrupt und unfähig sind, diese Bedingungen in ihren Ländern zu schaffen, muss man ihnen eben einen Teil ihres Landes wegnehmen.
Nooke schweben »Wirtschaftssonderzonen« vor, Städte »auf neuem Gelände, mit klaren Regeln und Strukturen«, für die afrikanische Staaten »gegen Pacht ein Stück territoriale Hoheit aufgeben«. Deutlicher kann man wohl nicht sagen, dass man den Kontinent und 99% seiner Bewohner für gescheitert hält. Da dürfte auch Donald Trump nicken, für den die meisten afrikanischen Staaten ja »shithole countries« sind.
Das Konzept stammt nicht von Nooke selbst,
Tatsächlich gibt es für die unterschiedlichen Probleme unterschiedlicher afrikanischer Länder eine ganze Reihe von Lösungen.
Deutschland könnte ganz konkret nationale Aktionspläne gegen
Es ist alles da. Man müsste nur seine Arbeit machen als Afrikabeauftragter. Ist aber schwierig, wenn man so viel im heißen Afrika sein muss. Hat wohl »mit dem Klima zu tun. Bei 35 Grad und 100% Luftfeuchtigkeit ist die Arbeitsproduktivität eine andere.«
Titelbild: Tetbirt Salim - CC0 1.0