Ökofeminismus: Eine andere Welt ist möglich
Vandana Shiva ruft zum zivilen Ungehorsam auf: Gegen das Patentieren von Saatgut. Gegen Konzerne wie Bayer, die die Natur in Besitz nehmen und sie uns dann wieder verkaufen wollen. Und gegen das Patriarchat. Darin sieht sie gerade auch für Männer eine große Chance.
Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch »Eine andere Welt ist möglich« von Vandana Shiva.
Der Feminismus ist mir sozusagen von meinen Vorfahren vererbt worden. Meine Mutter war bereits in den 40er-Jahren Feministin, als es das Wort in Indien noch gar nicht gab. In meiner Familie geht der Wunsch nach Gleichstellung weit zurück: Mein Großvater starb bei einem Hungerstreik, mit dem er die Gründung einer Mädchenschule in seinem Dorf erreichen wollte, und zwar zu einer Zeit, als Mädchen noch äußerst selten Schulen besuchten.
Schon dass er meine Mutter zum Studieren nach Lahore schickte, fanden die Dorfbewohner mutig: Die Kaste der Brahmanen (die an der Spitze der Gesellschaftsordnung standen) verweigerten Frauen das Recht auf Bildung. Doch mein Großvater hatte begriffen, dass Wissen eine der Säulen der gesellschaftlichen Emanzipation ist. Er lebte in einem Milieu, das weitaus mehr an Fortschritt und Wissenschaft glaubte als an religiöse Dogmen. Die anderen Dorfbewohner unterstützten entschieden seine Idee einer Mädchenschule. Schließlich wurde ihm finanzielle Hilfe zugesagt und er konnte die Schule eröffnen.
Doch die Geldgeber hielten sich nicht bis zum Schluss an ihre Zusage und die Behörden änderten ihre Meinung. Zahlreiche Schreiben, in denen mein Großvater auf eine endgültige Zusage von staatlicher Seite drängte, blieben unbeantwortet. Also beschloss mein Großvater, in den Hungerstreik zu treten und keinen Schluck Wasser mehr zu trinken, bis nicht nur die Finanzierung weitergeführt wurde, sondern er auch die notwendige staatliche Genehmigung erhielt. Als schließlich eine positive Antwort eintraf, war es bereits zu spät: Er starb, als ich gerade einmal 4 Jahre alt war. In der Schule, für die er eingetreten war, werden heute 3.000 Schülerinnen unterrichtet.
Titelbild: Wikimedia Commons - gemeinfrei