Von der Kunst, den Krieg hinter sich zu lassen
Nur 120 Kilometer trennen Beirut und Damaskus. Doch dazwischen liegen Welten – Krieg auf der einen, Frieden auf der anderen Seite. Viele syrische Künstler sind in die libanesische Hauptstadt geflüchtet und etablierten dort ein Zentrum für ihre Exil-Kunst. Ein Audiobeitrag
Die Szene stammt aus dem
Einer von ihnen ist der 30-jährige Owiss Mokhallalati. In einer Szene schmiert er sich mit Rasierschaum voll. Dann zieht er den Finger am Hals entlang wie ein Schächter sein Messer. Die rosarote Haut schimmert durch den weißen Schaum, sein Kopf fällt zur Seite.
Ich werde geköpft, wie in den Filmen und Videos von Hinrichtungen, die der Islamische Staat an die Ungläubigen in der Welt sendet. Wir alle sind vor ihnen gleich.
Die Szene entspringt der Realität:
2013 war ich gerade im Tonstudio. Ich bekam einen Anruf. Jemand sagte: Komm und kämpfe für die syrische Armee. Sie wollten mich als Soldat einziehen. Ich reiste aus, so schnell ich konnte. 2 Stunden später hatte ich Damaskus verlassen und war in Beirut.
Kunst als Trauma-Therapie?
Im Libanon ist Owiss Mokhallalati einer von rund 1 Million syrischer Geflüchteter. Wie der Schauspieler strandeten seit 2011 viele syrische Künstler in der libanesischen Hauptstadt Beirut und prägen seitdem die Künstlerszene im Libanon. Sie fördern vor allem das Sprechtheater, das
Auch im
Ich glaube, dass es den Menschen helfen kann, dass wir sie nach ihrer Meinung fragen. Wir fragen nicht nach dem Trauma – wir fragen dich, was dich interessiert. Was willst du auf der Bühne sein? Was willst du auf der Bühne sagen? Insofern ist der Prozess eher einer von Empowerment, weniger ein therapeutischer. Und tatsächlich auch eine Begegnung auf Augenhöhe.
Dass Kunstprojekte eine Trauma-Therapie nicht ersetzen können, weiß auch der Performance-Künstler Mustafa Sari aus der
Ich plane einen Workshop mit syrischen Frauen. Ich will das Bild geraderücken,
Syrer in der Opferrolle
Mustafa Sari bricht in seinen Workshops das Narrativ vom Geflüchteten auf, der auf der Bühne, in Filmen und Reportagen überwiegend als Opfer dargestellt wird. Diese einseitige Erzählweise sieht auch Lea Connert vom »Hajusom«-Theater kritisch:
Diese Fluchterfahrung ist eine Erfahrung von vielen. Wenn du die Leute auf die Bühne stellst und sie immer wieder nach dieser Geschichte befragst, reduzierst du sie am Ende doch nur auf diese Geschichte. Ich persönlich halte das für keine gute Form der Aufarbeitung von Traumata und finde es auch künstlerisch uninteressant.
Wie soll man einen Menschen erzählen, der den Krieg erlebt hat? Viele Kunstschaffende in Deutschland tun sich damit noch schwer, da sie von außen in die Welt der Geflüchteten kommen und ihre
In seinem Kurzfilm
Drama…everything you say has to be dramatic. Let us live the moment and leave it.
»Alles, was du sagst, muss dramatisch sein. Lass uns doch einfach im Jetzt leben«, fordert ein Gegenüber von Mustafa Sari, der sich in seinem Kurzfilm selbst spielt. Es entsteht ein Zwiegespräch der beiden, das nicht von Krieg, Flucht und Gewalt in Syrien handelt, sondern die Weichenstellung für soziale Anerkennung im Exil bespricht.
Das »Ankommen« in einer anderen Gesellschaft ist ein universales Thema, für Geflüchtete weltweit. Aufgrund der kulturellen Nähe scheint die Künstlerszene im Libanon den syrischen Künstlern dieses Ankommen zu erleichtern, meint Sari:
Wir werden nicht abgewiesen, können frei reden, lehnen uns nicht gegeneinander auf, was gut und positiv ist.
Im Libanon entfaltet sich auch zwischen Künstlern und Publikum ein Dialog auf Augenhöhe. Dort werden die Syrer zu autonomen Reportern, Botschaftern und Sprechern ihrer Heimat und können so ein Stück ihrer eigenen Identität bewahren. Eine Dynamik, die auch in anderen arabischen Ländern funktioniere, meint Owiss Mokhallalati:
Die Künstler sind nun in Dubai, Libanon, noch in Syrien oder Europa. Das Positive daran, es gibt jetzt mehr Verbindungen zwischen den arabischen Kulturschaffenden. Und wenn jeder seine Geschichten an neuen Orten einbringt und verbindet, dann kann das noch eine gute Welt werden.
Titelbild: Mustafa Sari - copyright