Dieses alte Verkehrsmittel wird in den 2020er-Jahren der neue heiße Sch***
Seilbahnen können mehr, als Urlauber auf Berge zu bringen – sie sind das perfekte Verkehrsmittel für verstopfte Innenstädte. Diese deutschen Städte haben Großes damit vor.
Dem Wort nach sollte die »Rushhour« ja die Stunde des Tages sein, in der sich die Menschen am schnellsten fortbewegen, aber meist ist das Gegenteil der Fall. Stattdessen steht man dicht gedrängt an einer Haltestelle oder sitzt im stehenden Auto, hupend, damit es hoffentlich irgendwann weitergeht. Jede Großstadt hat ihre Engstellen – in der Rushhour sind diese so eng, dass sie komplett verstopfen.
In Köln, wo der Stau noch etwas schlimmer ist als in vielen anderen deutschen Städten, wird gerade eine kühne Vision diskutiert: das Rheinpendel, eine Seilbahn, die schon in wenigen Jahren im Zickzack über den Rhein schweben könnte – 33 Kilometer lang, einmal durch das komplette Stadtgebiet. Die Zur Bundestagswahl 2017 habe ich analysiert, wie die Parteien das Doppelproblem Mobilität und Wohnraum in Städten angehen wollen Pendler, die von außerhalb mit dem Auto kommen, könnten dann von der Autobahn in ein Parkhaus fahren, in dem sie direkt und ohne Wartezeit in die Gondeln zum Zentrum einsteigen – und statt des alltäglichen Hupkonzerts die Aussicht genießen.
»Der urbane Bereich wird zunehmend wichtiger.«
Aus Sicht des weltgrößten Seilbahnbauers Doppelmayr bieten Städte ein »großes Potenzial« für Seilbahnen. Genaue Zahlen kann die Sprecherin des österreichischen Unternehmens nicht nennen, die traditionellen Winterseilbahnen machen jedoch nach wie vor Beim zweiten großen Seilbahnbauer, der Südtiroler Leitner AG, liegt der Umsatz mit Stadtseilbahnen bei 30%, »Tendenz steigend«. Ein Sprecher schreibt: »Der urbane Bereich wird zunehmend wichtiger.«
Seilbahnen haben, nicht nur in Köln, das Zeug zum trendigen urbanen Verkehrsmittel der 2020er-Jahre. Sie sind sicher, leistungsstark, sehr kostengünstig, wartungsarm und
In London ist die »Emirates Air Line«, deren Gondeln etwa 50 Meter über der Themse schweben, schon seit dem Jahr 2012 das aufregendste städtische Transportmittel. Und in Bolivien verbindet der Teleférico die Zwillingsstädte La Paz und El Alto – die 5 Linien bilden mit knapp 28 Kilometern bereits das längste urbane Seilbahnnetz der Welt, in diesem und im nächsten Jahr kommt noch je eine weitere Strecke hinzu. Die Betreibergesellschaft hat berechnet, dass die Passagiere der gegenüber dem Verkehrschaos am Boden so viel schneller am Ziel sind, dass sie insgesamtBerlin: Seilbahn als Vorzeigeprojekt
Berlin steht an einem Punkt, den andere Städte wie Koblenz gut kennen: Im Jahr 2017 war die Hauptstadt Gastgeberin der Internationalen Gartenausstellung (IGA), und damit Besucher die Anlage im Osten der Stadt auch aus der Vogelperspektive anschauen konnten, wurde eine Seilbahn errichtet. Jetzt stellt sich die Frage, was weiter damit passieren soll.
Gebaut wurde die Seilbahn von der Leitner AG, die sie
Damit auch danach die Gondeln weiter schweben, will die regierende SPD sie ins reguläre Netz der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) integrieren.Tino Schopf sitzt für die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus. Am Telefon sagt er: »Diese Seilbahn soll nicht abgebaut, sondern dauerhaft für die Allgemeinheit erhalten werden. Daraus ergibt sich für uns die Forderung, dass sie in den
eingebunden werden muss, damit man direkt in die Seilbahn umsteigen kann, wenn man aus der U-Bahn kommt.«
»Bei einer Seilbahn ist wichtig, dass sie nicht im Nirwana steht, sondern irgendeinen Sinn hat.«
Gerade verhandelt die Berliner SPD mit ihren Koalitionspartnern, den Grünen und den Linken, über den Vorschlag. Schopf hofft, dass das Abgeordnetenhaus vor der Sommerpause über den Antrag abstimmt, damit die Seilbahn im nächsten Haushalt berücksichtigt wird.
»Bei einer Seilbahn ist wichtig, dass sie nicht im Nirwana steht, sondern irgendeinen Sinn hat«, sagt Tino Schopf. Ob er damit den Standort der Seilbahn in Marzahn-Hellersdorf meint – das weit draußen liegt und kaum touristisch erschlossen ist –, lässt er offen. Schopf könnte sich vorstellen, die Seilbahn weiter Richtung Osten zu erweitern, damit sie für Einpendler aus dem Brandenburger Umland attraktiv wird. Mit zusätzlichen Gondeln könnte das bestehende System bis zu 3.000 Fahrgäste pro Stunde befördern, sagt Schopf.
Wenn die IGA-Seilbahn nun aber womöglich bald ins normale Ticketsystem der Berliner Verkehrsgesellschaft eingebunden ist, kann sie als Vorzeigeprojekt auch den Weg für weitere BVG-Seilbahnen ebnen. Langfristig, sagt Tino Schopf, könne er sich eine Seilbahn über das Tempelhofer Feld vorstellen, wo in den nächsten Jahren 9.000 Wohnungen entstehen und angebunden werden müssen. Eine weitere Seilbahn könnte über den Wannsee hinweggleiten. Und wenn eines Tages der sehnsüchtig erwartete Großflughafen BER in Betrieb geht und Tegel schließt, entsteht dort ein weiteres neues Wohnquartier. Wer weiß, vielleicht schwebt man per Seilbahn auch künftig in Tegel ein.
Wuppertal: Seilbahn als Lückenschließer
Erfahrung mit schwebenden Bahnen haben die Menschen in Wuppertal schon lange. »Ich fürchte, das hat damit gar nichts zu tun«, sagt Martin Dönch. Er betreut das Projekt Die Website Seilbahn2025 zum Wuppertaler Projekt Seilbahn2025 vonseiten der Wuppertaler Stadtwerke (WSW). Nirgendwo sonst in Deutschland steht der Neubau einer urbanen Seilbahn so kurz bevor. Hier hat eine Machbarkeitsstudie bereits bescheinigt, dass das Projekt sinnvoll ist. In München wird eine solche gerade durchgeführt, die bayerische Landeshauptstadt könnte also bald so weit sein, Die Süddeutsche Zeitung über das geplante Münchener Seilbahn-Projekt (2018) wie Wuppertal es heute ist.
Eine Jungfernfahrt im Jahr 2025 ist nach wie vor möglich
An diesem Montag soll, quasi als letzter Schritt vor einem möglichen Baubeginn, der Rat
Die Westdeutsche Zeitung über den für den 25. Februar geplanten Ratsbeschluss über einen Seilbahn-Bürgerentscheid (2019)
eine Bürgerbefragung in die Wege leiten.
»Die Gefahr, dass so etwas kippt, besteht immer – gerade weil Gegner eines solchen Projekts grundsätzlich lauter kommunizieren als diejenigen, die es gut finden«¸ sagt Dönch am Telefon. Wenn die Bürger für eine Seilbahn votieren, dann ist die WSW bereit, den Plan in die Tat umzusetzen. Eine Jungfernfahrt im Jahr 2025 ist nach wie vor möglich.

Geplant ist eine 2,8 Kilometer lange Seilbahn, die vom Hauptbahnhof über die Universität auf die Südhöhe führt. Der Bau soll 88,9 Millionen Euro kosten, einen Großteil wollen die WSW
Sorgen von Anwohnern, die sich nicht in den Garten schauen lassen wollen, nimmt Dönch ernst: »Das wird so gestaltet sein, dass für die Betroffenen ein Höchstmaß an Privatsphäre erhalten bleibt.« Denkbar ist zum Beispiel ein Spezialglas in den Kabinen, das auf bestimmten Streckenabschnitten milchig wird.In Wuppertal sollen bis zu 3.500 Passagiere pro Stunde fahren können.
Lässt man die der
Website der Bürgerinitiative Seilbahnfreies Wuppertal
Bürgerinitiative Seilbahnfreies Wuppertal
außer Acht, so bleiben einige Vorteile. Die Seilbahn ersetzt auf einen Schlag viele Busse, die den Berg zur immer beliebter werdenden Uni hinauffahren. 2–3 Gondeln à 35 Personen ersetzen einen vollen Gelenkbus – und alle 30 Sekunden ist eine zum Einsteigen bereit. Bis zu 3.500 Passagiere sollen pro Stunde und Richtung befördert werden können. Die Seilbahn soll mit CO2-neutralem Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken betrieben werden – durchaus ein Argument in Zeiten von
Felix Austen über dreckige Autoluft
dreckiger Stadtluft und deshalb drohender Dieselverbote.
Außerdem sind moderne Seilbahnen barrierefrei, und Martin Dönch fallen noch weitere Argumente ein:
– Martin Dönch, Wuppertaler Stadtwerke
Köln: Seilbahn als Vision
Großes entsteht ja bekanntermaßen oft im Kleinen. Die Kölner Ratsgruppe GUT ist so klein, dass man ihr das hinterste Büro auf einem kurzen Flur zugewiesen hat, in dem die übrigen Räume von Verwaltungsmitarbeitern der Oper bevölkert werden. Die Schreibtische der beiden Ratsmitglieder sind an diesem Montagmorgen noch leer, nur Verkehrsreferent Thomas Schmeckpeper ist schon da.
Thomas Schmeckpeper

Der 34-jährige studierte Philosoph ist Referent für Verkehrs- und Stadtentwicklung bei der Ratsgruppe GUT. Die Bürgervereinigung hält 2 Sitze im Kölner Stadtrat und einen weiteren in der Bezirksvertretung für die Innenstadt. Schmeckpeper beschreibt die politische Ausrichtung in 3 Worten als »sozial, ökologisch, glücklich«.
Bildquelle: David EhlSeine Vision, das Rheinpendel, verfütterte er nicht zuerst an die Mühlen der Politik, sondern startete mit einem Paukenschlag: Er brachte die Idee über regionale Medien direkt an die breite Öffentlichkeit, um einen ersten Eindruck zu gewinnen, was die Kölner überhaupt über eine Seilbahn denken. »Die Rückmeldungen sind toll, sehr positiv, es gibt sehr viel Rückenwind«, sagt Schmeckpeper, und dazu kommen die Verkehrsexperten, die sich bei ihm melden, weil sie über seine Idee gelesen haben. »Genau das wollten wir bezwecken.«
Man darf mutmaßen, dass sich die Chancen dieser fast schon größenwahnsinnigen Idee einer winzigen Ratsgruppe auf diesem Wege stark erhöht haben.
Schmeckpeper sagt, am Anfang seiner Überlegungen stand nicht, wo man in Köln eine Seilbahn aufstellen könnte, sondern vielmehr, wie man einige der täglich verstopften ÖPNV-Nadelöhre entlasten könnte.
Kölns besondere Herausforderung für jeden Verkehrsplaner ist der Rhein, der im Innenstadtbereich mehr als 300 Meter breit ist und
Thomas Schmeckpepers Rheinpendel sieht auf einen Schlag 15 neue Rheinquerungen vor: per Seilbahn. Insgesamt umfasst der Entwurf Das wären sogar 800 Meter mehr als beim ab dem Jahr 2020 geltenden Ausbaustand des Teleférico in Bolivien.So viel kostet der Bau verschiedener Verkehrsträger
Seilbahnen sind viel günstiger als S- oder U-Bahnen. Die Kalkulation pro Kilometer rechnet jeweils auch den Bau von Stationsinfrastruktur mit ein.
Die Kosten für eine Seilbahn im städtischen Bereich werden mit 6–8 Millionen Euro pro Kilometer kalkuliert, inklusive Stationsinfrastruktur. »Da habe ich dann konservativ das Doppelte an Puffer draufgerechnet«,
So ergeben sich seine grobe Schätzung der Gesamtkosten von rund 500 Millionen Euro. Bei geschätzten 100.000 Fahrgästen täglich – technisch möglich wäre das 20-Fache – und nahverkehrsüblichen Ticketpreisen würde das Projekt laut Schmeckpeper binnen 15 Jahren die Investitionskosten wieder einnehmen. »Vielleicht habe ich naiv gerechnet, aber bisher ist mir der Haken noch nicht aufgefallen«, sagt der Verkehrsreferent.Das größte Gegenargument bleibt sicher das städtebauliche: Auch wenn die Pfeiler noch so schlank und ansehnlich designt werden, würde die Seilbahn das Um den Kölner Ebertplatz dreht sich mein Text über Sicherheit auf dunklen Plätzen Stadtbild verändern. Gerade rund um den Dom müsste man sicherstellen, dass die Seilbahn nicht den UNESCO-Welterbe-Status gefährdet.
Eine Seilbahn für die Demokratie
Schmeckpeper schlägt vor, die Pfeiler und Stationen nicht einheitlich zu gestalten, sondern jeweils an die
Auch die Architektur ist ein Stück Heimat – was noch, schreiben Katharina Wiegmann, Juliane Metzker und ich
baulichen Eigenheiten
der anzupassen, in denen sie stehen. »Das ist eine schöne Möglichkeit, die Bezirksvertretungen mitzunehmen«, findet Schmeckpeper. »Nicht der Stadtrat soll entscheiden, was für ein Stützpfeiler zwischen Rodenkirchen und Porz steht, sondern die Rodenkirchener selbst. Das bringt ein demokratisches Element herein.«
Schmeckpeper hofft, dass Geld für eine Machbarkeitsstudie eingeplant wird, wenn der Kölner Stadtrat im Herbst den nächsten Haushalt verabschiedet. Die Studie würde etwa ein Jahr dauern, anschließend könnte bereits ein Planfeststellungsverfahren starten, das wiederum etwa 2 Jahre in Anspruch nehmen würde. Der eigentliche Bau würde dann nur wenige Jahre dauern: »Die ganze »Am Ende kommen nur noch die Helikopter und spannen die Seile.«
In der optimistischsten Rechnung könnte die Seilbahn also schon Mitte der 2020er-Jahre ihren Betrieb aufnehmen, realistischer ist vermutlich eher Ende des Jahrzehnts.
Jetzt beginnt der politische Prozess: Im März ist noch eine Infoveranstaltung für die Kölner geplant, aber das ersetzt nicht die Überzeugungsarbeit, die in den diversen politischen Gremien geleistet werden muss. Bericht der Süddeutschen Zeitung zum »Rheinpendel« (2019) Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist bereits offen für den Vorschlag. Letztlich ist der Rückhalt der Stadtbevölkerung aber nicht zu unterschätzen: »Wenn die Straßenbahn noch nicht erfunden wäre, und man würde heute den Leuten sagen, wir bauen jetzt einen Schienenverkehr durch die Straßen und spannen dazu Hochspannungsleitungen zwischen erstem und zweitem Stock«, glaubt Thomas Schmeckpeper: »Das würdest du nie durchkriegen!« Seine Hoffnung ist trotzdem, dass in Köln bald das längste urbane Seilbahnnetz der Welt entsteht.
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily
Die Diskussionen sind leider nur für Mitglieder verfügbar.