Wetten: Du weißt nicht, wen ich mit diesem Bild zeigen will!
Denn du bist andere Bilder von Muslimen gewohnt. Das muss sich ändern!
»Ihr zeigt jetzt aber nicht die Popos!«
Ich erinnere mich noch gut daran, wie wütend der Journalist in der Redaktion vor 5 Jahren war. Gleich sollte sein Beitrag über das muslimische Freitagsgebet auf Sendung gehen. Was ihn so rasend machte, war das Vorschaubild für seinen Bericht, das hinter der Fernseh-Moderatorin erschien: Muslime beim Beten, von hinten fotografiert. Wer ein bisschen Vorstellungskraft besitzt, weiß, was man sieht, wenn sich 100 Männer vor einem nach vorne beugen.
Damals war ich schwer beeindruckt von der Reaktion des Reporters. Bei so viel Sensibilität im täglichen Medienbetrieb
Von wegen. prangt eine Frau mit Kopftuch vor dem Brandenburger Tor, den Rücken zur Kamera gedreht, als Symbolbild für Muslime in Deutschland.Warum mich das so wütend macht?
Bei den meisten dieser Fotos bezweifle ich, dass die Models freiwillig mitmachen. Eine unangenehme Vorstellung, Der Pressekodex ist eine journalistisch-ethische Sammlung von Regeln, die der deutsche Presserat im Jahr 1973 beschlossen hat aber laut Pressekodex nicht verboten, solange die Persönlichkeitsrechte gewahrt werden. Das größere Problem ist, dass diese Fotos Muslime in den Augen von Nicht-Muslimen gesichtslos, distanziert und fremd wirken lassen. Islam macht Mode: Ist das Kopftuch für alle da? Das Kopftuch, das in Deutschland längst ein Politikum ist, als einzige Charakteristik einer Muslimin zu präsentieren, führt unweigerlich dazu, wuchern. Erfahre hier mehr über das Fremde in deinem Kopf Das sind Bilder im Kopf, die bestimmen, wer dazugehört und wer eben nicht. Bei der immer wieder aufflammenden Debatte um Islam in Deutschland spielen sie eine entscheidende Rolle.
Medienwissenschaftler Kai Hafez analysiert die Entstehung von Islambildern in Presse, Radio und Fernsehen seit über 20 Jahren. Kai Hafez schrieb in der ZEIT: »Der Islam hat eine schlechte Presse«. Hier zeigt sich am Titelbild, dass auch gut recherchierte Artikel über Stereotype solche stereotypen Vorstellungen bedienen Er beobachtet, dass 60–80% der Berichte über Muslime negative Bezüge hätten. Meist war von Terrorismus und Gewalt die Rede. »Wenn etwas Negatives passiert, bestätigt das unsere Stereotype, und wenn etwas Positives passiert, dann denken wir gar nicht an einen Zusammenhang«, sagte Hafez im Telefoninterview. Das Phänomen, das Hafez beschreibt, Neue Informationen werden von uns so ausgewählt und interpretiert, dass sie unsere Erwartungen erfüllen und so unser Weltbild bestätigen.
Machen wir den Test: Musliminnen ohne Kopftuch sind eine Ausnahme? Richtig? Falsch!
Nur 25% der deutschen Musliminnen tragen Kopftuch
Eine repräsentative Erhebung im Auftrag des Exzellenzclusters »Religion und Politik« der Universität Münster unter 1.201 Türkeistämmigen ergab, Die Prozentzahlen stammen aus einer Expertise der Friedrich-Ebert-Stiftung (2012) Unter allen Musliminnen in Deutschland sollen es im Jahr 2012 gerade einmal 25% gewesen sein. Um nicht missverstanden zu werden: Es geht nicht darum, das Kopftuch zu verstecken, weil stereotype Vorstellungen daran hängen. Islam in Deutschland aber immer nur als Kopftuch abzubilden, zeigt nur 1/4 der Realität.
Dass sich starre Rollen und religiöse Fremdheit in der Darstellung wiederfinden, bringen unter anderen Plattformen wie die
zur Sprache. Wer Muslime in Deutschland realistisch abbilden will, könnte also wissen, wie es nicht geht. Aber wie geht es?Heute keine Vorstellung im Kopfkino
Ich bin keine Muslimin. Und in unserer kleinen Redaktion arbeiten bis dato keine Journalisten muslimischen Glaubens. An der Repräsentation und Diversität in Medienhäusern muss sich etwas ändern, denn nur so vollzieht sich ein Perspektivenwechsel im Journalismus. Wer die Diskussion nicht im redaktionellen Rahmen führen kann, hat viele Möglichkeiten, sich die Perspektiven von außerhalb bei muslimischen Gemeinden, Mediendiensten oder freien Journalisten zu holen.

Nach dem Bild für diesen Artikel habe ich 4 Stunden gesucht. Ich kenne keinen (Bild-)Redakteur, der jedes Mal so viel Zeit hat, um ein passendes Foto auszuwählen. Nun habe ich mich für ein Bild entschieden, das eine alltägliche Straßenszene zeigt. Wer in diesem Bild nun Muslim ist oder nicht, ist schwer festzustellen. Zur Transparenz: Dass 2 Frauen mit Kopftuch über den Zebrastreifen gehen, fiel mir erst später auf.
Wie werden eigentlich Gläubige anderer Religionen – Christen und Juden in unseren Medien dargestellt? Bei Letzteren finde ich in Datenbänken etliche Fotos, die der Darstellung von Muslimen ähneln. Das Kopftuch wird dort zur Kippa, der religiösen Kopfbedeckung von männlichen Juden. Auch das schafft Distanz. Gut, dass die Katholiken ihren Papst haben, denn der taucht bei der Bildersuche häufig auf.
Im Allgemeinen werden Christen eher durch religiöses Personal oder im Rahmen von Gottesdiensten repräsentiert. Die Symbolbilder für christliche Gläubige außerhalb religiöser Anlässe sind rar gesiedelt. Und da zeigt sich der Unterschied. Wir müssen uns gar nicht mehr »den Christen« im Alltag vorstellen, weil es ihn als Einheitsmodell nicht gibt. Das gilt in der Realität genauso für Muslime. Daran sollten wir denken, wenn wir das nächste Mal ein Kopftuch von hinten im Fernsehen, Internet und in der Zeitung sehen.
Titelbild: Jacek Dylag - CC0
Die Diskussionen sind leider nur für Mitglieder verfügbar.