Heul doch!
Manche Menschen geraten nie aus der Fassung, andere weinen schon bei Kleinigkeiten. Ist es gesünder, seinen Tränen freien Lauf zu lassen?
Ich weine still am Telefon. Mein einziger Gedanke: Hoffentlich merkt mein Gesprächspartner nichts davon. Meine Tränen finde ich nämlich höchst unprofessionell, denn es geht um etwas Berufliches. Nichts Dramatisches, es ist lediglich etwas in der Zusammenarbeit schiefgelaufen. Doch in manchen Situationen kann ich meine Augenflüssigkeit schwer kontrollieren – gerade wenn ich viel um die Ohren habe.
»Weinen ist menschlich«, könnte man sagen. Denn emotionales, tränenreiches Weinen ist etwas, das uns von allen Tieren unterscheidet. Viele Säugetiere und auch Vögel klagen zwar, wenn sie beispielsweise von ihrer Gruppe getrennt werden, doch Tränen laufen ihnen dabei nicht über das Gesicht. Und während die meisten Tierkinder auch dieses tränenlose Klagen ab einem gewissen Punkt einstellen,
Es gibt Ereignisse, bei denen sich die Gesellschaft einig ist, dass Weinen eine angemessene Reaktion darstellt, etwa wenn ein Angehöriger stirbt oder ein Kind geboren wird. Doch warum weinen manche Menschen, so wie ich, häufiger als andere? Und ist es gesund, seinen Tränen freien Lauf zu lassen – oder gar schädlich, sie zu unterdrücken?
Wie die Wissenschaft versucht, das Rätsel des Weinens zu entschlüsseln
Schon der Evolutionstheoretiker Charles Darwin versuchte, das Weinen des Menschen zu erklären: Es könne entspannend wirken oder anderen signalisieren, dass man Hilfe brauche, lauteten erste Vermutungen. Aber warum zusätzlich zum Wimmern auch noch eine salzige Flüssigkeit über die Augen absondern? In dieser menschlichen Eigenschaft konnte der Naturforscher keinen Sinn erkennen. Er sah Tränen als zufällige, unwichtige Funktion, die eigentlich während der Evolution hätte verschwinden müssen.
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily