Bei der Landtagswahl will die Initiative »Zukunft Sachsen« mit allen Kräften verhindern, dass sich die Regierung blau färbt. Dabei setzt sie auf eine Strategie, die schon einmal geklappt hat – damals mit Hilfe aus Hollywood.
Eines muss man ihr lassen: Bevor es die »Alternative für Deutschland« gab, hielt sich das Interesse an Landtagswahlen meist in Grenzen. Und zwar denen des jeweiligen Bundeslands. Das hat sich geändert. Am 1. September wählt Sachsen – wie auch – einen neuen Landtag und die deutschlandweite Aufmerksamkeit ist groß. »Schafft es die AfD zum ersten Mal, Regierungspartei in einem Landtag zu werden?«, wird im Vorfeld viel diskutiert.
Die Initiative laut eigenen Angaben eine Gruppe Bürgerinnen und Bürger größtenteils aus Sachsen, will, dass die Antwort auf diese Frage »Nein!« lautet. Ihre Strategie: das taktische Wählen bekannt zu machen. Dadurch wollen sie eine Mehrheit für die zu diesem Zeitpunkt einzig regierungsfähige Koalition aus CDU, SPD und Grünen zusammenbekommen – die sogenannte Kenia-Koalition. Um politische Inhalte geht es der Initiative eigentlich nicht, auch im Interview geht das einzig sichtbare Gesicht der Kampagne, der 23-jährige Jurastudent Sascha Kodytek, darauf nicht ein.
Vor der sächsischen Landtagswahl hatte die Initiative bereits eine Art Probelauf. Im Juni 2019 veröffentlichte sie an die Stadt Görlitz von Stars wie dem Schauspieler Daniel Brühl, Darstellerin Jana Pallaske und Filmregisseur Stephen Daldry. Darin der Aufruf: »Bitte wählt weise, in beiden anstehenden Wahlen 2019 […]« Görlitz hat in Hollywood einige Freunde. In der unversehrten Altstadt von Görliwood wurden schon über 100 Filme gedreht. Mit einem knappen Vorsprung gewann schließlich der CDU-Kandidat die Wahl zum Oberbürgermeister.
Warum die Kampagne von »Zukunft Sachsen« jetzt so wichtig ist, wie realistisch die »Kenia«-Koalition ist und was es mit dem blauen Karpfen im Titelbild hier auf sich hat, erzählt Sascha Kodytek im Interview.
Was will Zukunft Sachsen, und wer steckt dahinter?
Sascha Kodytek:
Wir sind Freunde und Kollegen aus Dresden und Leipzig, die sich hingesetzt und gesagt haben: »Hier leben wir, machen unsere Ausbildungen und arbeiten. Und wir wollen nicht von der AfD regiert werden.«
Ihr seid also alle selbst aus Sachsen?
Sascha Kodytek:
Der Großteil, ja. Wenn ich da noch etwas sagen darf: Du hast jetzt nachgehakt: »Das sind auch alles Sachsen?« Ich finde solche Fragen ziemlich quer. Selbst wenn bei Zukunft Sachsen nur senegalesische Einwanderer aktiv wären, die nicht von der AfD regiert werden wollten, weil sie die nächsten anderthalb Jahre hier noch eine Ausbildung zum Schreiner fertigmachen oder ihr Jura-Studium beenden – das wäre doch völlig okay. Deshalb finde ich diese Frage immer ganz interessant:
Was ist so interessant an der Frage?
Sascha Kodytek:
Man übernimmt dabei die Erzählung der AfD: dass nur derjenige hier mitreden kann, der auch wirklich hier geboren ist und im Dorf Hinz und Kunz kennt. Der vom Brot-und-Salz-ins-Haus-Bringen bis zum Lederklatschen jede deutsche Tradition und jedes Brauchgut kennt. Dass nur der hier mitreden kann. Bei der Frage schwingt mit, dass es Leute gibt, die nicht mitsprechen dürfen.
Dann erkläre ich mich kurz: Mein Interesse galt jedem und jeder Wahlberechtigten, die dort leben. Es ist natürlich auch interessant, ob die Leute, die an der Initiative teilnehmen, aus Städten kommen …
Sascha Kodytek:
Auf die Landtagswahl trifft das zu. dürfen auch EU-Mitbürger abstimmen. Vielleicht erweitert sich das auch bald auf die Landtage. Warum sollte jemand, der in Portugal geboren ist, hier aber schon seit 10 Jahren in der Herzklinik arbeitet, nicht den Landtag mitbestimmen dürfen?
Mit Illustrationen von
Mirella Kahnert
für Perspective Daily
Juliane schlägt den journalistischen Bogen zu Südwestasien und Nordafrika. Sie studierte Islamwissenschaften und arbeitete als freie Journalistin im Libanon. Durch die Konfrontation mit außereuropäischen Perspektiven ist ihr zurück in Deutschland klar geworden: Zwischen Berlin und Beirut liegen gerade einmal 4.000 Kilometer. Das ist weniger Distanz als gedacht.