Haben Frauen wirklich weniger Interesse an Games?
Nein. Immer mehr Frauen wollen spielen – aber bei den Männern kommt das nicht an. So erobern Frauen das Gamepad.
Anfang April
Ist es Zufall, dass nur Männer ihre Lieblingsspiele vorgestellt haben, oder ist Computerspielen geschlechterspezifisch?
Ertappt. Während sich meist beide Geschlechter der Redaktion rege an Themen beteiligen, brachten sich die Frauen dieses Mal nicht ein. Zufall oder steckt mehr dahinter? Auch eine spontane Umfrage im Bekanntenkreis ergab dasselbe Ergebnis:
Eigentlich spiele ich nicht. Vielleicht mal ›The Sims‹ oder auf dem Handy.
Früher habe ich mit meinem Bruder gespielt. Heute ist das unter meinen Freundinnen einfach kein Thema mehr – da hat das Interesse aufgehört.
Ich würde ja gern was zocken, doch das ist alles so brutal blutig. Waffen und Machomänner, da pass ich lieber.
Kann es tatsächlich sein, dass Games auch im Jahr 2019 noch ein »Jungsclub« sind, der viele Frauen abschreckt? Etwas spitzer gefragt: Haben digitale Spiele auch 5 Jahre nach dem Hashtag
Spoiler: Haben sie tatsächlich. Aber nicht mehr lange.
Ja, Frauen spielen – aber etwas anderes als Jungs
Schauen wir uns die Zahlen an. Fakt ist: Seit Jahren wächst der Anteil der Spielerinnen, auch hierzulande. Nach
Doch so einfach ist es nicht. Denn die Geschlechterunterschiede liegen in den Details: Warum etwa identifizieren sich
Die Spieleforscher des US-Beratungsunternehmens Quantic Foundry haben genauer hingesehen
Frauen zocken am liebsten Simulationsspiele wie
Wie kann das sein?
Sabine Hahn hat einen Erklärungsansatz. Die Medienwissenschaftlerin schrieb ihre Dissertation über
Dass genau diese Action- und Sportspiele ganz oben in den Verkaufscharts rangieren, zeigt aber auch, dass Frauen noch immer weniger
»Die weibliche Zielgruppe wurde in der Spieleindustrie lange Zeit nicht ernst genug genommen«, analysiert Hahn. »Ich denke da etwa an das erfolgreiche Gartenbau-Simulationsspiel
Doch Hahn warnt auch vor einer Verallgemeinerung: »Es gibt kein Spiel, das nur für Männer oder Frauen ist. Und es gibt sicher auch Gamerinnen, die sich gegen diese Zuschreibungen wehren und die einfach einen Shooter spielen wollen.« Allerdings zeigen die Zahlen: Sie sind ganz klar in der Minderheit.
Daher kann es keine Lösung sein, darauf zu hoffen, dass sich nur mehr Frauen an männliche Spielgewohnheiten anpassen – oder eben bei den »Jungsclub-Genres« außen vor bleiben.
Wie reagieren Nicht-Gamerinnen auf digitale Spiele für Männer? Dazu habe ich unsere 3 Praktikantinnen gefragt, die folgende Spiele noch nie gespielt haben: das Westernepos »Red Dead Redemption«, das Kickerspiel »FIFA 2018« und den Ego-Shooter »Doom«
Um die Mehrheit der Frauen abzuholen, braucht es vor allem mehr und bessere Angebote. Das heißt auch, die Spieleindustrie muss sich ändern. Die gute Nachricht: Das tut sie bereits.
Neue Heldinnen braucht die Spielewelt
Entwickler und Spielestudios haben mittlerweile verstanden, dass es keine gute Geschäftsidee ist, die Spielewelt als Männerdomäne zu vermarkten. Und dass Frauen eine profitable Zielgruppe sind, beweist allein die vor allem auf weibliche Tendenzen ausgelegte Simulation The Sims – die erfolgreichste Spielereihe aller Zeiten. Und scheinbar dämmert es den Marketingabteilungen langsam auch, dass
Und vielleicht tauchen deshalb in den letzten Jahren immer mehr positiv besetzte Frauenfiguren in Games auf, die mit den klassischen Stereotypen brechen.
Die Idee ist sicher nicht verkehrt. Denn mehr Repräsentation abseits von gefangengenommenen
Und das ist nicht nur gut für die Spieleindustrie. Denn es geht um weit mehr als nur um Geld: Digitale Spiele sind längst zu
Genug Repräsentation?
»Noch vor ein paar Jahren war Lara Croft die einzige weibliche Ikone und Heldin in digitalen Spielen. Seitdem hat sich aber viel bewegt und Games sind viel differenzierter geworden in den Narrativen«, weiß Ruth Lemmen. Die Berliner Projektmanagerin war Referentin für Medienkompetenz und beim Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) und ist Verantwortliche für die Spielemesse Gamescom in Köln. Seit Jahren wirbt sie für mehr diverse Perspektiven in der Branche.
Ein Schlüssel dafür, davon ist Ruth Lemmen überzeugt, findet sich in der Zusammensetzung der Entwicklerteams, die die Games erschaffen: »Wenn sie ein rein männliches Team haben, ist die weibliche Perspektive natürlich unterrepräsentiert.«
Und genau dort liegt das eigentliche »Frauenproblem«: Der durchschnittliche Anteil von Frauen in der Branche liegt
»Das muss man natürlich auch in Relation sehen. Noch vor 10 Jahren hat man eher von 5% gesprochen«, sagt Lemmen. »Es gibt heute viele in der Branche, die merken, dass es gar nicht mehr anders geht, als sich zu öffnen. Und wie überall gibt es da einige Vorreiter und auch andere, die eher … bewahrend unterwegs sind.«
Man kann die Vorsicht in diesen Worten spüren. Denn Vorstöße für weibliche Perspektiven haben es in der Spielebranche schwer. Viele Entwickler und Gamer wollen von der ganzen digitalen Frauenproblematik nichts wissen. Auch Sabine Hahn ist vorsichtig geworden: »Es scheint kaum möglich zu sein, das Thema ›Frauen im Gaming‹ zu behandeln, ohne direkt emotional aufgebrachte Männer gegen sich zu haben«, sagt sie. Noch schlimmer: Manche von ihnen äußern und zeigen sich bewusst frauenfeindlich.
So etwa der Gaming-
Immer wieder berichten Frauen von Belästigungen und Anfeindungen,
Und soziale Medien geben diesen frauenfeindlichen Tendenzen eine Möglichkeit, sich zu sammeln und mit einer Stimme zu sprechen. Als der Spieleentwickler Electronic Arts (EA) etwa im Jahr 2018 weibliche Figuren in seine Spielereihe Battlefield V einführte und auch noch auf dem Cover des Spiels zeigte, hagelte es auf Twitter unter dem Hashtag
In all dem zeigt sich eine Jungsclub-Kultur, in der Frauenfeindlichkeit lange Zeit toleriert wurde und die nun versucht,
Doch eine Handvoll ignoranter Männer können den Wandel der Branche und damit den Wandel der Games nicht mehr aufhalten.
Zockende Frauen sind gekommen, um zu bleiben. So machen wir es ihnen leichter
Die Zukunft des Gamings ist (auch) weiblich. Davon ist Ruth Lemmen überzeugt – und tut etwas dafür. Gemeinsam mit Michael Liebe vom Eventunternehmen Booster Space gründete sie das Projekt Womenize!. Ihr Ziel sind mehr
»Womenize!« im Jahr 2018 in Köln im Cologne Game Haus
Womenize! ist dabei nur eine Plattform von mehreren, die ambitionierte Frauen und Entwicklerstudios zusammenbringen. In den USA – wo immerhin ein Großteil der Games hergestellt werden – arbeitet das Non-Profit-Netzwerk
»Wenn mehr Perspektiven dazukommen, dann ist das etwas, das der Branche guttut«, sagt Ruth Lemmen. Sie ist sich sicher: Mehr Sheroes in der Branche führen auch zu mehr Sheroes und Diversität in den Spielen, was neue Gamerinnen begeistert, worauf wieder die Industrie reagiert.
Damit der schneller läuft, ist jede selbstbewusste weibliche Stimme wichtig. Jede Games-Influencerin, jede E-Sportlerin, jede Spielejournalistin und jede einzelne Gamerin ist ein Schritt weg von den Jungsclubs und hin zu diverseren und besseren Games für alle.
Und wenn erst einmal das »Frauenproblem« im Gaming gelöst ist, werden vielleicht auch die anderen Probleme des Mediums sichtbarer. Die gibt es nicht? Gibt es doch. Oder wann hast du zuletzt inspirierende
Eben.
Titelbild: Andre Hunter - CC0 1.0