Das sind unsere 6 größten Herausforderungen für das neue Jahrzehnt
Vor 100 Jahren begannen die Goldenen 20er, in denen die Weichen für das restliche 20. Jahrhundert gestellt wurden. Wie stellen wir unsere?
Es liegt Umbruch in der Luft. Unterdrückte gesellschaftliche Gruppen treten selbstbewusst auf und kämpfen für Anerkennung. Bahnbrechende Erfindungen geben das Gefühl, dass der technische Fortschritt kaum aufzuhalten ist. Und die Wirtschaft wackelt und kommt aus der Berg- und Talfahrt nicht mehr heraus …
Kommt dir das bekannt vor?
Die Beschreibung passt auf eine Zeit, die vor 100 Jahren ihren Anfang nahm. Es waren die
Keine Frage, in den vergangenen 100 Jahren haben wir große Fortschritte gemacht:
Wie werden wir unsere 20er-Jahre nutzen und welche Weichen für den Rest des Jahrhunderts werden wir stellen? Ein Ausblick.
Nicht nur Deutschland wird grauer – und das ist gar nicht so schlimm!
von Chris VielhausEs gibt unzählige Sprichwörter, die je nach Bedarf den unterschiedlichsten Urhebern zugeschrieben werden. »Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen« ist eines davon. Auch wenn wohl niemand genau sagen kann, wer diesen klugen Ausspruch in die Welt setzte, ist er dadurch nicht weniger wahr.
Doch manche Prognosen sind bereits heute schon vergleichsweise sicher. Etwa, dass die Gesellschaft in den kommenden Jahren zunehmend älter werden wird. Und das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für nahezu alle Länder in Europa und für viele weitere auf der ganzen Welt.
Keine andere Altersgruppe wächst laut den Vereinten Nationen weltweit schneller als die der Menschen im Alter von 65+. Das hat zur Folge, dass heute jeder elfte Mensch (9%) dieser Altersgruppe angehört, während es 2050 jeder sechste (16%) sein könnte.
Die Betonung liegt hier auf »könnte«, womit wir wieder bei den Prognosen wären – und was wir aus ihnen machen. Klar ist, dass diese Veränderungen in naher Zukunft die Welt vor neue Herausforderungen stellen werden, sowohl für abstrakte Dinge wie Sozialversicherungssysteme und Arbeitsmärkte als auch für ganz praktische Aspekte unseres täglichen Lebens: Wie etwa müssen der Wohnraum und öffentliche Verkehr für eine alternde Bevölkerung gestaltet werden?
Die Chance liegt darin, das alles nicht als »graue Bedrohung« zu sehen, sondern als soziale Transformation zu begreifen. Denn dann können wir uns rechtzeitig auf die Veränderungen einstellen und sie gestalten.
Ein wichtiger Faktor ist es hier, Altersdiskriminierung zu bekämpfen und unsere älteren Mitmenschen künftig wesentlich besser in alle Bereiche des täglichen Lebens einzubinden, als wir es vielleicht bisher hinbekommen.
Einen Anfang kannst du direkt hier bei uns machen, indem du dieses beeindruckende Interview mit der Aktivistin Ashton Applewhite liest, die sich gegen Altersdiskriminierung einsetzt:
Der Klimawandel wird die Welt verändern – und wir bestimmen, wie sehr
von Felix AustenDass der Klimawandel in den kommenden 10 Jahren die Finanz- und Wirtschaftswelt deutlich umkrempeln wird, steht fest. Die Frage ist nur, auf welche Art und Weise das passiert.
Um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden und Emissionen zu senken, müssen wir investieren, anders und anderes produzieren.
Angekündigt hat sich das lange, jetzt wird es konkret: Neue Branchen entstehen, andere haben keine Zukunft mehr. So schlägt Tesla Wurzeln in Brandenburg und zeigt der Automobilbranche, dass es beim Thema »Elektromobilität« kein Rumlavieren mehr gibt. Eine konsequente CO2-Steuer ohne Schlupflöcher könnte auch in anderen Branchen für den nötigen Wandel sorgen.
Auf der anderen Seite brechen sich die Symptome der Erderwärmung immer häufiger Bahn: in Form von Dürren, Bränden und Überschwemmungen. Auch Krankheiten breiten sich in einer heißeren Welt und nach Naturkatastrophen rapide aus, Bäuer:innen haben Ernteausfälle zu beklagen und Tourist:innen bleiben zu Hause. All das drückt auch auf die Wirtschaftsleistung und die Finanzmärkte. Wenn die öffentliche Hand eingreift – wie es bei den dürrebedingten Ernteausfällen im Sommer 2018 der Fall war –, macht sich das auch im öffentlichen Haushalt bemerkbar.
Chancen und Risiken: Beides hängt eng miteinander zusammen. Je mutiger und zügiger wir den Umbau angehen, desto niedriger werden die Folgekosten sein – auch wenn sich einige Schäden nicht mehr ganz verhindern lassen.
Bye bye, Boys Clubs!
von Katharina WiegmannAnfang Dezember letzten Jahres machte ein Bild von 5 Frauen die Runde in sozialen Medien. Es zeigt die Vorsitzenden der neuen finnischen Regierungskoalition unter der sozialdemokratischen Premierministerin Sanna Marin. Eigentlich sollte das Alter unerheblich sein, aber das ist in diesem Fall schon bemerkenswert: 4 der 5 Ministerinnen sind noch nicht einmal 35 Jahre alt.
Die Collage taugt zum Symbolbild für den Abschied von Machtstrukturen, in denen alte weiße Männer das Sagen haben. »Eine Frau zu sein heißt nicht automatisch, dass du gute Politik machst«, sagt die neue Bildungsministerin Li Andersson
Das stimmt. Aber (Vor-)Bilder sind mächtig. Sie zeigen Kindern, wer was im Leben erreichen kann. Und für marginalisierte und diskriminierte Gruppen ist es immer ein starkes Symbol, wenn eine:r von ihnen eine Machtposition erlangt.
Und die Regeln, wer wie und mit welchem
Das Schicksal des Internets entscheidet sich
von Dirk WalbrühlDas Internet verbindet die ganze Welt. Es versorgt sie mit freien Informationen und den besten Ideen. Es ist ein Mittel, um Demokratie mit freier Meinungsäußerung zu verbreiten und hilft, Proteste zu organisieren und Veränderung zu bewirken. Stimmt das?
Ja. Doch leider nicht überall in gleichem Maße: Bereits heute sägen Staaten am besten Kommunikationsmittel, das die Menschheit je erfunden hat – und die kommenden 10 Jahre werden zeigen, ob sie Erfolg damit haben.
Die größte Säge setzt aktuell China an.
Dazu üben sich immer mehr internationale Unternehmen in vorauseilender Selbstzensur im Netz, wenn sie mit China Geschäfte machen
Auf der anderen Seite der Welt, in den USA, kultiviert das Silicon Valley ein ganz anderes Internet. Die dort ansässigen Unternehmen, die heute unser Internet beherrschen, wollen gern ganz unpolitisch sein: So teilte etwa Facebook mit,
Staatliche Zensur auf der einen, ignorante Sorglosigkeit auf der anderen Seite – in den kommenden 10 Jahren werden die Weichen für das Internet der Zukunft gestellt.
Stadt und Land im Fluss
von Stefan BoesIn den vergangenen Jahren verliefen gesellschaftspolitische Debatten meist entlang von Gegensatzpaaren: Links und Rechts, Frau und Mann, Jung und Alt, Konservativ und Progressiv, Stadt und Land, »Anywheres« und
Zunächst einmal ist die Trennung von Stadt und Land ohnehin ungenau. Was häufig als Landleben bezeichnet wird, meint meist eher das Leben in Klein- und Mittelstädten – dort, wo die Mehrheit der deutschen Bevölkerung zu Hause
Doch warum verschwimmt die ohnehin schon undeutliche Trennung weiter? Dafür sprechen verschiedene Entwicklungen, die die Grenzen von Stadt und Land durchlässiger werden lassen:
- Immobilienkrise: Mieten und Bauen in der Großstadt ist für viele Gruppen unbezahlbar geworden. Wohnen am Stadtrand oder in kleineren Orten wird da zwangsläufig zur Alternative.
- Landlust: Dann ist da der Wunsch nach dem guten, einfachen Leben im Grünen. Nach der Ruhe und Übersichtlichkeit des kleineren Formats. Oft sicher nur Träumerei und Idealbild gestresster Städter:innen, ist das aber auch gelebte Realität, wie
- Vernetzung: Der digitale Wandel vereinfacht die Arbeit und Vernetzung zwischen beiden Sphären. So entstehen gerade bundesweit neue Formen des lokalen Zusammenarbeitens, in Coworking-Spaces oder ganz neu entstehenden Dorfgemeinschaften.
Wie sinnvoll ist es, sich den täglichen Verkehrsstau anzutun, wenn Möglichkeiten des mobilen Arbeitens im Coworking-Space oder im Homeoffice genauso praktikabel sind – und auch noch ökologischer? Diese Frage werden sich in Zukunft mehr Beschäftigte stellen – weil sie es können.
Arbeiten wird ortsunabhängiger, und das nicht nur in den Jobs der digitalen, kreativen Klasse. Coworking, Homeoffice und andere Arten des mobilen Arbeitens bieten branchenübergreifend die Möglichkeit, dort zu sein, wo man gerade sein möchte oder am meisten gebraucht wird. Wie das Stadt und Land verändert, wird sich zeigen. Doch die Chancen sind offensichtlich: Profitieren können Gründer:innen ebenso wie Beschäftigte in etablierten Unternehmen, Behörden, Versicherungen und Verwaltungen.
Das Zukunftsinstitut beschreibt Coworking als einen Megatrend unserer Zeit. In seiner Studie
Das Beste aus beiden Welten zu verbinden, wird eine zentrale Aufgabe dieses Jahrzehnts sein – und ein tiefes Anliegen vieler Menschen, die an beiden Orten gut aufgehoben sind.
Die XXL-Generation als Gamechanger
von Juliane MetzkerDie Jahrzehnte der politischen Stagnation sind vorbei. Langsam beginnen die Systeme, die vor 100 Jahren von den
Mit dem Vormarsch sozialer Medien als eine Art Informationsrevolution verlieren regionale Regime an Deutungshoheit und Unterstützung. Denn sie sind unfähig, die für die Jugend wichtigen Themen zu adressieren. Dazu gehören die weltweit höchste Arbeitslosenrate unter jungen
Die Repressionen von staatlicher Seite in aktuellen Protesten im Irak oder dem Libanon sind einmal mehr brutaler Ausdruck für diese Unfähigkeit.
Es ist mehr als offensichtlich, dass es so in der Region nicht weitergehen kann. Denn von der chaotischen Situation der letzten 10 Jahre haben vor allem religiös-fundamentalistische Kräfte wie der Islamische Staat profitiert. Nicht nur deshalb wünschen sich junge Araber:innen laut einer repräsentativen Umfrage eine Reformierung religiöser Institute hin zu einem aufgeklärteren Islam und weniger politischer
Doch um die neuen arabischen Visionär:innen ausreichend zu unterstützen, müssen auch Europa und die USA ihre Politik überdenken. Die hat in der Vergangenheit nämlich eher die Machthaber als das Volk bestätigt.
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily