Muss man nackt in den Alpen fasten, um zu sich selbst zu finden?
Sicher nicht. Aber ich habe es trotzdem ausprobiert.
Ich stehe allein in 1.600 Metern Höhe auf einer Lichtung an einer Bergkante. In meinem Rücken liegt ein einsamer Wanderweg, dahinter der Wald. Ich schaue ins Gebirgstal und sehe keine Menschenseele. Es ist der 3. Tag, an dem ich nichts gegessen habe. Mein genaues Zeitgefühl habe ich längst verloren. Eigentlich müsste es bald dämmern, dann soll ich mit einem Ritual den letzten Tag der Fasten- und Schweigezeit feiern.
Doch ich zweifle daran, was ich hier überhaupt tue: Selbstfindung und Fasten? In der Natur sein und mein Leben ordnen? Allein beim Wort »Ritual« dreht sich mir der Magen um. Aber vielleicht ist es auch der Durchfall, der mich quält.
Dabei bin ich extra in die italienischen Alpen gefahren, um an einem »Visionssuche«-Seminar teilzunehmen. Es soll mir dabei helfen, meinen Alltag zu vergessen und mich ganz auf mich selbst zu konzentrieren.
An diesem Abend bin ich in erster Linie frustriert und verunsichert. Ich beschließe, zu den anderen im Camp zurückzugehen. Ich breche ab, weil ich daran zweifle, dass das hier ein effektiver Weg ist, meine Richtung im Leben zu finden.
Ob ich überhaupt weitermachen will, weiß ich nicht. Was soll das alles bringen?
Warum sich Menschen auf Sinnsuche begeben
Das »Visionssuche«-Seminar findet jährlich für 3 Wochen in den italienischen Alpen statt. Organisiert wird es von der
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily