Kampf gegen Lobbyismus: Das kann Berlin von Brüssel lernen
Der erste EU-Lobbyreport kommt zu einem überraschenden Ergebnis.
Brüssel als Quelle der Inspiration in Sachen Transparenz? Schwer vorstellbar. Denn die EU-Institutionen verteidigen konstant ein eher schlechtes Image:
Vieles davon stimmt, manches ist überzogen, einiges fällt auch in den Bereich
Trotzdem ist es überraschend, dass ausgerechnet die Nichtregierungsorganisation LobbyControl in ihrem ersten EU-Lobbyreport folgendes Fazit zieht: »In Sachen Lobbytransparenz ist Brüssel Berlin weit voraus.«
So veröffentlichen Kommissar/innen und wichtige Beamte ihre Lobbytreffen, Abgeordnete mit besonderen Funktionen müssen dies ab der nächsten Wahlperiode tun. Es gibt ein Lobbyregister, auch wenn es bislang nur freiwillig ist. Und auch in Puncto Seitenwechsel, Nebentätigkeiten oder Transparenz über Einkünfte gibt es viel bessere Regeln.
Was genau läuft in Brüssel anders – und besser?
- Das EU-Transparenzregister ist nicht perfekt – aber immerhin existent.
Wer gibt wie viel Geld für Lobbyarbeit aus – und für welche Kunden? Eingetragen werden im
Eine Vorbildfunktion hat Brüssel hier trotzdem: Denn in Deutschland weiß niemand so wirklich, welche Politikerin sich wann mit welcher Lobbyistin trifft. Vorstöße, daran etwas zu ändern, gibt es immer wieder. So war ein verpflichtendes Lobbyregister - Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft unterliegen klaren Regeln: Für scheidende Kommissarinnen und Kommissare gilt eine 2-jährige Karenzzeit, für den Kommissionspräsidenten sind es 3 Jahre. In Deutschland hält sich die Empörung in Grenzen, wenn ein Friedrich Merz flexibel zwischen Politik und Finanzbranche laviert – selbst dann, wenn er Ambitionen auf das Kanzleramt zeigt. An den Wechsel des ehemaligen Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel (FDP) zum Rüstungskonzern Rheinmetall dürfte sich heute kaum noch jemand erinnern. Immerhin: Seit dem Jahr 2015 gibt es in Deutschland für ehemalige Bundesministerinnen und -minister auch eine Art
- Bezahlte Nebentätigkeiten als Lobbyisten haben sich die Abgeordneten des EU-Parlaments in dieser Legislaturperiode verboten. In Deutschland ist das nicht der Fall; im Mai 2018 hatte jeder fünfte Abgeordnete ein Nebeneinkommen, die Organisation abgeordnetenwatch.de kritisiert, dass sich daraus
Die EU ist also schon ein gutes Stück weiter als Deutschland, wenn es um Transparenz für Lobbyakteure geht. Doch gerade daraus wird laut LobbyControl ersichtlich, dass der Einfluss der Konzerne nach wie vor zu groß und zu unreguliert ist.
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Was den Konzernen auf europäischer Ebene besonders in die Hände spielt: Hier gibt es weniger kritische Öffentlichkeit als in den Nationalstaaten. Es dauert also länger, bis ein Thema wie die Glyphosat-Zulassung die Aufmerksamkeitsschwelle durchbricht und zu einer Debatte wird, in der sich Konzernvertreter und EU-Politiker überhaupt rechtfertigen müssen.
Wie schaffen wir eine europäische Öffentlichkeit? Politikberater Johannes Hillje hat einen Vorschlag: mit einer »Plattform Europa«.
Und das ist nicht das einzige Feld, auf dem Handlungsbedarf besteht.
Was und wer kann also noch dazu beitragen, die Macht der Konzerne zu beschränken? LobbyControl fordert einen 5-Punkte-Plan für die nächsten 5 Jahre. Darin enthalten: ein verbindliches Lobbyregister, die Reform des Rats, noch strengere Regeln beim Wechsel von Politikern in die Wirtschaft und mehr interne Expertise – bei vielen Entscheidungen ist die EU-Kommission vom Wissen der Konzerne abhängig, weil sie beispielsweise keinen eigenen wissenschaftlichen Dienst hat. Außerdem fordert LobbyControl mehr Ausgewogenheit bei den Lobbytreffen der EU-Kommissare und -Beamten. Denn nicht nur Konzerne sollten dort ihre Interessen vertreten können, sondern auch die Zivilgesellschaft.
Dieser Jura-Professor kennt sich in Brüssel bestens aus – und hat jede Menge Tipps für Bürgerinnen und Bürger, die ihren Anliegen Gehör verschaffen wollen.
Titelbild: Elijah Macleod - CC0 1.0
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