Wie eine kitschige Liebesgeschichte den Hass von Extremisten schürte
Heute bekommt der Premierminister Indiens Post von mir. Darin geht es um einen zensierten Werbespot, der Liebe und Frieden zwischen Religionen feiert – und um den Vergleich der aktuellen Situation in Indien mit Nazideutschland.
Religiöser Hass und Gewalt gegen Minderheiten sind in Indien ein großes gesellschaftliches Problem. Rund 80% der Bevölkerung gehören dem Hinduismus an, 15% sind Muslim:innen. Meist leben sie friedlich miteinander. Doch es gibt eine Riege nationalistischer Kräfte, die im Netz und im echten Leben gegen Menschen muslimischen Glaubens hetzen und das Land »bereinigen« wollen. Unsere Autorin ist außer sich, dass Narendra Modi, der Premierminister des Landes, einigen dieser Hassredner in sozialen Netzwerken folgt, und schreibt ihm einen Wutbrief.
Wir haben bereits Briefe aus dem Libanon, Jemen und Indien veröffentlicht. Dieses Format soll es dir leichter machen, komplexe Sachverhalte in anderen Ländern zu verstehen.
Sehr geehrter Herr Premierminister,
Namaste!
Ich möchte Ihnen zuerst eine Geschichte erzählen: Es war einmal eine Frau, die dem hinduistischen Glauben angehörte und einen Muslim zum Mann hatte. Sie war schwanger. Deshalb schmissen ihr die reichen Schwiegereltern eine pompöse Babyparty nach hinduistischer Tradition. Überrascht und gerührt rief die werdende Mutter ihrer muslimischen Schwiegermutter zu: »Aber diese Bräuche entsprechen nicht deinen Familientraditionen, Mutter!« Die Schwiegermutter antwortete: »Die Tochter glücklich zu machen, ist der Brauch jeder Familie.« Und sie feierten glücklich und zufrieden, bis sie der Hass traf. Was war passiert?
Titelbild: Perspective Daily - copyright