Kann dieses Gesetz die Plastikflut beim Einkaufen beenden?
84% der Deutschen wollen weniger Plastikmüll verursachen. Aber das scheitert schon an der eingeschweißten Biogurke. Kann das neue Verpackungsgesetz unser Dilemma lösen?
Biogurken in Folie. Ananas im PET-Becher. Tomaten in Folie und PET-Schale. Zumindest im Supermarkt gibt es häufig keine plastikfreie Alternative. Wenn ein einzelner EDEKA-Markt Wurst und Käse nun auch direkt in die Dosen der Kunden legt, statt sie in Einwegplastik zu hüllen, ist das so ungewöhnlich, dass
Wie kann es funktionieren, dass Ware von Aldi bis Zalando nachhaltig verpackt wird?
Fakt ist: Die Menge unserer Verpackungen steigt immer weiter an, und somit auch die Menge des Verpackungsmülls. Das geschieht übrigens klar gegen den erklärten Willen der Bürger: In einer
Aber auch wenn es eine gewisse Konjunktur für plastikfreie Läden gibt, bleiben sie immer noch Nische. In der Breite wird munter weiter verpackt, von ersten zarten Pflänzchen
Der Müllberg diesseits der Chinesischen Mauer
Zum 1. Januar 2018 war Verpackungsmüll schon einmal ein großes Thema: An diesem Stichtag endete nämlich die gängige Praxis, große Teile des europäischen Plastikmülls nach China zu verschiffen. Dort hatte der inländische Konsum mittlerweile solche Größenordnungen erreicht, dass China schon mit dem eigenen Müll alle Hände voll zu tun hatte.
Seitdem bleibt der Müll hier – und weil unsere dualen Systeme damit vollkommen überlastet sind, wird das meiste davon verbrannt. Der Chef des wichtigsten Entsorgungsverbands schätzt,
Egal wie viel Prozent es nun sind: Dass der Verpackungsmüll heute größtenteils verbrannt wird, »ist eigentlich ein Frevel«, findet Thomas Fischer, Leiter des Bereichs
Dass dem oft nicht so ist, lässt sich auch mit der Geschichte der gelben Tonne erklären. Anfang der 1990er-Jahre gründete die Verpackungsindustrie gemeinsam mit der Lebensmittelbranche das sogenannte
Recycelt wird nur noch, wenn es sich rechnet.
Die Initiatoren des Grünen Punkts waren Händler, deren Verpackungswertstoffe nun gesammelt und (bis zu gewissen Grenzen) recycelt wurden. Sie zahlten Lizenzentgelte, die die Kosten des Grünen Punkts tragen sollten. Dieses Konzept hat sich aber wirtschaftlich nicht getragen, und so wurde die Gesellschaft mehrfach umstrukturiert und gewinnorientiert ausgerichtet. Das brachte wiederum die EU-Monopolkommission auf den Plan, die schließlich einen Wettbewerb erzwang. Heute existieren
Erschwerend kommt hinzu, dass in den gelben Säcken und Tonnen der Republik nach und nach auch immer mehr Wertstoffe landeten, auf denen der Grüne Punkt gar nicht aufgedruckt war und deren Erzeuger niemals Lizenzentgelte gezahlt hatten. Der Einzelhandel ist verständlicherweise sauer auf Versandhändler, deren billige Konsumprodukte aus dem Onlinehandel den Markt fluten – und deren Verpackungen auf Kosten anderer recycelt werden sollen. Auch wegen solcher Trittbrettfahrer erhöhte sich der Kostendruck bei den dualen Systemen massiv.
Der Recyclingmarkt ist in Bewegung: Der Discounter Lidl will seine Wertstoffe künftig komplett selbst recyceln –
Nach der Gesetzesänderung dürften im kommenden Jahr die Lizenzentgelte leicht steigen und somit etwas mehr Geld für Recycling zur Verfügung stehen. Das könnte mittelfristig dazu beitragen, dass weniger Wertstoffe verbrannt werden.
Auf die Anfrage, wie hoch die tatsächlich erreichten Recyclingquoten bei REMONDIS derzeit sind,
Was ändert sich 2019?
Mit dem neuen Verpackungsgesetz, das zum Jahreswechsel in Kraft tritt, steigen die Recyclingquoten für die verschiedenen Verpackungsmaterialien – also die gesetzlichen Vorgaben, welcher Anteil der Stoffe recycelt werden muss. Beim Plastik ist die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit dann besonders groß:
Neu ist die Zentrale Stelle, die sich künftig um Lizenzen und den Geldfluss zwischen Verpackungsproduzenten und -verwertern kümmert. Jeder, der verpackte Produkte auf den Markt bringt –
Am liebsten überwacht sich der Handel selbst
Der Handel selbst hat die Stiftung errichtet. Sein Ziel, damit mehr Fairness im Wettbewerb zu schaffen,
Kritiker bezweifeln, dass der Markt sich selbst effektiv überwachen kann. Das von der SPDlerin Svenja Schulze geführte Umweltministerium sehe das anders, wie ein Sprecher mir schrieb: »In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass Wirtschaftsbeteiligte die Regelungen der Verpackungsverordnung auf unlautere Weise zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt haben. Dies zu erkennen und zu verfolgen ist den staatlichen Vollzugsbehörden der Länder teilweise schwergefallen.« Mit anderen Worten: Die ehrlichen Unternehmen hätten selbst ein Interesse an effektiver Überwachung.
Ein Gesetz für die Tonne?
Der größte Kritikpunkt am neuen Verpackungsgesetz ist aber ein anderer: Selbst wenn ein größerer Anteil des Verpackungsmülls verwertet wird, bleibt der Müllberg in den Haushalten und Sortierstellen erst einmal gleich groß. Und damit das recycelte Material auch wirklich wieder in Verpackungen gelangt, anstatt kostengünstig zu minderwertiger Ware downgecycelt zu werden, fehlen die Anreize. Das sagt auch Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe:
Am Ende ist der Preis entscheidend: Wie viel kostet Neuware, wie viel kostet Rezyklat? Vor allem sollte es so sein, dass diejenigen, die Rezyklat verwenden, ökonomisch belohnt werden gegenüber denen, die Neumaterial verwenden. Diese Situation haben wir nicht.
Derzeit würden lebensmittelechte Rezyklate nur in Pilotprojekten verwendet, weil es sich für den Massenmarkt preislich nicht rentiere. Zumindest bei den PET-Einwegflaschen wird das voraussichtlich ab 2025 anders: Ab diesem Datum müssen neue Flaschen EU-weit mindestens 35% Recyclingmaterial enthalten. Eine entsprechende Initiative
»Eine gesetzliche Quote für den Einsatz von Recyclingmaterial«, glaubt Thomas Fischer, »würde dazu führen, dass die Anbieter skalieren, investieren, und erst dann kann ein qualitativ hochwertiges Recycling in der Breite umgesetzt werden.« Auch aus der Recyclingwirtschaft selbst
Die Menge der hochwertig recycelten Kunststoffverpackungen wird sich ungefähr verdoppeln. Darüber hinaus werden die dualen Systeme verpflichtet, bei ihren Lizenzentgelten die Recyclingfähigkeit von Verpackungen und den Rezyklateinsatz zu berücksichtigen.
Damit werde der Einsatz von Rezyklaten finanziell belohnt, hofft das Ministerium. Wenn es recht behält, werden also mehr Verpackungen in einen dauerhaften Kreislauf eingebracht, statt sich als Müll anzuhäufen, bei dem Verbrennen die günstigste Option ist.
Papier ist geduldig, Plastik auch
Wie sich das neue Gesetz tatsächlich auf unsere Müllberge auswirken wird, wird sich schon bald zeigen. Anstatt darin die Industrie zu wirklichen Zugeständnissen zu zwingen, verfolgt Umweltministerin Svenja Schulze einen anderen Weg, um weniger Plastik in Umlauf zu bringen: Sie will den Handel zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung bewegen. Das habe bei den Plastiktüten super funktioniert, heißt es aus dem Ministerium – diese werden generell nur noch gegen Bezahlung ausgegeben, einige Ketten haben sie komplett durch Papier oder andere Materialien ersetzt. Die Ministerin hofft, dass der Handel nun von sich aus
Thomas Fischer von der Umwelthilfe hätte lieber Verbindlichkeit qua Gesetz:
Wir brauchen klare Spielregeln und Verbindlichkeit. Der Markt schafft es offensichtlich nicht von allein, die Verpackungsmüllberge zu verringern. Deshalb muss der Staat dafür sorgen, dass die Mehrwegquote für Getränkeverpackungen umgesetzt und der Einsatz von Recyclingmaterial ausreichend stark belohnt wird.
Beim Verpackungsmüll ist allen Beteiligten klar wie sonst nur bei wenigen Themen, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Der Exportstopp nach China war nur einer von vielen Faktoren, die die Augen der Öffentlichkeit auf den Müllberg gelenkt haben. Erschütternde Videos und Dokumentationen haben viele Menschen erreicht und ihnen die massive Plastikvermüllung der Ozeane nähergebracht. Auch deshalb stößt die
Deshalb wird auch unter den Augen der Öffentlichkeit bestimmt werden, ob das neue Verpackungsgesetz wirklich die erwünschten Fortschritte bringt. Wenn es hinter den Erwartungen zurückbleibt, kann die Umweltministerin jederzeit Nachbesserungen anstoßen.
Weitere Informationen zu dieser Förderung findest du hier!
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