Wie diese Frau den Kampf gegen Armut revolutioniert hat
Entwicklungshilfe kann einfach mehr bringen. Das zeigt die Forschung der französischen Ökonomin Esther Duflo. Zusammen mit ihrem Mann und einem Kollegen hat sie nun den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten.
Das Grundproblem ist überall auf der Welt das gleiche: Arme Menschen bekommen keinen Kredit von einer Bank. Sie sind ja schließlich arm, und können keine Sicherheiten vorweisen, dass sie ihre Raten immer werden bedienen können.
Mangels Startkapital ist ihnen somit der Weg verbaut, sich als Kleinunternehmer selbstständig zu machen, um sich so aus eigener Kraft eine bescheidene Existenzgrundlage aufzubauen.
Um diesen Menschen eine Chance zu geben, müsste man also dafür sorgen, dass trotz fehlender Sicherheiten eine kleine Anschubfinanzierung gewährleistet wird, die nicht an Bedingungen geknüpft und zu fairen Konditionen abzubezahlen ist, und schon würde aus einem armen Menschen ein weniger armer Kleinunternehmer. Dieses Konzept der Mikrokredite war jahrzehntelang das Mittel zur Armutsbekämpfung und derart populär, dass die Weltbank 1995 dafür 200 Millionen US-Dollar mobilisierte. 10 Jahre später riefen die Vereinten Nationen sogar das »Jahr der Mikrokredite« aus, um die
Es gibt nur ein Problem: Es funktioniert nicht.
Jedenfalls lange nicht so gut, wie von den meisten angenommen: Nur 30% der Kreditnehmer versuchten, ein eigenes Geschäft aufzubauen, weitere 30% zahlten mit den Mikrokrediten schlicht schon bestehende Kredite ab und 15% nutzten das Geld für Konsumgüter. Effekte auf Bildung, Gesundheit und Gleichstellung von Frauen: nicht nachweisbar.
Das herauszufinden, war eine der ersten großen Errungenschaften der frisch gebackenen Trägerin des
Esther Duflo selbst beschreibt ihr Vorgehen, das die sogenannte Entwicklungsökonomie in den vergangenen 2 Jahrzehnten nachhaltig verändert hat, so:
Das Ziel unserer Arbeit ist es sicherzustellen, dass der Kampf gegen Armut auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Die Armen werden oft zu einer Art Karikatur reduziert, und ebenso oft verstehen nicht einmal die Menschen, die ihnen helfen wollen, die tiefen Wurzeln ihrer Probleme.
Das heißt, es ist ratsam, sich nicht einfach auf ein Bauchgefühl zu verlassen, was anderen Menschen der eigenen Meinung und Logik nach helfen sollte, sondern auch hier wissenschaftliche Standards zum Testen und Evaluieren der Ergebnisse anzuwenden. Und genau das fand vor den Arbeiten nur selten statt, obwohl in den vergangenen Dekaden Milliarden Dollar für Entwicklungszusammenarbeit investiert wurden.
In ihrem
Um bei der globalen Armutsbekämpfung also effektiver vorzugehen als mittelalterliche Ärzte, übertrugen Duflo, Banerjee und Kremer das Prinzip der randomisierten, kontrollierten Studien erstmals auf sozialpolitische Maßnahmen zur Armutsbekämpfung.
Zu welch überraschenden Erkenntnissen diese Herangehensweise führen kann, zeigt sich beispielhaft an ihrer Studie, die sich damit befasst, durch welche Maßnahmen Kinder in Entwicklungsländern am effektivsten Zugang zu Schulbildung bekommen. Hilfsoptionen gibt es viele: Schuluniformen, Verpflegung oder Schulgeld bezahlen, zusätzliche Lehrer anheuern, sanitäre Einrichtungen schaffen oder sogar die Eltern der Kinder schlicht »bestechen«, damit sie ihre Kinder zur Schule schicken. Oder doch etwas ganz anderes?
Sicher würde jede Maßnahme für sich ein wenig helfen. Nur: Was hilft am besten?
Die Antwort auf diese Frage ist nicht unbedingt intuitiv – und genau deshalb so revolutionär. Esther Duflo und ihre Kollegen untersuchten, wie viele zusätzliche Schuljahre pro 1.000 US-Dollar an Entwicklungshilfe durch die verschiedenen Maßnahmen erzielt werden konnten.
Gab man das Geld direkt an die Eltern, kommen nur 0,2 zusätzlichen Schuljahre heraus. Ein Programm, das Schuluniformen verteilte, ergab schon deutlich mehr, nämlich 7,1 weitere Jahre pro 1.000 US-Dollar. Noch effektiver war jedoch eine Maßnahme, die scheinbar gar nichts mit Bildung zu tun hat: Kinder von parasitären Würmern befreien, die ihre Gesundheit beeinträchtigen. So schlug eine
Durch kontrollierte randomisierte Studien lässt sich ebenso gut herausfinden, mit welchen Maßnahmen man möglichst viele Menschen vor Malaria schützen kann, wie man Impfraten erhöht und vieles mehr.
Hier erfährst du alles darüber, wie deine Spende durch Effektiven Altruismus den größten Effekt erzielt:
So profitieren Millionen Menschen von der Arbeit von Abhijit Banerjee und Michael Kremer. Und sogar noch mehr Menschen von der Arbeit von Esther Duflo, die als zweite Frau in der Geschichte den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat und mit ihrer Auszeichnung ein Zeichen setzen will:
Ich will zeigen, dass eine Frau erfolgreich sein und für ihre Arbeit anerkannt werden kann. Ich hoffe, so viele andere Frauen zum Weiterarbeiten zu inspirieren und Männer dazu zu bringen, ihnen dafür den Respekt zu zollen, den sie verdienen, wie jedem anderen Menschen auch.
Anmerkung des Autors: In der ursprünglichen Version des Artikels war hier fälschlicherweise vom »Wirtschaftsnobelpreis« die Rede. Dies wurde nachträglich zu »Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften« geändert, da ein Wirtschaftsnobelpreis schlicht nicht existiert, wie PD-Mitglied Vegard Beyer im Diskussionsbereich unter diesem Artikel richtigstellte. Alles über die Hintergründe zum »falschen« Nobelpreis als PR-Trick neoliberaler Kräfte liest du hier:
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily