»Kann ich da was falsch machen?« – eine Frage, die im Notfall Leben kostet
99% der Deutschen finden Erste Hilfe wichtig – aber nur 40% würden helfen. Von einem Rettungssanitäter habe ich gelernt, wie ich im Ernstfall reagiere.
Es ist eine Sportstunde am Rosenmontag, irgendwo in Oberbayern. Zum Fasching hat sich die Kursleiterin extra verkleidet und so glauben die meisten an einen Scherz, als sie vor allen Augen einfach umkippt und regungslos am Boden liegenbleibt. Später wird es im Arztbericht heißen, sie habe einen
In den folgenden qualvoll langen Minuten entscheidet sich, ob sie überleben wird. Es hängt davon ab, ob ein Anwesender die eigene Angst überwindet: »Was, wenn ich etwas falsch mache?« Eine Frage, die in einem solchen Fall Leben kosten kann.
Doch die Sportlehrerin Yvette Katzer-Gruber ist nicht tot – weil 2 Kursteilnehmer damals ihren Schock überwanden und das Richtige taten. Nur deshalb kann sie heute von dem Tag erzählen, an dem ihr Herz wieder anfing zu schlagen: »Zuerst war der ganze Kurs wie starr vor Schreck, doch dann begann ein Teilnehmer mit der Herzdruckmassage, eine andere beatmete mich.« 18 Minuten lang, bis die Notärzte endlich eintrafen. »Mit dem Defibrillator haben sie mich dann irgendwie zurückgeholt, ins Krankenhaus gebracht und 4 Tage ins künstliche Koma versetzt«, erzählt sie.
Dass Yvette Katzer-Gruber heute wieder fast ganz gesund ist und sogar ihren Job ausüben kann, hat sie dem beherzten Eingreifen dieser 2 Ersthelfer zu verdanken: Ohne Herzmassage und Beatmung wäre ihr Gehirn schon nach 5 Minuten nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt worden. Für Yvette Katzer-Gruber ist klar: »Ohne die beiden wäre ich heute nicht mehr hier.«
Wie hättest du reagiert?
Diese Frage stelle ich mir seit dem Gespräch mit der Sportlehrerin ständig. Ich habe beschlossen, etwas zu tun – und mich für den Ernstfall vorzubereiten.
Warum der eine Kurs von damals nicht reicht
Wie wohl die meisten Menschen schaudert es mich bei der Vorstellung, in eine Extremsituation zu kommen, in der mein Handeln über Leben und Tod entscheidet. Denn bei der Frage, was genau zu tun ist, lässt mein Gedächtnis mich im Stich. Der letzte Erste-Hilfe-Kurs ist 10 Jahre her, damals beim Führerschein. Stabile Seitenlage? Ja, irgendwas war da. Wiederbeleben? Sollte man, aber wie genau, weiß ich nicht mehr.
Es ist Zeit, das zu ändern.
»Egal was ihr macht: Alles ist besser, als nichts zu tun«, hält mir Hermann Hörst von den Maltesern vor. Mit 6 anderen Teilnehmern stehe ich in einem Ausbildungsraum direkt neben der Rettungsdienststelle in einem Gewerbegebiet am Stadtrand. Rettungssanitäter Hermann Hörst bildet hier seit 6 Jahren Menschen darin aus, in Notsituationen aller Art richtig zu reagieren. Doch oft ist das gar nicht so einfach, erklärt der Erste-Hilfe-Lehrer:
Wenn ich hier manches Mal an einem Samstag den Raum voll habe mit Jugendlichen, die den Kurs für den Führerschein brauchen, dann ist es wirklich ein harter Job. Die waren dann vielleicht den Abend davor noch auf einer Feier, und dementsprechend ist dann die Aufmerksamkeit.
Ich komme ins Nachdenken, als ich das höre. Anders war es bei mir damals zugegeben auch nicht und entsprechend wenig ist hängen geblieben. Und damit bin ich wohl nicht allein: Eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts Toluna im Auftrag der Asklepios-Kliniken ergab, dass sich nur jeder fünfte Deutsche trauen würde, lebensnotwendige Maßnahmen im Notfall zu starten. Obwohl 90% der Befragten schon mal an einem Erste-Hilfe-Kurs teilgenommen haben, schätzen nur 23% ihre Fähigkeiten als »gut« ein. Bezeichnend ist, dass diese Quote mit zunehmenden Alter immer weiter sinkt – wohl nicht zuletzt deswegen, weil der Kurs bei jedem zweiten Befragten
Mit Illustrationen von Adrian Szymanski für Perspective Daily