Bei dieser Hitze arbeiten? So kann das gelingen
Hitze am Arbeitsplatz macht nicht nur träge, sondern schadet auch der Gesundheit. Unsere südeuropäischen Nachbarn haben dafür längst Lösungen – von denen wir uns etwas abschauen können.
Es ist 9.30 Uhr, ich sitze auf der Terrasse, noch im Schatten, der Springbrunnen plätschert. Im Garten singen Vögel. Obwohl ich mir einige Dinge vorstellen könnte, die ich heute lieber tun würde, als zu arbeiten, weiß ich, dass andere Menschen deutlich schlimmer dran sind. Die Angestellten im nicht-klimatisierten Großraumbüro. Die Schlosserin in der aufgeheizten Fabrikhalle. Der Hähnchenverkäufer im Grillwagen. Und der ältere Herr, der mir eben gerade das Anzeigenblatt in den Briefkasten gesteckt hat.
Dieser Sommer meint es gut mit den Urlaubern und Freibadgästen. Und er ist unerbittlich gegenüber dem arbeitenden Teil der Bevölkerung. Die Hitze am Arbeitsplatz wirkt sich nicht nur negativ auf die Motivation und Produktivität aus, sondern sie gefährdet auch die Gesundheit. 2017 haben Beschäftigte an 40.000 Tagen wegen Krankheiten durch hohe Temperaturen oder Sonnenlicht gefehlt, wie aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung
Muss das sein? Sind wir in unserer heutigen Arbeitswelt nicht flexibel genug, um die Arbeitszeit anders zu verteilen – oder um endlich einmal die angesammelten Überstunden abzubauen? Oder um es zumindest mal ein wenig ruhiger angehen zu lassen? Wenn wir bei der Hitze schon arbeiten müssen, dann könnten wir doch ein wenig mehr dahinplätschern, wie der Springbrunnen auf meiner Terrasse.
In südeuropäischen Ländern hat man schon lange eine Lösung für Arbeitstage in der drückenden Hitze. Viele Menschen üben noch immer die lange Tradition der Siesta aus, sie ziehen sich zur Mittagszeit für 2–3 Stunden vom Arbeitsplatz zurück, treffen sich mit Kollegen und Freunden, gehen essen und schlafen.
Der perfekte Anlass für neue Slow-Work-Routinen
Nun mehren sich auch hierzulande Stimmen,
Die Belastungen steigen, viele Arbeitnehmer verkürzen inzwischen ihre Erholungspausen oder lassen sie ganz ausfallen. Aber Arbeiten ohne Pause geht an die Substanz und führt zu Überlastung, erst Recht bei großer Hitze.
Als einen Baustein solcher Ruhephasen sieht sie die Einrichtung von Ruheräumen, in denen Mitarbeiter für eine längere Zeit die Augen schließen können. Die positive Wirkung solcher Powernaps zur Mittagszeit sind in der Schlafforschung bereits gut belegt. Einige Unternehmen und Schlafcafés in Deutschland beweisen, dass das praktikabel ist – und viele Vorteile bringt.
Mit der Forderung nach neuen Pausenregelungen ist der DGB in diesem Sommer nicht allein. Auch der neue Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt ruft zum Umdenken auf: »Wichtig ist, bei großer Hitze die Schlagzahl etwas herunterzufahren und – wenn irgendwie möglich – die ein oder andere Pause extra einzulegen«,
Dass es praktisch unmöglich ist, an heißen Tagen die Arbeitsproduktivität und Motivation über Stunden aufrechtzuerhalten, zeigen verschiedene Studien und Umfragen. Die Personalberatung Korn Ferry hat in einer aktuellen Untersuchung mehr als 1.000 Arbeitnehmer*innen befragt. Das Ergebnis: Fast die Hälfte (46%) gab an, dass ihre eigene Produktivität im Sommer sinke. 4 von 5 Befragten glauben außerdem,
Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ist die Leistungsfähigkeit bei höheren Temperaturen nach 4 Stunden noch gegeben. Aber man fühle sich weniger frisch und
Arbeitsregeln für heiße Sommertage
Das Büro, die Baustelle und der Hähnchenwagen sind im Hochsommer also eine eher arbeitsfeindliche Umgebung, die nicht zu Höchstleistungen anregt. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so schlimm, wenn Unternehmen diese Tatsache akzeptieren und die richtigen Bedingungen schaffen. Also konkret: Wenn sie flexible Arbeitszeiten, großzügige Pausen, den Abbau von Überstunden, mobiles Arbeiten im Homeoffice oder an anderen Orten ermöglichen und fördern. Die Hitze ist auch eine gute Gelegenheit, um gemeinsame Veranstaltungen außerhalb der Arbeitsräume zu organisieren.
Hinzu kommen viele scheinbar banale Lösungen, zu denen die BAuA rät, um die Arbeitsbedingungen insbesondere in nicht-klimatisierten Räumen zu verbessern:
- Dresscode lockern: Auf Jackett und Krawatte verzichten, kurzärmlige Hemden und Blusen, eine leichte Hose oder ein Sommerrock – all das verhindert, dass sich der Körper überhitzt.
- Getränke bereitstellen: Mineralwasser und Saftschorlen unterstützen die körpereigene Wärmeregulation. Auf sehr kalte Getränke sollte verzichtet werden.
- Sonnenschutz steuern: Der Sonnenschutz muss rechtzeitig heruntergelassen werden. Jalousien sollten auch nach der Arbeitszeit geschlossen bleiben.
- Frühmorgens lüften: An heißen Tagen erwärmt sich die Luft spätestens ab 10 Uhr deutlich. Deshalb sollte in den frühen Morgenstunden gelüftet werden.
- Klimageräte einsetzen: Ventilatoren verschaffen Abkühlung.
- Wärmequellen vermeiden: Nicht benötigte Geräte im Büro abschalten. Auch die Beleuchtung.
Aber auch wir selbst können viel tun. Die Sommerhitze bietet uns die perfekte Gelegenheit, den eigenen Arbeitsrhythmus zu hinterfragen, neue Pausenroutinen zu entwickeln, Powernaps auszuprobieren und das eigene Tempo zu drosseln. Wenn uns das sonst nicht gelingt, funktioniert es ja vielleicht jetzt.
Titelbild: Tobias Zils - CC0 1.0