3 Gründe, warum du deine Daten schützen solltest
Du postest nur ab und zu mal was bei Facebook oder Instagram? Wenn du glaubst, deine Daten seien zu harmlos, um missbraucht zu werden, solltest du diesen Text lesen.
»Was wollen diese Menschen eigentlich immer mit diesem Datenschutz?«, fragte mich ein Bekannter letztens bei einem Spieleabend. Er postet regelmäßig die Bilder seiner Wochenendausflüge auf Instagram, hält auf Facebook seinen Beziehungsstatus aktuell und kommentiert auf Twitter die deutsche Tagespolitik.
Er hätte kein Problem damit, all diesen Seiten und überhaupt dem ganzen Internet seine Informationen anzuvertrauen. Und diese ständigen
Sein Totschlagargument: »Ich habe nicht wirklich etwas zu verbergen, die können ruhig alles wissen.«
Alles? Wirklich?
Denn jeder hat etwas zu verbergen. Und eigentlich sollte heute jeder Datenschützer sein – aus diesen 3 guten Gründen.
1. Die Sache mit den Nazis
Die Stadt Amsterdam pflegte seit 1851 ein ausführliches Register und sammelte darin Informationen über ihre Einwohner: etwa Name, Adresse, Beruf und Religionszugehörigkeit. Das war gut gemeint und sollte für Überblick sorgen. Bis das Register in die falschen Hände fiel.
1940 besetzten die Nationalsozialisten Amsterdam. Versuche von Widerständlern,
Das düstere Beispiel zeigt: Auch wenn Daten vermeintlich harmlos sind und aktuell keine Gefahr darstellen, muss das in Zukunft nicht so bleiben. Hätte man einen jüdischen Bewohner vor Kriegsausbruch dazu befragt, ob er sich »Sorgen um seine Daten« machen würde, hätte auch er wohl Nein gesagt.
Und wie gefährlich es heute wieder sein kann, wenn sensible Daten in falsche Hände geraten, zeigen die seit 2011 kursierenden
Der CDU-Politiker wurde im Juni aufgrund seines Engagements für Geflüchtete von einem Neonazi erschossen.
»Leute, die sagen, sie hätten nichts zu verbergen, sind entweder dumm oder sie lügen.« – Sascha Lobo, deutscher Netzaktivist, Journalist und Blogger
2. Die Sache mit der Freiheit
Was wäre eigentlich, wenn niemand mehr etwas verbergen würde? Für manche klingt das vielleicht ganz in Ordnung – für den englischen Schriftsteller George Orwell war das eine Horrorvorstellung, die er in seinem weltberühmten Roman 1984 ausführlich beschreibt. Darin überwacht ein totalitärer Staat seine Bürgerinnen und Bürger mit versteckten Kameras, Mikrofonen und Spitzeln. Alles, was dort gesagt oder getan wird, jede Information, kann gegen den Einzelnen verwendet werden. Orwells Fazit: Die totale Überwachung macht eine totale Kontrolle möglich.
»Zu argumentieren, dass Sie keine Privatsphäre brauchen, weil Sie nichts zu verbergen haben, ist so, als würden Sie sagen, dass Sie keine Meinungsfreiheit brauchen, weil Sie nichts zu sagen haben.« – Edward Snowden, Whistleblower und Datenschutz-Experte
Klar, das ist eine Fiktion. Doch Orwells Dystopie zeigt, worum es bei dem Schutz privater Informationen wirklich geht: nämlich um Freiheit. Und die nehmen wir alle regelmäßig abseits des Internets in Anspruch: Oder wer bindet schon seinen Verwandten die eigenen sexuellen Vorlieben auf die Nase? Wer verrät gern seine geheime Wahlentscheidung seinen Kollegen und Geschäftspartnern? Wer lässt seine Vorhänge daheim offen, damit die Nachbarn immer alles sehen können? Wohl niemand.
Etwas zu verbergen zu haben, ist normal.
Natürlich kann man jetzt sagen: Deutschland ist nicht Orwells totalitärer Staat – noch nicht jedenfalls. Denn unsere Freiheit des Verbergens ist längst auf dem Rückzug. Während vor 30 Jahren noch
Eine anlasslose Massendatenspeicherung, um in Strafverfahren Beweismittel zur Hand zu haben. Dumm nur, dass fast die gesamte Masse aus unschuldigen Bürgern besteht, die damit zu Verdächtigen werden. George Orwell würde sich wohl im Grabe umdrehen. Der Autor wusste auch genau: Wer nicht um seine Freiheit kämpft, der verliert sie – und ist sie einmal ganz verloren (wie in 1984), ist es längst zu spät.
3. Die Sache mit der Filterblase
Nicht nur der Staat hat ein brennendes Interesse an Informationen. Globale Internet-Unternehmen wie Google oder Facebook machen aus dem Sammeln von Daten ein Geschäft. Sie verkaufen Informationen, die sie von Nutzern freiwillig mitgeteilt bekommen oder ohne deren Wissen mitspitzeln, an Dritte – so etwa liest Google per GPS die Standortinformationen von Nutzern aus und erstellt daraus Bewegungsprofile.
Daten sind also mehr als nur Informationen, sie haben schon lange einen finanziellen Wert. Und wer seine Daten verschenkt, unterstützt damit die »Datenkraken«, die sie sammeln. Wenn das im Dienst der Wissenschaft geschieht, kann das natürlich auch etwas Gutes sein.
Doch meist geht es um schnöde finanzielle Interessen. Und je mehr Nutzer durchleuchtet werden, je mehr ein Unternehmen über sie weiß,
Jetzt könnte man argumentieren, dass auch ein Nutzer Interesse an Werbung hat, die auf ihn abgestimmt ist. Stimmt! Doch mit dem System finden nicht nur Spielsachen, Duschartikel oder Konzertkarten den perfekten Abnehmer – sondern auch politische Botschaften. Und genau hier zeigen sich die Schattenseiten des Systems.
» Wer seine Daten der freien Nutzung überantworten will, macht seine Identität und damit letztlich die Kontrolle darüber, wer er ist und wie er sein Leben führt, zum Objekt im freien Spiel der Kräfte.« – Juli Zeh, deutsche Juristin und Schriftstellerin
Wie manipulierbar ein gläserner Bürger in der Hand großer Plattformen
ist, musste der Vorsitzende der Labour Party des Vereinigten Königreichs, Jeremy Corbyn, am eigenen Leib spüren. Während der britischen Unterhauswahl 2017 schalteten Kampagnenmanager seiner eigenen Partei einen Teil seiner Wahlwerbung so, dass sie nur Corbyn selbst, seinen engsten Mitarbeitern und einigen Journalisten angezeigt wurde – weil die Parteiführung die Botschaften als »zu links« einstufte. Corbyn sollte so getäuscht werden und glauben, das ganze Land würde sehen, was er sieht.
Ein klarer Missbrauch, der erst durch Datenkraken wie Facebook möglich wurde. Und einer, der nachträglich von einem eingeweihten Journalisten und Politikberater
Doch nicht nur einzelne Spitzenpolitiker können so getäuscht und in einer Filterblase gefangen werden, wie Corbyn selbst bemerkte:
Schließlich lassen sich per Klick ganze Bevölkerungsgruppen ansteuern und mit maßgeschneiderten Informationen füttern. Alles, was die Datenkraken dafür brauchen, sind Nutzer, die »nichts zu verbergen haben« und ihnen sorglos Vorlieben, Ansichten und Interessen anvertrauen.
Corbyn, Orwell und das Register aus Amsterdam zeigen: Persönliche Daten sind mehr als irgendwelche Informationen. Sie enthalten Macht und verleiten zu Missbrauch.
Und davor kann sich nur jemand schützen, der seine Daten schützt. Vielleicht reden wir beim nächsten Spieleabend ja eher darüber, wie das effektiv geht, lieber Bekannter.
Titelbild: Eugene Chystiakov - CC0 1.0