Wenn sich nichts ändert, verdienen Frauen noch in 200 Jahren weniger als Männer. Dänemark hat eine Lösung
Deutschland hält sich für gleichberechtigt, dabei liegt der Gender-Pay-Gap über dem EU-Durchschnitt. Wie es einfach anders geht, machen die Dänen vor.
In den USA haben die Kickerinnen des Fußball-Nationalteams letzte Woche Klage eingereicht: Sie waren zwar 3 Mal Weltmeister und haben 4 olympische Goldmedaillen gewonnen,
Das Gefälle existiert nicht nur im Spitzensport: Unter anderem klagen gerade auch die weiblichen Angestellten der Unternehmen Google und Oracle gegen ungleiche Bezahlung. Der Software-Firma Oracle wird vorgeworfen, Frauen jahrelang »substanziell benachteiligt« und deutlich schlechter bezahlt zu haben als Männer, im Durchschnitt um 13.000 Dollar pro Jahr. Die Praxis sei »unmoralisch, unterdrückerisch, skrupellos und erniedrigend«, schreiben die Oracle-Mitarbeiterinnen in der
»Wenn die Gehaltskluft ein Mythos ist, dann sollten Firmen doch gar kein Problem damit haben, wenn Arbeitnehmer offenlegen, was sie verdienen.« – Alexandria Ocasio-Cortez
Für Oracle und Google kann das richtig teuer werden, vor allem, wenn sich die Hoffnung der Musterklägerinnen erfüllt und sich wirklich Tausende Kolleginnen anschließen.
Dazu braucht es zunächst einmal eines: Transparenz.
Der sogenannte »Gender-Pay-Gap« ist in den USA gerade ein riesiges Thema, nicht zuletzt weil der Shooting-Star der Demokraten, die 29 Jahre alte Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, sich das Thema auf die Fahnen geschrieben hat. Sie will den »Paycheck Fairness Act« durchsetzen und hat dazu Ende Januar vor den Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses eine flammende Rede gehalten, in der sie 2 wichtige Forderungen formuliert. 1. Jeder solle entsprechend dem Wert seiner Arbeit bezahlt werden. 2. Transparenz.
Zwar verspricht in den USA schon seit dem Jahr 1963 der sogenannte »Equal Pay Act«,
Ute bekommt 21% weniger als Uwe
Auch in Deutschland ist das »geschlechtsspezifische Lohngefälle« ernüchternd.
Eigentlich unfassbar, dass sich Frauen 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts immer noch damit herumschlagen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu verlangen. Mit der Gleichberechtigung
Mit der Gleichberechtigung hält es Deutschland wie mit dem Recycling: Wir fühlen uns als Weltmeister, in Wirklichkeit stehen wir nicht mal auf dem Siegertreppchen.
Es fehlt nicht an guten Ratschlägen. Besonders häufig kommt die von Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg geprägte Aufforderung: »Lean In!« (auf Deutsch: »Hänge dich rein!«). Frauen sollten eben weniger als Kindergärtnerinnen und mehr als Computerprogrammiererinnen arbeiten, mal richtig mit der Faust auf den Tisch hauen und mehr Kohle fordern, wenn es sein muss auch vor Gericht.
Doch auch das führt nicht notwendigerweise zum Erfolg: Die Reporterin Birte Meier hat den Prozess um gleiche Bezahlung in der ZDF-Frontal21-Redaktion gerade verloren, weil es im Journalismus – wie in vielen anderen Berufen auch – nicht einfach ist, gerichtsfest zu dokumentieren, dass ein Mann und eine Frau exakt die gleiche Arbeit machen.
Es nützt alles nichts: Deutschland steht selbst im europäischen Vergleich schlecht da.
Was machen die Dänen besser?
100% Gleichheit erreicht kein Land, auf der Suche nach einer Lösung lohnt sich aber ein Blick in Richtung der skandinavischen Staaten. Die führen die Liste der gerechtesten Staaten an; so hat beispielsweise Dänemark Deutschland in den letzten Jahren bei der Gehaltsgerechtigkeit überholt. Was machen
Seit dem Jahr 2006 müssen dort Betriebe mit mehr als 35 Mitarbeitern die geschlechterspezifischen Gehaltsstrukturen offenlegen und ihre Gehaltspolitik begründen. Die Firmen müssen natürlich nicht ans schwarze Brett hängen, wie viel Hauptabteilungsleiter Nielsen verdient, aber anonymisiert melden, wie sie weibliche und männliche Angestellte bezahlen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können die Informationen einsehen.
Die Universität von Kopenhagen hat den Erfolg des Gesetzes nun über einen Zeitraum von 10 Jahren genau unter die Lupe genommen und festgestellt: Es funktioniert.
Noch nicht perfekt, aber wesentlich besser als in Deutschland.
Ja, auch in Deutschland gibt es seit einem guten Jahr ein »Entgelttransparenzgesetz«. Das gilt aber, anders als in Dänemark, nur für Betriebe ab 200 Mitarbeitern und ist nicht mit Sanktionen verbunden. Das heißt, wer keine Lust auf Transparenz hat, muss auch nicht offenlegen, ob es Gehaltsunterschiede im Unternehmen gibt.
Das Entgelttransparenzgesetz wirkt demnach wenig mehr als eine höflich vorgetragene Bitte: Liebe Chefs, bitte sagt uns doch, was ihr Männern und Frauen bezahlt, damit wir vielleicht etwas an Ungleichheiten ändern können. In Dänemark dagegen müssen Firmen Geldstrafen bezahlen, gestaffelt nach Firmengröße, wenn sie die Gehälter nicht offenlegen.
Denn der erste Schritt ist, überhaupt zu wissen, was die Herren Kollegen verdienen, egal ob beim ZDF, den
Wovor die Firmen Angst haben, ist klar: Wenn die Fakten transparent auf dem Tisch liegen, gibt es Konsequenzen.
Allein die Tatsache, dass das Gehaltsniveau nicht mehr hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, zeigt Wirkung, auch das stellte die Kopenhagener Studie fest: Die Kluft schloss sich in Dänemark vor allem dadurch, dass die Gehälter der Männer langsamer stiegen. Die größere Transparenz führte außerdem dazu, dass Firmen mehr Frauen einstellten und sie eher beförderten.
Und das wiederum sorgt dafür, dass grundsätzliche Unterschiede abgeflacht werden. Denn der Gender-Pay-Gap liegt zu 3/4 an strukturellen Unterschieden – also etwa daran, dass mehr Frauen Krankenschwestern und mehr Männer Vorstandsvorsitzende werden und
In Deutschland ist der Karriereknick besonders massiv,
Bei Vätern stellen die Forscher höchstens kurzfristig Gehaltseinbußen fest, wenn sie länger zu Hause bleiben, aber das gleichen sie dann anschließend wieder aus. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung kommt zu dem Schluss:
Mütter erfahren sowohl im Vergleich zu kinderlosen Frauen als auch im Vergleich zu Männern große Nachteile auf dem Arbeitsmarkt. Oft werden sie erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, und wenn sie einen Job haben, erzielen sie niedrigere Löhne und werden seltener befördert als Männer oder kinderlose Frauen. Und das selbst dann, wenn sie ähnlich gut qualifiziert sind und vergleichbaren Tätigkeiten nachgehen. Auf Männer hingegen scheint Elternschaft keine negativen Auswirkungen zu haben.
Ja, es gibt auch hierzulande Fortschritte, aber bescheidene. Laut Statistischem Bundesamt ist der
Die Ungleichheit beginnt im Kindesalter
Letztendlich aber liegt die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen an etwas anderem, nämlich an Rollenbildern – und das heißt umgekehrt auch, dass jeder etwas daran ändern kann. Einkommensunterschiede gibt es nämlich schon im Kindesalter: In der vierten Klasse bekommen Mädchen im Durchschnitt 11,94 Euro Taschengeld im Monat, die Jungs 16,25 Euro. Und sobald aus Mädchen Mütter werden, trauen ihnen ihre Chefs noch weniger zu, wie die Sozialwissenschaftlerin Lena Hipp schreibt:
Eine Erklärung für die systematische Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in Abhängigkeit ihres Elternstatus ist, dass Arbeitgeber annehmen, Mütter seien weniger produktiv als kinderlose Frauen (oder auch Männer).
Da schließt sich der Kreis: Mehr Transparenz sorgt für mehr Gerechtigkeit. Und mehr gutverdienende Chefärztinnen, Chefredakteurinnen und Chefingenieurinnen sorgen auch für ein anderes Rollenverständnis.
Wenn alles so weiterläuft wie bisher, dann schätzt das Weltwirtschaftsforum, dass es noch 2 Jahrhunderte dauern wird, bis Frauen und Männer weltweit am Arbeitsplatz gleichberechtigt sind.
Im Jahr 2219 wäre es dann also soweit. Oder wir greifen – wenn wir nicht so lange warten wollen – doch noch das Parteiprogramm der von Satirikern gegründeten Die Partei auf, das da fordert: »Um die fruchtlose Debatte zum Gender-Pay-Gap in Führungsriegen zu beenden, werden Managergehälter zukünftig an die BH-Größe gekoppelt.«
Titelbild: Sammie Vasquez - CC0 1.0