Warum die »Bekämpfung von Fluchtursachen« nicht so funktioniert, wie sich das alle vorstellen
Und was wirklich hilft.
Das Wort »Fluchtursachenbekämpfung« darf heutzutage in keiner Rede und keinem Beitrag über Migration und
Dabei meinen die Politiker meist nicht nur
Aber reicht es aus, wenn sich die Perspektiven in den Herkunftsländern verbessern, damit weniger Menschen irregulär migrieren müssen? Frei nach dem Motto: Je mehr Geld jemand hat, desto seltener verlässt er seine Heimat.
So einfach funktioniert das nicht – aus 2 Gründen.
1. So sieht der Migrationsbuckel aus
Der erste ist der sogenannte »Migrationsbuckel«, den es zu bezwingen gilt. US-amerikanische Ökonomen haben dafür folgende Frage gestellt: Wie hängt der Anteil der Bevölkerung eines Landes, der nicht (mehr) innerhalb des Heimatlandes lebt, mit der Wirtschaftskraft des Landes zusammen? Um eine Antwort zu erhalten, haben sie Bevölkerungsstatistiken der Vereinten Nationen und der Weltbank aus 6 Jahrzehnten und mehr als 150 Ländern ausgewertet.
Das Ergebnis ist auf den ersten Blick überraschend: Die meisten Migranten kommen nicht aus sehr armen, sondern aus sich wirtschaftlich entwickelnden Ländern.
Bei den ärmsten Ländern ist der Anteil der Migranten am niedrigsten – aus einem einfachen Grund: Viele können sich eine Auswanderung schlicht nicht leisten. Der Anteil der Migranten steigt dann in Ländern mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 8.000–10.000 US-Dollar pro Jahr. In diesem Bereich liegen beispielsweise die Ukraine oder Marokko. Danach fällt der Migrationsanteil wieder ab.
Wie entsteht der Migrationsbuckel?
Die Grafik zeigt den Migrationsbuckel mit Daten aus dem Jahr 2000. Die Auswanderungsquote eines Landes beschreibt das Verhältnis zwischen den Menschen, die im Land geboren wurden, aber außerhalb wohnen, und der Gesamtbevölkerung. In Ländern mit einem Pro-Kopf-Einkommen unter 2.000 US-Dollar ist die Auswanderungsquote nur ein Drittel so hoch wie in Ländern mit einem Einkommen ab 5.000 US-Dollar. Ab einem Einkommen von 8.000 US-Dollar zeichnet sich wieder ein Rückgang der Migration ab.
Was bedeutet das konkret für die Entwicklungszusammenarbeit? Der einfachste Schluss wäre: Mehr Geld für arme Länder führt zu mehr Migration. Statistisch gesehen belegt das der Migrationsbuckel – doch der Gedanke greift zu kurz und blendet die vielschichtigen Gründe aus, aus denen Menschen ihre Heimat verlassen. Und im schlimmsten Fall kann der Migrationsbuckel so von rechten Kräften missbraucht werden, um gegen die Zahlung dringend benötigter Hilfsgelder zu argumentieren.
2. Menschen fliehen nicht für Geld
Damit wären wir beim zweiten Grund, warum wirtschaftliche Entwicklung allein viele Menschen nicht daran hindert, zu migrieren:
Menschen wandern aus Ländern des globalen Südens aus, in denen ein demografischer Wandel stattfindet und gleichzeitig Bildungschancen steigen. Also dort, wo mehr junge, teilweise ausgebildete Menschen nach beruflichen Perspektiven suchen, die sie nicht finden werden. Weitere Treiber können Korruption, fragile Staatlichkeit, fehlende Rechtsstaatlichkeit und
Geberstaaten müssen sich klarmachen, dass Entwicklungszusammenarbeit allein kein Hebel für Migration sein kann. Es geht vielmehr darum, Migration so zu regulieren, dass sie sicher, regulär und geordnet passieren kann. Davon haben nämlich alle Seiten mehr und vor allem jene, die ihr Leben riskieren. Diese 4 Dinge können dabei helfen:
1. Reguläre Migration nach Europa
Es wird immer Menschen aus dem globalen Süden geben, die nach Europa einwandern. Deshalb sollten sichere Wege gefördert werden. Davon könnten alle Seiten profitieren. Für Migranten ist es die Chance auf einen wirtschaftlichen Aufstieg, von dem auch europäische Länder mit Fachkräftemangel profitieren können.
Erfahre hier mehr darüber, wie sichere Wege nach Europa gestaltet werden können:
2. Migration innerhalb von Ländern und Kontinenten
Wenn Menschen ihre Heimat verlassen, dann zieht es sie in den seltensten Fällen auf einen anderen Kontinent. In den allermeisten Fällen bleiben sie in ihrem Heimatland oder ziehen in benachbarte Länder. Auch diese Art von Migration sollte mehr Unterstützung finden.
3. Förderung von »Good Governance«
4. Familien vor Schocks bewahren
Die wenigsten Menschen im globalen Süden verfügen über eine ausreichende Kranken- und Sozialversicherung oder über große Ersparnisse. Wenn der Job weg ist, der Sturm das Haus zerstört oder die Ernte ausfällt, brechen Lebensgrundlagen weg. Vor solchen Schocks müssen Familien geschützt werden – beispielsweise durch günstige Versicherungen oder Programme, die bei Arbeitslosigkeit helfen.
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Titelbild: Franck V. - CC0 1.0