Hacking gegen die Klimakrise
Das weltweite Videostreaming verursacht genauso viel CO2 wie der Flugverkehr. Müssen wir uns bald auch fürs Serienschauen schämen? Ein Besuch auf dem Chaos Communication Congress, wo sich Klimaschützer und Hacker zusammentun.
Damit du diesen Text lesen kannst, hat ein Server gerade ein Datenpaket verschickt. Und weil dieser Energie braucht, ist dadurch ein wenig CO2 freigesetzt worden. Das kleine bisschen ist egal, könnte man denken. Doch die Summe macht’s: Das Hin-und-Her-Schicken von Daten und die dafür notwendige Infrastruktur verursachen mittlerweile
Zum Vergleich: Vielleicht erinnerst du dich an die Debatte um das Fliegen im letzten Jahr, Stichwort #Flugscham. Der Flugverkehr hat schätzungsweise einen Anteil von 2,5% am globalen CO2-Ausstoß. Mit unseren Smartphones, Computern, Glasfasernetzen und Serverparks stoßen wir also deutlich mehr CO2 aus als mit der weltweiten Fliegerflotte. Und die Tendenz ist steigend.
Kommt dieses Jahr also die Netflix- und Spotify-Scham? Das wäre nur konsequent. Denn fast 60% des weltweiten Transfers digitaler Daten entfallen auf das Streamen von Videos. Also wenn du ein Video auf Netflix oder Youtube schaust. Deshalb ist es sicher hilfreich, wenn Verbraucher dafür ein Bewusstsein entwickeln. Viel wichtiger ist es jedoch, dass diejenigen, die die digitale Welt designen, Rücksicht auf das Klima nehmen.
Hacking against Climate Change
Am 27.–30. Dezember lädt der Chaos Computer Club (CCC) traditionell zum Chaos Communication Congress. Seit einigen Jahren findet dieser in der Messe Leipzig statt, die sich für die paar Tage in einen riesigen Spielplatz für Techies verwandelt. Knapp 17.000 Gäste hat der Kongress in diesem Jahr angezogen. »Unser Familientreffen«, nennt Falk Garbsch, Sprecher des CCC, es liebevoll.
Jedes Jahr gibt es ein Motto für den Kongress. Dieses Jahr: »Resource Exhaustion«, die Erschöpfung der Ressourcen. Falk Garbsch sagt, die Klimadebatte des letzten Jahres habe einen großen Einfluss auf die Festlegung des Mottos gehabt. Und auch im Programm gibt es eine eigene Sparte zu Resilienz und Nachhaltigkeit. Es gehe aber nicht nur ums Klima, so Falk Garbsch. »Resource Exhaustion« bezeichnet in der Techie-Szene auch eine Angriffsmethode auf ein IT-System. Man lastet die Ressourcen des Systems so lange aus, bis es zusammenbricht.
Generell bringe jeder Gast sein eigenes Thema mit zum Kongress, sagt Falk Garbsch. »Mit dem Motto geben wir einen Denkanstoß. Aber die Veranstaltung entwickelt sich von allein, wenn erst mal alle hier sind.«
Wie sichtbar ist Klimaschutz auf dem Kongress?
Das Herz des Kongresses bilden sogenannte Chaos-Räume. Die großen Hallen sind abgedunkelt, der Raum in Tischinseln oder zeltartige Abteile aufgeteilt. Überall sitzen Menschen und tauschen sich aus, basteln herum, hören Vorträge oder schauen sich aufwendige Installationen an. Tretroller sind ein beliebtes Fortbewegungsmittel, um von A nach B zu kommen. Aber auch ein E-Sofa fährt rum. Der Kreativität scheinen hier kaum Grenzen gesetzt.
Inmitten dieses Gewusels steht ein Tripod aus dicken Holzstämmen. Aktivistinnen des Hambacher Forsts geben Interessierten eine Einführung ins Seilklettern. Ein Banner hängt von der Decke. Auf der anderen Seite der Messe gibt es eine designierte Nachhaltigkeitsarea mit Ständen von verschiedenen Organisationen wie den
Ein paar (ausschließlich männliche) Aktivisten von Fridays for Future sitzen über ihre Laptops gebeugt an einem langen Tisch. Sie gehören zur AG »Digitale Infrastruktur« und kümmern sich zum Beispiel darum, dass die Website von Fridays for Future vor regelmäßigen Angriffen geschützt ist. Oder sie programmieren Bots, mit deren Hilfe sie die Chats auf Telegram besser moderieren können. Der Kongress ist für sie eine willkommene Gelegenheit, sich zu treffen und weiter zu vernetzen.
»Entwickler brauchen mehr Bewusstsein für ihre Verantwortung gegenüber dem Klima.« – Gregor, »Fridays for Future« Leipzig
Gregor gehört zur Leipziger Gruppe von Fridays for Future. Er wünscht sich unter Entwicklerinnen und Entwicklern ein größeres Bewusstsein dafür, dass ihre Software einen Einfluss auf das Klima hat. Auch auf dem Kongress sei das noch nicht selbstverständlich. »Wir bilden mit unseren Ständen nur eine kleine Ecke. In der Halle ist Nachhaltigkeit oft gar kein Thema«, sagt Gregor.
Sauberes Streaming: Jeder kann dazu beitragen
Doch was müsste eigentlich konkret geschehen, um den Fußabdruck der IT zu verkleinern?
- Entwicklerinnen sollten ordentliche Codes schreiben.
Alle Programme, die auf unseren Endgeräten laufen, basieren auf Code. Zeile für Zeile steht darin, was der Computer machen soll. Vereinfacht gesagt: Je mehr Zeilen der Code hat, desto länger muss der Computer arbeiten – und desto mehr Strom verbraucht er. Um also einen möglichst ressourcenschonenden Code zu bekommen, sollte man ihn von allen unnötigen Arbeitsschritten und Umwegen bereinigen. Ein solcher Code ist dann übrigens auch weniger angreifbar.
Damit ressourcenschonende Software hervorgehoben werden kann, soll das etablierte Umweltzeichen - Die Betreiber der Serverparks sollten auf erneuerbare Energien setzen.
Wenn wir einen Film auf Netflix schauen, greifen wir auf einen Server dieser Plattform zu. Dieser hat einen physischen Standort, an dem er meist in einer großen Halle steht und Wärme produziert. Sehr viel Strom wird in Serverparks aufgewandt, um die Server zu kühlen. Betreiber dieser Parks könnten den CO2-Ausstoß von Streaming und Co. also verringern, wenn sie erneuerbare Energien beziehen würden. Apple, Facebook und Google gehen (ausnahmsweise) mit gutem Beispiel voran. - Auch wir Nutzer können etwas tun.
Als Nutzer sollten wir uns fragen: Wie viele unserer Geräte sollten mit dem Internet verbunden sein? Denn auch das Internet der Dinge in unserem Smart Home schickt Daten hin und her. Und was das Streamen von Videos angeht, kann es schon einen Unterschied ergeben, auf welchem Gerät wir etwas ansehen und in welcher Qualität. Muss es auf dem kleinen Smartphone wirklich HD sein?
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys: