Joe Biden kann beim Klimaschutz Geschichte schreiben
Wenn das demokratische Duo Biden-Harris im November die Wahl gewinnt, könnten die USA den Klimaschutz weltweit nach vorne bringen. Diese 3 Hürden müssen sie dafür noch nehmen.
Jetzt stehen Donald Trumps Herausforderer also auch offiziell fest: Im Herbst wird Joe Biden mit der Unterstützung der Kalifornierin Kamala Harris versuchen, die US-Wahl zu gewinnen und die Republikaner aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Was die Umfragen angeht, sieht es derzeit gut aus für das demokratische Duo:
Was genau würde das für den Klimaschutz in den USA und weltweit bedeuten?
Was feststeht: Der Kurs der USA ist für den weltweiten Klimaschutz auch 2020 von größter Bedeutung. China hat die USA inzwischen zwar als größter CO2-Emittent abgelöst und hinter sich gelassen.
Doch es gibt viele weitere Gründe, warum es ohne die USA schwer wird mit dem globalen Klimaschutz:
- In den USA wurden und werden viele notwendige Schlüsseltechnologien für den Klimaschutz entwickelt. (Man denke an Tesla oder den
- Dank seiner Internetkonzerne hat der Staat einen stärkeren kulturellen Einfluss auf uns als je zuvor. Facebook, Google und Co. können Technologien und Trends weltweit salonfähig machen (Und noch mal Tesla und der Beyond Burger …)
- Als
- Die USA haben als
Ob Joe Biden und Kamala Harris – vorausgesetzt, sie gewinnen die Wahl – die Chance nutzen, endlich echten Klimaschutz zu machen, und der Welt so Hoffnung auf eine gute Zukunft geben können? Dafür müssen sie vor und nach der Wahl 3 Hürden nehmen.
1. Hürde: Ein gutes Programm
Joe Biden und Kamala Harris gehören beide eher dem Establishment der demokratischen Partei an. Das, was in Medien oft als »radikaler« Klimaschutz bezeichnet wird, hatten anfangs eher andere im Angebot, etwa Bernie Sanders. Doch die enge und hitzige Vorwahl hat nun auch Biden nach links geschoben und ihm Ideen aufs Auge gedrückt, die ihm so wohl nicht selbst gekommen wären.
Die Frage ist: Hat er sie notgedrungen übernommen, um die Unterstützung progressiver Wähler:innen zu sichern, für die Klimaschutz von größter Priorität ist? Oder ist er selbst davon überzeugt, dass die Zeit der kleinen Schritte längst vorbei ist?
Die konkreten Maßnahmen auf der Wahlkampfseite lesen sich eher beliebig: Klimaneutralität bis 2050, mehr Investitionen in die Erforschung erneuerbarer Technologien, mehr grüne Jobs. Das findet man so auch im Nachhaltigkeitsbericht eines Öl- oder Kohlekonzerns.
Bemerkenswerter ist,
Deutlich konkreter wurde Biden im Juli, als er ankündigte, innerhalb der 4 Jahre seiner potenziellen ersten Amtszeit
Für die Ankündigung erntete Biden auch von jenen Kritiker:innen innerhalb der eigenen Reihen Lob, denen seine Politik eigentlich zu konservativ ist. Und die braucht er, will er im Herbst gewinnen: Diese vor allem jüngeren Wähler:innen, die lieber einen Kandidaten Sanders gesehen hätten, stehen ihm in den
Dass seine neuen Ankündigungen so gut auf die Bedürfnisse genau der Wähler:innen zugeschnitten sind, auf die es für ihn im November besonders ankommen wird, ist kein Zufall: In der Klima-Task-Force aus Bidens Wahlkampfteam wimmelt es von Aktivist:innen, die zuvor an Sanders Kampagne mitgearbeitet hatten. Allen voran die junge Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, das wohl bekannteste Gesicht der Green-New-Deal-Bewegung. Auch mit dabei ist Varshini Prakash, Mitgründerin der Klimagraswurzelbewegung des
Was Bidens Chancen, junge Klimaaktivist:innen auf seine Seite zu ziehen, zusätzlich erhöht: Er verbindet die technischen und wirtschaftlichen Aspekte explizit mit sozialen Fragen sowie dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Die Wahl von Kamala Harris als Vizepräsidentin, die vor allem in jüngster Zeit soziale Gerechtigkeit zu ihrem Thema gemacht hat und deren Eltern aus Jamaika und Indien stammen, unterstreicht das zusätzlich.
An guten Vorsätzen fehlt es also nicht.
Doch was passiert an dem Tag, an dem die beiden ins Weiße Haus einziehen? Das hängt auch davon ab, ob sie die nächsten beiden Hürden nehmen, denn ein guter Plan ist nicht alles. Aber ohne einen guten Plan ist alles nichts.
2. Hürde: Die richtigen Prioritäten
Die Liste mit Vorhaben und Wahlversprechen, mit denen US-Präsidenten in ihr erstes Amtsjahr starten, ist in der Regel lang. Doch die Vergangenheit zeigt: Oft reicht der politische Vertrauensvorschuss für genau eine große politische Tat. Denn während Jurist:innen monatelang an Gesetzestexten feilen, Politiker:innen mit der Gegenseite um Kompromisse und Eingeständnisse ringen, geht viel Zeit ins Land. Bei den Mid-term-Wahlen, die bereits 2 Jahre nach der Präsidentschaftswahl anstehen, werden Teile der Kongressabgeordneten neu gewählt; dabei gehen die nötigen Mehrheiten für die großen Würfe nicht selten wieder verloren.
Das beste Beispiel dafür ist Barack Obama und seine Gesundheitsreform Obamacare. Sie verschlang die kompletten ersten beiden Jahre seiner Amtszeit, in denen die Demokraten in beiden Kammern des Kongresses eine komfortable Mehrheit hatten. Klimaschutz, Infrastruktur, Sozialreformen – für all das gab es neben Obamacare erst keinen Platz. Und später keine Mehrheiten.
Für Biden und Harris heißt das: Meinen sie es ernst mit dem Klimaschutz und sollten sie so viel Glück haben, neben dem Weißen Haus auch im Senat und im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit zu erringen, kann es etwas werden. Dafür müssen sie den Klimaschutz aber zur Priorität Nummer 1 machen.
Unter »normalen« Umständen wäre das nicht garantiert, schließlich stehen mit den sozialen Unruhen der vergangenen Monate viele andere Fragen im Fokus, auf die ihre Wähler:innen nach 4 Jahren Trump endlich Antworten erwarten.
Doch ausgerechnet die Coronapandemie lässt dem nächsten Präsidenten wenig Spielraum, eigene Themen zu setzen. Es wird um Sofortmaßnahmen gehen, und dann um Hilfen für die Wirtschaft, die bestehende Jobs retten und neue erschaffen. Und genau dabei kommt der »Green New Deal« wieder ins Spiel, zu dem sich Biden bekannt hat. Er verknüpft ebendiese Wirtschaftshilfe mit der Klimafrage und sozialer Gerechtigkeit, und erhöht so die Chancen auf echten Klimaschutz.
3. Hürde: Den Überblick behalten
Gegen Ende seiner 8-jährigen Amtszeit musste Barack Obama kreativ werden. Die Mehrheit im Repräsentantenhaus war passé, die Republikaner machten absolute Opposition. Also nutzte er das letzte ihm verbliebene Werkzeug,
Das Problem daran: Mittlerweile hat
- Das Wahlsystem: Aufgrund des
- Wählerunterdrückung: Vor allem die Republikaner stecken viel Zeit und Geld in das Bemühen,
- Stimmlose Bürger: Im Regierungsbezirk der Hauptstadt Washington und im amerikanischen Außengebiet Puerto Rico leben in Summe über 4,5 Millionen Menschen, die der amerikanischen Regierung unterstehen –
District of Columbia (Washington, D.C.), ein Bundesstaat? Damit wir 2 weitere demokratische Senatoren und 5 weitere Kongressabgeordnete haben? Nein, danke. Das wird niemals passieren.
Während seine Konkurrenten aus der Vorwahl, also Bernie Sanders und Konsorten, sich für grundlegende Reformen im Wahlrecht stark machten,
In den Wochen und Monaten bis zur Wahl am 3. November werden Kamala Harris, Joe Biden und Millionen Menschen noch zittern: Wird die Wahl einmal mehr durch politische Tricks statt durch den Willen der Wähler:innen entschieden? Eine Erfahrung, die die Einstellung der beiden Kandidaten zur Wahlrechtsreform nochmals verändern könnte.
Wo stehen wir jetzt mit Harris und Biden beim Klimaschutz?
Bis ein Präsident Joe Biden den Füller in die Hand nimmt und seine Unterschrift unter ein weitreichendes Green-New-Deal-Gesetz setzt, sind noch einige Hürden zu nehmen. Er muss eine Wahl gewinnen, die durch die Coronapandemie und die Angriffe seiner politischen Gegner besonders schwer zu gewinnen ist. Er muss den Klimaschutz in einem Land, das so viele Probleme hat, ab Tag eins zur obersten Priorität erklären. Und er muss dafür sorgen, dass seine Arbeit Bestand hat.
Zugleich gibt es viel Grund zur Hoffnung: Dass ein US-Präsident mit einem so weitreichenden Klimaprogramm in den Wahlkampf zieht und gute Chancen hat, diesen zu gewinnen – davon hätten viele Klimaaktivist:innen bis vor Kurzem nicht zu träumen gewagt. Es ist auch das Ergebnis ihrer jahrelangen, unermüdlichen Arbeit, ohne die es der Green New Deal nicht in den Vorwahlkampf und letztlich in Bidens Wahlprogramm geschafft hätte.
Die Präsidentschaft von Donald Trump hat das Undenkbare denkbar gemacht hat – das ist den Amerikaner:innen und der Welt in den letzten 4 Jahren bewusst geworden. Für den Klimaschutz könnte das am Ende ein Glücksfall sein.
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