Fridays for Future findet vor allem in Europa statt. Wo der Klimawandel bereits Alltag ist, bleibt es ruhig, denn dort sind Umweltaktivisten schon einen Schritt weiter.
Der Raum ist zu klein für die vielen Leute, die heute Abend zur Eröffnung des neuen Unverpacktladens gekommen sind. Sie drängeln sich an Regalen vorbei, auf denen Taschen aus recyceltem Plastik neben Seifenspendern und Notizbüchern aus Altpapier stehen. Wer schon einmal verpackungsfrei eingekauft hat, den überrascht das Konzept nicht mehr. Doch dieser Unverpacktladen ist etwas Besonderes. ist der erste Zero-Waste-Laden in der libanesischen Hauptstadt Beirut – und laut der Gründerin Joslin Kehdy der erste Laden im Nahen Osten, der komplett
Seifen, Holzzahnbürsten, Schwämme: So shoppt es sich unverpackt und nachhaltig in Beirut. –
Quelle:
Eco Souk
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Etwa zur gleichen Zeit, im Februar 2019, gehen in Europa jeden Freitag Tausende Jugendliche auf die Straße, um gegen den Klimawandel zu protestieren. Die inspiriert von der schwedischen Schülerin Greta Thunberg, fordert ein radikales Umdenken in der Klimapolitik. Sie hat bei vielen die Hoffnung geweckt, dass die Treibhausgasemissionen entgegen aller Prognosen doch noch signifikant gesenkt und die schlimmsten Folgen des Klimawandels abgewendet werden könnten. Doch die Klimastreiks beschränken sich fast ausschließlich auf die westlichen Industrieländer. In Ländern des globalen Südens jedoch gehen die Jugendlichen kaum fürs Klima auf die Straße. Warum? Eine Antwortsuche dort, wo der Klimawandel bereits Spuren hinterlässt.
Temperaturen bis zu 60 Grad
Schon jetzt gehören viele der arabischen Länder zu den trockensten der Welt – und die Menschen dort leben seit Jahrhunderten mit Wasserknappheit. Eine schlechte Voraussetzung für die Zukunft: Die Dürreperioden im östlichen Mittelmeerraum dauerten laut einer seit der Jahrtausendwende so lange an wie schon seit 900 Jahren nicht mehr. Starke Wetterschwankungen verursachen nun öfter schwere Stürme und Überflutungen in Ländern am Meer. Die Region um den Persischen Golf – heute schon eine der heißesten weltweit – könnte bis Ende des Jahrhunderts unter Temperaturen bis zu 60 Grad leiden.
Auch der Libanon, am östlichen Mittelmeer gelegen, wird vom Klimawandel massiv betroffen sein. Die Prognose:
Steigende Meeresspiegel
Der Wasserspiegel des Mittelmeers könnte bis 2040 um einen halben bis zu einem Meter Dort leben 85% der Libanesen. Die meisten von ihnen wohnen in den 4 größten Städten direkt am Meer, in denen fast die gesamte Wirtschaftsleistung des Landes produziert wird. USAID prognostiziert einen Verlust von 123 Millionen Euro für beeinträchtigte Wirtschaftsprojekte.
Nicht nur der Meeresspiegel wird zum Problem werden. An der Küste liegen monströse Deponien, auf denen auch Sondermüll abgeladen wird. So können Giftstoffe ungehindert ins Meer sickern. –
Quelle:
Juliane Metzker
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Extreme Wasserknappheit
Das Land leidet bereits heute an Wasserknappheit. Diese wird voraussichtlich noch zunehmen, wenn sich weniger Schmelzwasser in den Stauseen sammelt. In den Bergen könnten 40% der Schneeflächen verschwinden, die Schneegrenze könnte bis Mitte des Jahrhunderts um 200 Meter steigen. Dies würde sich, wie der steigende Meeresspiegel, auch negativ auf den Tourismus auswirken. 40% der Libanesen arbeiten in der Branche, die knapp 1/5 des rechnet man die indirekten Investitionen dazu.
Verödende Landwirtschaft
Auch die Landwirtschaft könnte vom Klimawandel stark beeinträchtigt werden. Dabei ist die Versorgungssicherheit im Land bereits heute stark vom Ausland abhängig:
Gründe, für eine bessere Klimapolitik zu demonstrieren, gäbe es im Libanon also genug. Doch die Umweltaktivisten vor Ort halten keine Slogans gegen die globale Erwärmung hoch. Die größten Umweltproteste fanden infolge der Müllkrise von 2015 statt. Ein Problem, das die Libanesen in Beirut direkt betraf. Tausende demonstrierten vor dem Umweltministerium, nachdem die größte Mülldeponie des Landes wegen Überlastung geschlossen wurde und sich der Abfall in den Straßen türmte.
Der Kampf für Klima steht unter anderen Vorzeichen als in Europa.
Trotz des großen Engagements damals – und darin offenbart sich schon ein großer Teil des Problems im Nahen Osten – hat sich kaum etwas verbessert. Der Müll lagert jetzt in Wäldern, am Meer oder wird verbrannt. Doch Umweltaktivisten lassen nicht locker – ihr Kampf für Klima und Umwelt steht eben unter anderen Vorzeichen als der der Schülerproteste in Europa. 3 der Aktivisten von ihnen erzählen, warum der Klimawandel für sie nicht ganz oben auf der Liste steht – und weshalb das gar nicht so schlimm ist.
Titelbild:
Ratib Al Safadi/ picture alliance/AA
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