Der Alltag geht weiter: Was Taiwan gerade richtig macht
Unser Gastautor lebt derzeit in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans. Er erlebt und schildert ein Land, das gut auf die Pandemie vorbereitet war, effektiv reagiert hat – aber auch tief ins Leben seiner Bürger:innen eingreift.
Taipeh, Taiwan, 27. April 2020
Ich laufe über den Universitätscampus in der Nähe unseres Wohnortes und versuche die Gruppen von Studierenden zu meiden, die gerade in den Unterricht rennen. Nach dem Frühstück in »Omas Bäckerei« kann ich nicht widerstehen und kaufe noch einen Vanilleplunder für später. Ich nehme die U-Bahn zu Ikea auf der anderen Seite der Stadt, wo ich mich mit meiner Frau zum Mittagessen in einer Nudelbar treffe. Der Bus nach Hause ist voller Kinder, die von der Schule zurückkommen. Heute Abend treffen wir uns mit Freund:innen in einer nahe gelegenen Trattoria zum Abendessen – das Tiramisu dort ist besonders gut.
Eigentlich sollte ich in diesen Wochen in Berlin sein, um
Das Leben in Taiwan
Wenn wir mit Familie und Freund:innen sprechen, die zu Hause in Deutschland, Österreich und dem Vereinigten Königreich gefangen sind, fragen wir uns manchmal, ob wir auf mysteriöse Weise in ein Paralleluniversum versetzt wurden. Hier in Taiwan, wo wir gerade leben, hat die Regierung seit fast 4 Monaten mit dem Coronavirus zu kämpfen. Dennoch liegen bei 23 Millionen Menschen
In Europa ist nicht viel über Taiwan bekannt. Geografisch gesehen ist es eine 400 Kilometer lange und 150 Kilometer breite Insel, etwas mehr als 100 Kilometer vor der Küste Chinas, mit tropischen Wäldern, über 3.500 Metern hohen Berggipfeln und einer zerklüfteten Pazifikküste. Taiwan hat eine demokratisch gewählte Regierung und ist einer der wenigen Orte in Asien, wo
Der Lebensstandard hier ist mit dem in Nordeuropa vergleichbar.
Natürlich gibt es auch hier große politische Probleme,
Taiwan hat gute Voraussetzungen für den Kampf gegen Corona
Dann ist da das Virus, bei dessen Bekämpfung Taiwan die Welt anführt. Mit seinen engen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Verbindungen zum chinesischen Festland und dem stetigen Strom hin- und herreisender Menschen wäre zu erwarten gewesen, dass Taiwan von Covid-19 schwer getroffen würde.
Doch das Leben hier wird durch die aktuelle Situation kaum unbeeinflusst. Es gibt keine Ausgangsperre und abgesehen von der Schließung weniger Fitnessstudios, Bibliotheken und Nachtclubs ist kaum ein Unterschied im Leben der Menschen zu erkennen. Die Geschäfte sind nach wie vor gut ausgestattet, auch wenn die Auswahl an Toilettenpapiermarken etwas eingeschränkt ist. In der Liste der betroffenen Länder liegt Taiwan derzeit irgendwo zwischen Malta und Mali. Mit 1/4 der Anzahl der Fälle in Island – obwohl Taiwan eine 100-fach größere Bevölkerung hat.
Titelbild: Maxton - copyright