Eine Ostquote im Jahr 2020? Warum das sinnvoller wäre, als du denkst
Wie viele Ostdeutsche arbeiten in Spitzenpositionen auf Bundesebene? Die Antwort darauf ist ein Armutszeugnis – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung. Ein Plädoyer für eine Ostquote
Brauchen wir 30 Jahre nach der Wiedervereinigung eine Ostquote? Wer sich noch nie mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, dem wird das erst mal komisch vorkommen. Schließlich wird Deutschland von einer ostdeutschen Frau regiert, bis vor Kurzem war ein Ostdeutscher Bundespräsident. Warum sollte es bitte so etwas wie eine Quote brauchen? Doch der Schein trügt. Ebenso wenig wie Merkel die Chancengleichheit von Frauen verkörpert, kann ihre Wahl als Gleichstellung von Ost und West gewertet werden. Denn sie ist immer noch die Ausnahme von der Regel.
3 Fragen zur Gleichstellung von Ostdeutschen (Die Lösungen erfährst du am Ende des Quiz)
Eine Studie der Universität Leipzig im Auftrag des MDR ergab im Jahr 2016, dass nur
Zeit für die Ursachenforschung
Gründe für das Ungleichgewicht gibt es viele. Als nach der Wende die Führungspositionen neu besetzt wurden, bekamen oft Westdeutsche den Vortritt,
Trappe sieht noch eine andere Ursache für die Unterrepräsentation von Ostdeutschen: »Die Westdeutschen, die Anfang der 90er-Jahre in die Chefpositionen kamen, waren ausgesprochen junge Menschen, sie waren Anfang oder Mitte 30. Und das heißt, dass sie zu einem großen Teil noch heute in diesen Positionen sind.«
Auch die Abwanderungsbewegung Anfang der 90er-Jahre wirkt sich noch heute aus, meint die Soziologin. »Viele der Menschen, die Ostdeutschland damals verlassen haben, waren hoch qualifiziert.
Dazu gesellen sich die strukturelle sowie die finanzielle Benachteiligung. Wie ungleich das Vermögen in Deutschland verteilt ist, zeigt ein Blick auf die Konten der Deutschen. So haben Westdeutsche ein Bruttogeldvermögen von mehr als 63.100 Euro,
Müssen jetzt alle Elite werden?
Ostdeutsche tun sich also schwer, in die obersten Chefetagen zu rücken – aber ist das so schlimm? Es hat die letzten 30 Jahre doch auch ohne eine nennenswerte ostdeutsche Elite funktioniert. Warum muss sich das jetzt auf einmal ändern?
Weil die mangelnde Repräsentation massive Folgen hat: 1/3 der Ostdeutschen fühlt sich als Bürger:in zweiter Klasse. Das ergab eine
Welche Konsequenzen dieses Gefühl der Wertlosigkeit haben kann, zeigte sich bei der Bundestagswahl 2017.
Generell scheint in Ostdeutschland das Vertrauen in den Staat und in die Demokratie deutlich geringer als im Rest der Bundesrepublik. Nur 42% der Ostdeutschen meinen laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allenbach, dass die Demokratie in Deutschland die beste Staatsform ist –
Einige der Gründe für das mangelnde Vertrauen der Ostdeutschen in den Staat sind der Elitenaustausch in den 90er-Jahren und die fehlende Repräsentation, meint die Soziologin Trappe.
Könnte eine Ostquote daran etwas ändern?
Wie war das mit der Frauenquote?
Ein Blick auf die Frauenquote zeigt, dass Quoten wirken können. Als sich im Jahr 1979 die Grünen gründeten, legten sie fest, dass mindestens die Hälfte ihrer Mandate und Ämter von Frauen besetzt werden müssen. In den folgenden Jahren zogen SPD und Linke nach und auch die CDU führte eine abgeschwächte Form der Frauenquote ein.
In Westdeutschland befürworten weniger als 1/4 eine Ostquote.
Im letzten Jahr stimmte der Bundestag gegen eine Quote für Ostdeutsche in Bundesbehörden. Ein Fehler? Denn vielleicht wäre gerade sie die einzig richtige Strategie, um nicht nur Ostdeutschen den Willen zur Gleichberechtigung zu signalisieren, sondern auch dem wachsenden Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern effektiv entgegenzuwirken.
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily