Dresdner Verein will ein Flugzeug chartern, um Geflüchtete in Sicherheit zu bringen
Wie evakuieren wir Schutzbedürftige in Europas größtem Flüchtlingslager, bevor das Virus kommt? Ein Gutachten und freiwillige Helfer:innen zeigen neue Wege.
Toilettenpapier, Desinfektionsmittel und Spaghetti bunkern – Hamsterkäufe können sich die Zehntausenden Geflüchteten auf den griechischen Inseln nicht leisten. Auch die engen Zelte bieten keinen Schutz vor dem Coronavirus, das bereits weite Teile Europas lahmgelegt hat. Das sind 8-mal mehr als ursprünglich angedacht. Auf der Insel ist nun eine Griechin positiv auf Covid-19 getestet worden. Die Ärzte ohne Grenzen rufen zum Handeln auf,
In den Lagern bereitet man sich schon auf das Virus vor, und Geflüchtete nähen Doch nicht nur die nahende Epidemie, auch Gewalt inner- und außerhalb der Camps sowie Obdachlosigkeit setzen den Menschen psychisch und physisch zu. Erst gestern Die größte Hoffnung liegt nun darin, Schutzbedürftige wie Kranke und Kinder schnell zu evakuieren.
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darunter auch Deutschland, haben sich zu einer Aufnahme Doch zwischen solch einem Beschluss und der tatsächlichen Aufnahme können Monate vergehen. Zeit, die die Asylsuchenden nicht haben. Wie viel Eigeninitiative von Ehrenamtlichen, Kommunen und Bundesländern ist möglich, um die Evakuierung zu unterstützen?
Ein Flugzeug chartern
Ein Flugzeug, ca. 100 Sitzplätze, Kostenpunkt 55.000 Euro – der in Dresden gegründete Verein Mission Lifeline e. V. will Schon ein paar Tage nach dem Aufruf waren genug Spendengelder eingegangen, um ein Flugzeug zu chartern, das vornehmlich Frauen und Kinder von Lesbos nach Berlin bringen soll. Ein Erkundungsteam ist seit über einer Woche vor Ort und koordiniert mit lokalen Hilfsorganisationen, wer in den Flieger steigen könne.
Die Situation auf Lesbos ist viel schlimmer, als wir dachten. Die einzige Möglichkeit, die wir sehen, ist, die Menschen dort so schnell wie möglich rauszuholen.Axel Steier, Vorsitzender und Sprecher von Mission Lifeline e. V.
Am Telefon berichtet Axel Steier, Vereinsvorsitzender, wie fragil die Situation vor Ort ist. Immer wieder eskaliert der Streit um die Flüchtlingslager auf den Straßen zwischen Asylsuchenden, Einwohner:innen, Polizei und Rechtsradikalen, die teilweise aus anderen EU-Ländern eingereist sind. Sie bedrohen Helfer:innen und Journalist:innen,
Die Geflüchteten, die der Mission Lifeline e. V. aufnehmen will, gehören nicht per se zu »Wir hatten unseren Plan schon vor dem Beschluss veröffentlicht. Es gibt humanitäre Gründe, die Menschen da abzuholen. Und die sollten unabhängig von irgendwelchen Zahlenspielen gelten«, sagt Steier. Eine Liste mit Namen der Passagier:innen soll schnellstmöglich an das Bundesinnenministerium gehen. Der Verein ruft dazu auf, Abgeordneten, Prominenten und Bischöf:innen zu schreiben, Sollte die Evakuierung entgegen aller Erwartungen nicht erfolgen können, plant der Verein mit den
Ist die Mission erfolgreich, sollen weitere folgen, meint Steier. Er will aber auch anderen zeigen, wie es geht: »Unsere Initiative kann ein erster Schritt dahin sein, dass vielleicht Kommunen oder Bundesländer selbst entscheiden, ein Flugzeug für diesen Zweck zu chartern.«
Gutachten: Mehr Freiraum für Bundesländer
Doch eigenständige Maßnahmen zur Aufnahme von Geflüchteten scheiterten bisher an der notwendigen Zustimmung des Bundesinnenministeriums. Doch braucht es die wirklich? Ein jüngst veröffentlichtes Rechtsgutachten, das die Grünen in Auftrag gegeben hatten, sieht viel mehr Freiraum für Länder, unabhängig vom Bund schutzbedürftige Menschen aufzunehmen.
Ausgangspunkt dieses Spielraumes ist die im Grundgesetz verankerte Eigenstaatlichkeit der Bundesländer. Auch in außen- und europapolitischen sowie in humanitären Angelegenheiten verleiht sie den Ländern weitreichende Befugnisse, soweit das Grundgesetz ausnahmsweise nichts anderes bestimmt.Rechtsgutachten zu Länderkompetenzen bei der humanitären Aufnahme aus Griechenland, Kanzlei Redeker Sellner Dahs
Die Macher:innen des Gutachtens kommen aber zu dem Schluss, dass »das Einvernehmenserfordernis keineswegs dazu [diene], dem Bund zu ermöglichen, das weitgehende politische Ermessen der Länder durch eigene Maßgaben zu beschränken.«
Außerdem stehe die eigenständige Aufnahme von Bundesländern nicht gegen das europäische Unionsrecht oder gefährde diplomatische Beziehungen.
Auch Axel Steier von Mission Lifeline e. V. sieht die Eigeninitiative von Kommunen als einen wichtigen politischen Hebel. Dennoch bleibt für ihn die Aufnahme von Geflüchteten eine Aufgabe, die sich nur gemeinsam meistern lässt: »Ich finde auch wichtig, dass alle Kommunen Flüchtlinge aufnehmen. Nicht nur die, die wollen.«
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Juliane schlägt den journalistischen Bogen zu Südwestasien und Nordafrika. Sie studierte Islamwissenschaften und arbeitete als freie Journalistin im Libanon. Durch die Konfrontation mit außereuropäischen Perspektiven ist ihr zurück in Deutschland klar geworden: Zwischen Berlin und Beirut liegen gerade einmal 4.000 Kilometer. Das ist weniger Distanz als gedacht.