Diese 6 Solar-Trends könnten neuen Schwung in die Energiewende bringen
Wie gut sind moderne Solarzellen? Kann Deutschland wieder mit China konkurrieren? Und bedecken Solarzellen bald sogar Straßen und Äcker?
Ich habe einen relativ großen Schreibtisch. Grob geschätzt hat er eine Fläche von knapp 2 Quadratmetern. Nun ein kleines Gedankenexperiment: Wenn ich diesen Schreibtisch in den Garten stelle und ihn dort für 12 Monate stehen lasse, werden im Laufe des Jahres
Diese kleine Überlegung hilft dabei, sich zu verdeutlichen, welches Potenzial im Sonnenlicht steckt: Denn 2.000 Kilowattstunden sind auch etwa die Menge Energie, die ein durchschnittlicher Ein-Personen-Haushalt in Deutschland im Jahr an Strom verbraucht. Schon auf kleiner Fläche schickt uns die Sonne tagein, tagaus genügend Power, um unseren Energiehunger problemlos zu stillen.
Theoretisch zumindest. Denn praktisch kommen noch ein paar erschwerende Bedingungen hinzu. Doch die Fotovoltaikindustrie hat bereits Ideen, sie zu lösen.
Diese Hürden müssen Solarmodule heute nehmen
Rund 6% des deutschen Stromverbrauchs kommen heute schon aus Solarzellen. Doch noch immer gibt es einige Hürden beim Ausbau, einige davon werden höher, je mehr Solarstrom es bereits gibt:
- Selbst modernste, massentaugliche Fotovoltaikanlagen können derzeit nur knapp 1/3 der Energie, die im Sonnenlicht steckt, ernten.
- Solarkraftwerke brauchen viel Platz. Doch der ist im eng besiedelten Deutschland knapp – und teuer.
- Hinzu kommt das Speicherproblem: Wo lagern wir den Strom zwischen für die dunklen Stunden des Jahres?
- Und am Ende wollen wir ja nicht nur mit sauberem Strom fernsehen und kochen, sondern auch heizen, mobil sein und die Industrie versorgen. Der Bedarf nach sauberem Strom wird in den nächsten Jahren also noch deutlich wachsen.
Deshalb werfe ich heute einen Blick auf die 6 interessantesten Entwicklungen – natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Dazu hole ich mir fachliche Unterstützung von Andreas Büchler, den ich noch aus Studientagen kenne. Er hat inzwischen am
1. Diese Tandemzelle kratzt an den Grenzen der Physik
Was viele nicht wissen: Klassische Siliziumzellen, wie sie auf Häuserdächern oder entlang der Autobahn zum Einsatz kommen, sind technisch nahezu ausgereift.
In den vergangenen Jahren sind wirklich krasse Forschungsleistungen auf diesem Gebiet passiert. Der aktuelle Weltrekord für klassische Siliziumzellen liegt im Labor bei 26,1% Energieausbeute. Das theoretische Limit für Silizium liegt bei 29%. Wir gehen davon aus, dass Zellen mit diesen 26% in 5 bis 10 Jahren auf dem Markt landen. Bei heutigen Zellen sind es rund 22%.
Doch die Wissenschaftler arbeiten bereits an den Zellen für die Zeit danach. Dafür überwinden sie die bisherigen Grenzen des Möglichen mit einem Trick: »Mit der sogenannten Tandemzelle wurde die Effizienz der Solarzellen sogar über das physikalische Limit von Silizium hinaus verschoben«, erklärt Andreas Büchler.
Um dieses Limit – und den Trick – zu verstehen, ist ein klein wenig Physik nötig: Das Sonnenlicht besteht aus Photonen, die man sich als kleinstmögliche einzelne Sonnenstrahlen vorstellen kann. Von diesen Strahlen haben manche mehr Energie, andere weniger. Je nachdem, wie viel Energie ein einzelnes Photon hat, kann man es in eine von 3 Kategorien einteilen:
- Die »Schluffis«, mit denen das Silizium nichts anfangen kann und die einfach durch die Solarzelle hindurchflutschen. (~ Infrarotes Licht)
- Die »Normalos«, die die richtige Menge Energie haben und von der Zelle absorbiert und in Strom umgewandelt werden. (~ Sichtbares Licht)
- Die »Hitzköpfe«, die zu viel Energie haben und weder hindurchflutschen noch zu Strom werden, sondern im Silizium-Atomgitter randalieren und die Zelle nur unnötig aufheizen. (~ UV-Licht)
Um auch die »Hitzköpfe« mit abzugreifen und ihre Energie ebenfalls in Strom umwandeln zu können, haben Forscher nun ultradünne Schichten eines speziellen Materials auf die bestehende Siliziumzelle aufgetragen.
Andreas Büchler glaubt: »Dank dieser Tandemverfahren stehen die Chancen gut, dass wir auch in den nächsten 10 Jahren Jahr für Jahr bessere Zellen entwickeln können.«
2. Fotovoltaik fürs Feld hilft auch gegen Hitzesommer
Egal, welche Effizienzwerte die Ingenieure am Fraunhofer ISE und an anderen Forschungsinstituten aus den Anlagen herausquetschen – gerade in Deutschland ist und bleibt die Fläche knapp. Schon heute entscheiden sich immer mehr Landwirte dafür, Fotovoltaikanlagen auf ihre Wiesen zu stellen, anstatt Nahrung anzubauen. Eine Entscheidung, die in Anbetracht der Nahrungsmittelengpässe in anderen Teilen der Welt auch Kritik erntet.
Doch wer sagt, dass sich Fotovoltaikanlagen und Landwirtschaft gegenseitig ausschließen?
Der Forschungszweig der sogenannten
Die Frage ist: Fehlt den Pflanzen unter den Anlagen nicht das Licht, das sie zum Wachsen benötigen? Die Antwort ist: Nein. Denn unter einer Solarzelle herrscht kein kompletter Schatten – Teile des Lichts strahlen geradewegs durch die Zellen hindurch und verhelfen den
Wer sagt, dass sich Fotovoltaikanlagen und Landwirtschaft gegenseitig ausschließen?
Immer öfter sind die Temperaturen auf den Feldern aufgrund der starken Sonneneinstrahlung zu heiß für viele Feldfrüchte. In diesen Fällen helfen die Solaranlagen den Pflanzen sogar dabei, gut zu gedeihen, indem sie einen Teil der Sonnenstrahlen abfangen, und tragen damit auch dazu bei, dass die Böden an heißen Sommertagen nicht so schnell austrocknen.
Andreas Büchler schätzt: »Einziges Problem ist im Moment noch, dass die Gestelle sehr teuer sind und sich das Ganze nur lohnt, wenn die Fotovoltaikanlagen richtig effizient sind.« Doch die Effizienzsteigerungen in den neuartigen Tandemzellen könnten auch der Agrophotovoltaik zum Durchbruch verhelfen.
3. Der Solar-Tesla
Die nächste Fotovoltaik-Sensation kommt aus den Niederlanden, dürfte selbst Elon Musk, den Mitgründer des E-Auto-Herstellers Tesla, aufhorchen haben lassen und hört auf den Namen
Erst vor wenigen Wochen hat das niederländische Start-up den ersten Prototyp seines Solarautos vorgestellt, das schon 2020 in – wenn auch kleine – Serienfertigung gehen soll. Der futuristische Wagen lässt sich einerseits wie ein »klassischer« E-Wagen an der Strom-Zapfsäule laden. Durch die Solarzellen, die das gesamte Dach und die Motorhaube des Wagens bedecken, lädt sich der Akku aber auch auf, ohne eingestöpselt zu sein.
Nach Angaben des Herstellers regeneriert der Wagen so im Winter bis zu 6 Kilometer Reichweite pro Tag, im Sommer bis zu 32 Kilometer. Genügend, um bei kleineren Pendelstrecken auch mal ein paar Wochen einen Bogen um die Ladesäule machen zu können. Was den Lightyear ebenfalls vom Tesla unterscheidet: Seine Macher setzen im Gegensatz zu Tesla und Co. eher auf Effizienz als auf Protz. So ist der Solarflitzer relativ leicht und soll, wenn er vollgeladen ist, an einem sonnigen Tag
Über weitere E-Auto-Konzepte, von denen einige ebenfalls die Sonnenkraft nutzen, hat mein Kollege Dirk Walbrühl bereits geschrieben:
4. Die solare Stadt verschwendet keinen Platz
Wenn Ingenieure in Städten nach freien Flächen für Fotovoltaikanlagen suchen, dann haben sie vor allem Dächer im Blick. Doch wer einmal aus der Sonnenperspektive auf eine Stadt herabschaut, merkt, dass Häuserdächer nur einen kleinen Teil der Flächen bedecken. Den großen Teil unserer Städte machen Straßen aus sowie Gehwege, Gewässer und – wenn man so schräg auf die Stadt blickt, wie es die Sonne in unseren Breitengraden tut – Hauswände.
Wer einmal aus der Sonnenperspektive auf eine Stadt herabschaut, merkt, dass Häuserdächer nur einen kleinen Teil der Flächen bedecken.
Für all diese Flächen gibt es erste, vielversprechende Versuche, sie zur Gewinnung von Sonnenenergie zu nutzen: So liegt im nordfranzösischen Ort Tourouvre-au-Perche seit 2016
Währenddessen arbeiten Schweizer Forscher daran, Solarzellen so zu gestalten, dass
Und auch Gewässer werden mitgedacht. Das Unternehmen PV Stahlbau hat bereits schwimmende Solarkraftwerke im Sortiment. In den Niederlanden etwa ist seit diesem Jahr
5. Umweltfreundlichere Produktion – vielleicht auch wieder in Europa?
Die meisten Menschen denken bei Solarstrom an eine ziemlich saubere Energieform. Was die CO2-Emissionen angeht, gilt das auch weitestgehend. Doch was viele Menschen nicht auf dem Schirm haben:
Bei der Herstellung von Solarzellen wird Blei verwendet. Das könnte theoretisch in die Böden und ins Trinkwasser gelangen, wenn eine Solarzelle einmal kaputtgeht, was aber sehr selten vorkommt. Dass das überhaupt erlaubt ist, liegt an einer Ausnahmeregelung der EU. Das Ziel ist es aber natürlich, das zu ändern und den Einsatz von Blei und weiteren kritischen Chemikalien zu verringern.
Andreas Büchler hat sich in seiner Promotion mit einer Fertigungstechnik für Fotovoltaikanlagen beschäftigt, die ohne Blei auskommt.
Das Problem ist: Der Markt ist sehr skeptisch, weil vor einigen Jahren schon einmal eine Firma auf diese Technologie gesetzt hatte, dabei aber einen Fehler machte und die Produktion einstellen musste. Den haben wir behoben, aber jetzt warten trotzdem erst mal alle ab, bevor sie da investieren. Es gibt einen großen chinesischen Zellenhersteller, der diese Technik aus Deutschland gekauft hat und das im Moment erprobt. Alle anderen warten jetzt eben darauf, was dort passiert.
Wieder mal eine Technologie, die in Deutschland teuer entwickelt und dann von den Chinesen gewinnbringend eingesetzt wird?
Jein. Die Deutschen verdienen ja nach wie vor Geld mit der Fotovoltaik. Zwar nicht mit der Fertigung der Zellen, aber indem sie die Anlagen bauen, mit denen wiederum die Chinesen die Fotovoltaikzellen herstellen. Diese Maschinenbauer leben davon, dass wir Forscher immer neue Verbesserungen entwickeln und die Chinesen wieder einen Grund haben, neue Anlagen zu kaufen.
Doch in jüngster Zeit keimt in der Fotovoltaikbranche die Hoffnung auf, dass die Produktion auch wieder Fuß in Europa fassen könnte. Der Grund liegt am ständig sinkenden Preis: Fotovoltaikzellen sind zu billig geworden. Weil eine einzelne Zelle nur noch wenige Cent wert ist, fallen die Kosten für den Transport der Massenware auf dem Schiffsweg immer stärker ins Gewicht. Würde man sich diese Transportkosten sparen, könnten diese Einsparungen die Kostennachteile, die eine europäische Produktion noch immer mit sich brächte, wohl
6. Künstliche Intelligenz verhilft dir zur eigenen Fotovoltaikanlage
Heute ist die Investition in eine Fotovoltaikanlage lohnender denn je – und das trotz sinkender
Was bei vielen Hausbesitzern aber noch fehlt, ist das Wissen darüber. Damit alle, die noch immer keine Fotovoltaikanlage auf dem Dach haben, sich ganz einfach darüber informieren können, ob sich so etwas für sie lohnen könnte, hat Google ein spezielles Tool entwickelt, das
In das Tool konnten zunächst Millionen Amerikaner ihre Heimadresse eingeben. Eine Software berechnete dann aus Wetterinformationen, geografischen Daten und den Satellitendaten von Google Maps, welche Fläche des eigenen Daches prinzipiell für eine Fotovoltaikanlage infrage käme, wie stark die Sonneneinstrahlung ist und wie groß die Anlage entsprechend sein müsste, um den eigenen Strombedarf zu decken. Praktischerweise gibt es
Was das Tool noch nicht berücksichtigt, sind Schreibtische, die in Gärten stehen. Doch ausgerechnet das sollte die Zukunft der Sonnenenergie nicht trüben.
Titelbild: Biel Morro - CC0 1.0