Wie ich meiner Oma das Smartphone erkläre
Viele Senioren sehnen sich nach digitalem Anschluss an die Familie. So helfen wir ihnen dabei.
»Tut mir leid, das ist wohl nichts für mich«, sagt Mechthilde W., legt das Smartphone weg und lächelt entschuldigend. Der Bildschirm mit dem Urlaubsfoto ist einfach dunkel geworden, die Seniorin ist sich sicher, etwas kaputt gemacht zu haben. Es ist Weihnachten 2017 und die Familie hat sich um ihr ältestes Mitglied im Altersheim versammelt. Auch ich bin da, denn Mechthilde W. ist meine Oma, und der erste Versuch, sie an moderne Technik zu gewöhnen, ist gerade grandios gescheitert.
Seitdem denke ich darüber nach, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, ihr die Welt der Smartphones näherzubringen. Aber sind Senioren und moderne Technologie überhaupt kompatibel?
Prinzipiell ja: Eine Studie des Pew-Forschungszentrums ergab, dass immerhin 4 von 10 US-Amerikanern im Alter von 65+ ein
Leider wahr: 66% der Senioren fühlen sich eher unsicher, wenn es um moderne Elektronik geht.
Doch dass das meiner Großmutter Mechthilde W. nicht gelingen will, ist keine Ausnahme. Denn die US-Studie ergab auch: 66% der Senioren fühlen sich eher unsicher, wenn es um moderne Elektronik geht.
Ich will nicht aufgeben und meiner Oma den digitalen Anschluss an unsere Familie ermöglichen, die längst schon online miteinander kommuniziert. Doch wie erreiche ich es, dass sie sich demnächst auch über die Fotos ihrer Enkel freuen kann und vielleicht sogar Perspective Daily
Auf der Suche nach Antworten stoße ich auf hartnäckige Vorurteile, große Chancen und eine neue Software, die jedes Smartphone seniorengerecht machen will – und ich lerne, wie ich Senioren das Smartphone besser näherbringen kann.
Das können Senioren mit einem Smartphone gewinnen – und deshalb zögern viele noch
Smartphones sind heute weit mehr als nur »bessere Telefone ohne Tasten«. Die kleinen Technikwunder haben viele Funktionen, die für uns heute selbstverständlich sind, für Menschen in höherem Alter aber eine erstaunliche Erleichterung darstellen können:
- Navigations-Apps funktionieren auch zu Fuß und helfen Senioren bei der Orientierung bei Ausflügen. Sie werden per Internet aktuell gehalten und sind genauer als jeder Fahrplan, wenn man mit Bus und Bahn unterwegs ist.
- Kamera und Mikrofon können Videobotschaften oder kleine Audio-Nachrichten aufzeichnen, die dann über das Internet direkt an Freunde und Verwandte geschickt werden. So ist jederzeit Kommunikation ohne Anrufen möglich, auch wenn die Finger nicht mehr so wollen.
- Im weltweiten Netz gibt es mehr als nur Wettervorhersagen oder Nachrichten für Senioren. Nicht umsonst haben
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Das erklärt, warum viele Senioren ihren kleinen Begleiter nicht mehr missen wollen und sich mit Smartphone laut der neuen
Trotzdem hält sich das Bild des technikskeptischen Seniors noch
Technologie ist keine Frage des Alters. Das kann man relativ leicht widerlegen. Wir haben selbst Studien und Trainings mit Älteren gemacht, bei denen wir zeigen konnten, dass sie Aufgaben genauso gut – also ohne Unterschiede in der Anzahl von Fehlern, der Erfolgsrate oder Zahl von Interaktionsschritten – erledigen konnten wie Jüngere.
Natürlich weiß auch Hartmut Wandke, dass ältere Menschen mit eigenen Einschränkungen hadern, von schlechteren Augen bis zu weniger feinfühligen Fingern. Doch Senioren kompensieren diese Nachteile auch wieder,
Ältere übernehmen Vorurteile teilweise sogar verstärkt. In unseren Studien sagten fast alle Senioren, bevor sie unbekannte Technologie in die Hand nahmen, etwas wie: ›Gleich wird sich herausstellen, wie dumm ich bin.‹
Klappt dann etwas mit neuer Technologie nicht auf Anhieb, werten Senioren das schnell als
Hartmut Wandke fordert als Lösung von Software-Herstellern, für ältere und unerfahrene Nutzer mitzudenken. Das meint aber nicht, bessere und dickere Handbücher zu schreiben. Stattdessen sollte Technik so programmiert sein, dass gerade am Anfang Erfolgsmomente entstehen und Fehler und Frust erst mal vermieden
»Ein Anreiz für Hersteller sollte folgender sein: Wenn Systeme für Ältere gut gemacht sind, dann sind sie auch für Jüngere gut.« – Hartmut Wandke, Professor für Psychologie im Ruhestand
Um meiner Oma den Einstieg zu erleichtern, muss ich also gegen Software-Hürden ankämpfen, die ich als Autor für Digitalisierung mit Leichtigkeit nehme. Aber auch gegen ihre Verunsicherung – die ich vermutlich selbst mit erzeugt habe. Schließlich habe auch ich verständnisvoll gelächelt, als sie bei der ersten Hürde aufgab.
Um zu lernen, wie ich Menschen über 65 das Smartphone besser näherbringen kann, wende ich mich an eine Seniorin, die die Benutzung ihres Smartphones in einem Kurs gelernt hat.
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So bringen wir Älteren das Smartphone näher – rät eine Seniorin
Elisabeth C. gehört zu den Senioren, die es geschafft haben. Die 82-Jährige besitzt ein Smartphone, telefoniert damit und liest regelmäßig die Nachrichten ihrer Familie per
Angestoßen wurde das Ganze von ihrer Schwiegertochter, die die Seniorin einfach spontan mit in einen
So ein Kurs war schon etwas anderes. Wenn ein Familienangehöriger das erklärt, dann geht das so zack, zack, zack. Wir Älteren brauchen schon ein bisschen länger, um so etwas zu lernen.
Gelernt hat die Seniorin im Kurs viel über verschiedene Betriebssysteme, was sich hinter den Namen Android und Apple versteckt oder was Zeichen wie # oder @ bedeuten. Ich merke: Hier ist viel Geduld nötig, denn vieles, was jüngeren Nutzern selbstverständlich erscheint, ist für interessierte Senioren absolutes Neuland. Auch wenn die Neugierde der Seniorin mit dem Basiswissen geweckt ist, fehlt noch viel, damit sie sich »sicher« fühlt. Im Gespräch gibt Elisabeth C. zu:
Die Grundbegriffe klappen jetzt, aber einiges liegt noch im Argen. Richtig tippen kann ich bis heute nicht auf dem Display. Da hatten die Jüngeren im Kurs zu viele Fragen und wollten zu schnell weiter. Und der Lehrer nahm sich nicht die Zeit, auf so ’nen alten Anfänger wie mich einzugehen.
Hier war offenbar die Altersspanne im Kurs das Problem. Das sieht auch Psychologe Hartmut Wandke so. Denn Senioren brauchen durchaus etwas mehr Zeit und Geduld, bevor alle Fragen geklärt sind. Doch Elisabeth C. denkt gleich an Lösungen und diskutiert im Gespräch mit mir 2 Vorschläge, die ihr besonders gut gefallen:
- Homogene Seniorengruppen: In Gruppen mit Gleichaltrigen lernen Senioren besser im eigenen Tempo. Diese gibt es etwa in Seniorentreffs in vielen deutschen Städten. An speziellen Tagen sind dort immer wieder Smartphones und Fragen zu moderner Technik das Thema. Alternativ vermitteln Portale wie
- Seniorenvorbilder: Um mehr Senioren Mut zu machen, wünscht sich Elisabeth C. auch mal ältere Menschen in der Werbung mit Smartphone zu sehen – vielleicht Uschi Glas oder Sky du Mont?
Mit Geduld, Mut und der richtigen Erklärweise sind Smartphones für Senioren kaum ein Problem. Ein spezielles Gerät braucht Elisabeth C. dafür auch nicht. Was aber ist dann mit all den Smartphones für Senioren, die auch in diesem Jahr zu Weihnachten in den Elektronikmärkten angepriesen werden? Sie wollen mit großen Tasten und einfachen Funktionen die letzten Hürden und Bedenken nehmen.
Mit denen hatten aber auch wir in der Redaktion so unsere Probleme. Unser Autor Peter Dörrie versuchte bereits mehrere Seniorenhandys zu verschenken. Sein Fazit: Ohne eine lange Voreinstellung eines Profis keine Chance. Und auch dann verbirgt sich hinter Seniorenhandys oft nur eine abgespeckte, aber teure Hardware, die kaum Vorteile bietet.
Hinter Seniorenhandys verbirgt sich oft nur eine abgespeckte, aber teure Hardware, die kaum Vorteile bietet (und fitte Senioren unterfordert)
Manche Angebote wirken sogar kaum bis zum Ende durchdacht, wie die
Abgeschreckt von »Einfachhandys« versuche ich es zu Weihnachten mit einer Software, die mein altes Smartphone für meine Oma tauglich machen soll. Ob das wohl gelingt?
Diese App will jedes Smartphone fit für alte Anfänger machen
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Große Tasten, einleuchtende Symbole und eine fingergerechte Tastatur, ohne zu viele Funktionen zu verlieren: Das verspricht die
Klingt gut, neu ist diese Idee aber nicht: »Launcher-Apps« nutzen schon seit Jahren die Möglichkeiten, die Android-Oberfläche auf Nutzerbedürfnisse zuzuschneiden. Auch Anpassungen für Senioren waren darunter, blieben aber oft bei größerer Schrift und stark abgespeckten Funktionen – das kann für stark eingeschränkte Senioren nützlich sein,
Als Vorbereitung für die diesjährige Weihnachtsüberraschung installiere ich sie auf einem Samsung A5 –
Nach weniger als 5 Minuten ist alles eingerichtet und die Vereinfachung ist deutlich erkennbar. Große Tasten, eine kontrastreiche und große Schrift sowie ein klar strukturiertes Menü signalisieren Einfachheit und Sicherheit. Ein Wisch nach links führt zum Notruf und wichtigen Kontakten, ein Wisch nach rechts zu 7 vorgeschlagenen Anwendungen wie Taschenrechner, E-Mail oder Internetbrowser, die sich aber frei ändern lassen. Ein »Zurück«-Knopf führt immer wieder zurück zur obersten Ebene. Dazu installiert die emporiaAPP eine deutlich einfachere Tastatur
Meine anfängliche Skepsis lässt nach, als ich merke: Hier hat sich jemand viele Gedanken über eine intuitive Oberfläche für Senioren gemacht – ohne sie zu sehr zu bevormunden.
Was Senioren wirklich brauchen: Vertrauen in ihre Fähigkeiten und genügend Zeit!
Trotzdem kann eine solche App nur einen Teil der Arbeit leisten. Sie kann eine individuelle Einarbeitung nicht ersetzen und das beste Handbuch kann nicht alle Stolpersteine abdecken, die im weltweiten Netz auch auf Senioren lauern. Um die Generation 65+ nicht mehr beim Thema Smartphones abzuhängen, müssen wir ihnen vor allem Folgendes schenken: Vertrauen in ihre Fähigkeiten und genügend Zeit. Das kann ein Kurs in der Volkshochschule sein – oder 3 geduldige Stunden über die Weihnachtsfeiertage mit den Enkeln. Denn nur mit Geduld und Erklärbereitschaft helfen wir ihnen über die letzten Hürden hinweg ins digitale Familienleben. Das richtige Weihnachtsgeschenk für meine Oma Mechthilde W. ist damit gepackt. Aber psst!
In den Diskussionen berichte ich nach dem 24. Dezember, wie der zweite Versuch ausgegangen ist, Mechthilde W. an ein Smartphone zu gewöhnen. Und vielleicht beschreibt sie ihre Erfahrungen bald selbst hier unter dem Artikel.