Was diesem todkranken Mädchen half, nachdem keine Antibiotika mehr wirkten
Die heute 17-jährige Isabelle Holdaways aus London war schwer krank, die Ärzte hatten sie schon aufgeben. Antibiotika konnten den multiresistenten Keimen nichts anhaben. Doch genetisch veränderte Viren machten sie in 6 Wochen wieder gesund.
Es war im Oktober 2017, als Graham Hatfull von der Universität Pittsburg, Pennsylvania, eine dringende E-Mail vom anderen Ende des Atlantiks erreichte. Der Inhalt: Ein Hilfegesuch eines Mikrobiologen-Kollegen aus London, der nach einer Rettung für 2 seiner Patienten am Great Ormond Street Hospital suchte. Die beiden Teenager litten an Mukoviszidose, einer erblichen Stoffwechselerkrankung, die dazu führt, dass sich die Lungen nicht selbst von Schleim und krankmachenden Bakterien befreien können. Beide hatten aufgrund der Erkrankung zuletzt eine lebensrettende
Die Transplantation überstanden beide Patienten ohne größere Komplikationen. Kurz nach der OP wurden die geschwächten Patienten jedoch von Bakterien heimgesucht, deren Erreger der Tuberkulose ähnlich sind. Die Infektion, die sich bald von der Operationswunde aus immer weiter über die Haut der Teenager ausbreitete, war durch kein Antibiotikum zu stoppen. Die Ärzte hatten keine Trümpfe mehr in der Hand, die Lage schien aussichtslos – bis die Mutter von einer der Patienten die Initiative ergriff.
Sie hatte im Internet etwas über Viren gelesen, die in der Lage sein sollten, Bakterien zu fressen und zu töten. Was zunächst wie gefährliches Wissen aus dem Internet klingt, sollte ihrer heute 17-jährigen Tochter das
Auch der Zufall half mit: Ein Mitarbeiter des Londoner Great Ormond Street Hospital kannte Graham Hatfull aus Pittsburg und schrieb ihm besagte Mail.
Hatfull forscht an sogenannten Bakteriophagen, also an Viren, die Bakterien fressen. Über 15.000 von ihnen hat er in 3 Jahrzehnten Forschung in einer tiefgefrorenen Sammlung zusammengetragen. Da die Situation der beiden Patienten in Großbritannien drängte, sagte Graham Hatfull seine Zusammenarbeit im Rahmen einer experimentellen Therapie zu, die zulässig ist, wenn alle anderen medizinischen Optionen ausgeschöpft sind. In den folgenden 3 Monaten testeten er und seine Kollegen Tausende Kombinationen aus resistenten Bakterien und Phagen aus der Tiefkühltruhe – bis sie im Januar 2018 genau die Phagen gefunden hatten, die »Appetit« auf die antibiotikaresistenten Keime hatten, die Isabelle Holdaways Leben bedrohten. Vereinfacht gesagt geschieht dann Folgendes:
Für ihren Mitpatienten kam dieser Durchbruch leider zu spät, er war in der Zwischenzeit verstorben. Und auch Isabelle war noch nicht
Das Resultat beeindruckte die Mediziner: Nach nur 72 Stunden begannen sich die offenen Wunden zu schließen, nach 6 Wochen ergab ein Leberscan, dass die hartnäckige Infektion nahezu vollständig ausgelöscht war. Die Phagen hatten ganze Arbeit geleistet, ohne nennenswerte Nebenwirkungen auszulösen.
Ein Wundermittel war die Behandlung jedoch nicht. Zwar hat sich Isabelle wieder erholt und kann heute sogar wieder zur Schule gehen, aber ihr Phagencocktail zeigte auf ähnliche Erreger keine Wirkung. Zu unterschiedlich sind die verschiedenen Erregerstämme, zu wenige klinische Langzeitstudien gibt es. Jedenfalls bisher.
Denn die Bakteriophagen-Behandlung gegen multiresistente Keime bekommt immer mehr Aufmerksamkeit – auch dank Erfolgsgeschichten wie dieser.
Wenn ihr mehr über die mehr als 100-jährige Geschichte der Phagentherapie erfahren wollt, und darüber, wie dazu der Forschungsstand bei uns in Deutschland ist, dann lest doch einfach meinen ausführlichen Artikel zum Thema:
Titelbild: Phylo Submissions - CC BY-NC-ND 2.0