Lerne die Menschen kennen, die ihr Geld damit verdienen, dich zu beeinflussen
Influencer tragen die Werbebotschaften zahlender Konzerne in die sozialen Netze. Dabei sehnen sie sich selbst nach mehr Regeln und Transparenz.
Eine Frau sitzt auf dem Boden eines modern eingerichteten Wohnzimmers und schaut verliebt auf ihren jungen Sohn. Er wird verdeckt von einem blauen Plüschelefanten, einem Geschenk zur Geburt und aktuell das Lieblingsspielzeug des Kleinen. Dazu die Beschreibung »Sorry – Mama ist heute nicht verfügbar, weil ich eine Spielverabredung habe.« Niedlich, persönlich, gut in Szene gesetzt – ein schönes Foto wie Millionen andere in sozialen Medien im Netz.
Oder etwa nicht?
Denn die Frau ist nicht irgendwer, sondern
Cathy Hummels sieht das anders.
Sind Influencer Privatpersonen, die auch Werbung machen – oder Werbetreibende, die öffentlich nicht mehr privat sein können?
Wer hat recht?
Schwer zu sagen; das Ende des Rechtsstreits ist noch nicht ausgemacht. Denn »Influencer« ist ein neuer Beruf. Influencer arbeiten in einer Grauzone, irgendwo zwischen Privatperson, Online-Magazin und Werbetreibendem, in der noch vieles ungeklärt ist.
Kein Wunder, dass sich Influencer selbst nach Klarheit sehnen – und längst selbst an Lösungen dafür arbeiten.
Influencer: So sieht es hinter den Kulissen aus
Das Wort »Influencer« hat in kurzer Zeit einen rasanten Aufstieg erlebt. Vor 10 Jahren war es quasi noch unbekannt, heute steht es für einen Traumberuf. In einer
Überraschend ist das nicht. Schließlich arbeiten Influencer am Puls der digitalen Welt; dort, wo immer mehr Menschen






Um genauer zu verstehen, wie ganz normale Influencer so ticken, habe ich mich mit
Es fing alles damit an, dass Freunde von uns früh gestorben sind und uns das tief bewegt hat. Wir haben dann lange darüber gesprochen, was wir noch erleben wollen, und kamen schnell darauf, dass es bei uns beiden die Weltreise war. 5 Monate später saßen wir im Flugzeug nach Buenos Aires. Und da wir beide Spaß am Fotografieren haben, wollten wir das Bloggen dabei einfach ausprobieren.
Von unterwegs starteten sie ihren Blog und berichteten von ihrer einjährigen Weltreise – erst mal für Freunde und Familie, dann auch für ein wachsendes Fanpublikum. Wie Reisebloggen dabei geht, brachte sich Claudia Sittner selbst bei. Heute ist sie in der Szene gut vernetzt und gibt sogar Workshops zum Thema »Aussteigen« und berät Interessierte dazu,

Von wegen einfach reich werden mit wenigen Posts. Ein Großteil der Influencer arbeitet aus Leidenschaft für kleines Geld.
Auch für Claudia Sittner ist ihr Blog mehr eine Leidenschaft: »Für die meisten, die ich kenne, bleibt es ein Herzensprojekt. Wir lieben, was wir tun, und wollen es weitergeben. Und das macht ja auch total Spaß. Ich sage immer: mein Blog, meine Spielwiese. Da kann ich machen, was ich will.«
So arbeiten Blogger, Instagrammer und Youtuber häufig im halbprofessionellen Bereich. Nur die wenigsten schaffen den Sprung, von ihrem Kanal leben zu können, und geben eines Tages tatsächlich »Influencer« als Beruf an. Dazu kommt, dass die Berufsbezeichnung mittlerweile belastet ist; auch Claudia Sittner steht ihr kritisch gegenüber:
Ich würde mich selbst nicht als Influencerin bezeichnen. Das Wort hat ja mittlerweile auch einen negativen Beigeschmack, da denken Menschen
Für Marketingfirmen macht das aber kaum einen Unterschied. Wie andere Influencer auch erhält Claudia Sittner Anfragen für Kooperationen – sie soll für Geld über ganz bestimmte Produkte und Angebote schreiben. So bewirbt die Bloggerin etwa
Ein Kompromiss, der den meisten Fans auch bewusst ist: 9 von 10 Social-Media-Nutzern, die den Begriff »Influencer« kennen, wissen auch, dass diese Geld mit Werbung verdienen – sagt
Claudia Sittner ist dabei nur eine von vielen Influencern, die derzeit in Deutschland durchstarten und von Unternehmen mit Kooperationen umgarnt werden. Die Szene wächst rasant. Doch unter den Influencern gibt es auch immer wieder schwarze Schafe …
Authentizität ist das, was Influencer verstehen müssen, um nicht unterzugehen
Eines macht Menschen wie Claudia Sittner oder Cathy Hummels für Marketingunternehmen unwiderstehlich: Der Name »Influencer« verrät es schon – sie dringen zu ihren Fans durch und können sie

Zahlen, die auch Alexander Pühringer genau kennt. Seine Firma LINKILIKE verbreitet Content von Werbekunden über
Bezahlte Mundpropaganda sozusagen. Gerade für hauptberufliche Influencer ist der finanzielle Druck dabei hoch – und die Einzelkämpfer-Mentalität weit verbreitet. Klar, dass die Verlockung groß ist, wenn ein finanzstarkes Unternehmen anklopft.
Und so gehen einige von ihnen immer wieder fragwürdige Deals ein und zeigen in ihren Beiträgen etwa Waschmittel in einer Liebesszene, Minisalami in der Badewanne oder eine elektrische Zahnbürste auf einer Yacht –
Die gute Nachricht: Notorische schwarze Schafe verschwinden auch von ganz allein wieder. Denn hat dreiste Werbung einmal die Glaubwürdigkeit des Kanals zerstört, war es das auch mit dem Draht zu den Fans. Da ist es kein Wunder, dass umstrittene Unternehmen es eher schwer haben, Influencer anzuheuern.
Manche Marken polarisieren eben. Es gibt ja nicht nur
Die Marketingperspektive zeigt aber auch deutlich, welchen Balanceakt Influencer tagtäglich wagen: Nämlich zwischen den Bedürfnissen ihrer Kooperationspartner, den wirtschaftlichen Aspekten der Arbeit und der Verantwortung gegenüber ihren Fans. Doch das ist mitunter ganz schön schwer, wenn es keine Ausbildung oder klare Richtlinien gibt und auch rechtlich noch vieles umstritten ist –
Wie lässt sich Influencern in Zukunft dabei helfen, die Balance zu wahren?

So lässt sich die große Unsicherheit beenden
»Es herrscht aktuell eine Einzelkämpfer-Mentalität und eine große Verunsicherung«, klagt auch Claudia Sittner von Weltreize und trifft damit den Kern des Problems. Das Gerichtsverfahren um Cathy Hummels und
Aber was kann man tun? 3 Lösungsansätze, die Influencern und Marketingfirmen und Fans gleichsam helfen:
- Netzwerke gegen die Einzelkämpfer-Mentalität: Claudia Sittner von Weltreize ist Mitgründerin des Reisebloggerstammtischs Hamburgs. Dort und in der dazugehörigen Facebook-Gruppe tauschen sich mittlerweile 100 Reiseblogger über ihre Arbeit aus und diskutieren auch rechtliche Fragen und die richtige Balance zwischen Authentizität und Werbung. Und ein loser Stammtisch ist ein Startpunkt für engere Kooperationen: In Hamburg entstand so
- Klare Regeln gegen die Unsicherheit: Während Gerichte in den kommenden Jahren noch ausbaldowern müssen, was rechtlich erlaubt ist, werden manche Spielregeln bisher von Marketingseite vorgegeben. Alexander Pühringers LINKILIKE kontrolliert regelmäßig alle Influencer-Partner, um Unternehmenspartner vor Fehltritten der Influencer zu schützen – etwa vor Hetze oder zu polarisierenden Themen. Wer sich zu viel erlaubt, wird nicht mehr angespielt.
Doch die Influencer-Szene könnte sich auch selbst klare Regeln geben. In Teilen passiert das schon – etwa mit dem Bloggerkodex, einem freien Regelwerk, dem sich mittlerweile über 400 Blogs angeschlossen haben. Er gibt einfache Regeln vor, etwa »Glaubwürdigkeit und Individualität ist unser höchstes Gut«. Doch das allein ist zu wenig. - Eine Interessenvertretung zur Professionalisierung: Irgendwo zwischen Gewerkschaft und Berufsverband könnte sie Grundsätze erarbeiten, Influencer vor Gericht beraten, gegenüber der Politik für Influencer-Interessen eintreten und sogar schwarze Schafe öffentlich mahnen. Also genau das, was der Deutsche Journalisten-Verband längst für Journalisten macht.
Eine echte Interessenvertretung wäre auch darüber hinaus ein wichtiger Schritt weg vom bezahlten Hobby hin zu einem waschechten Ausbildungsberuf. Es wird höchste Zeit. Denn Influencer sind gekommen, um zu bleiben – als Vertreter eines neuen Berufszweiges.
Tiefer ins Thema eintauchen? Hier liest du bei uns noch mehr über Influencer: Denn manche wollen ihre Reichweite nutzen, um die Welt zu verbessern. Ist das nur geschicktes Marketing mit hübschen Fotos von Veggie-Burgern – oder doch mehr?
Titel nachträglich geändert.
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily