Wie wollen wir digital zusammenleben?
Menschen sind immer stärker auf das Internet angewiesen und bewegen sich so in einem Raum,
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat nun einen Lösungsvorschlag: Eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Denkschrift mit dem Namen »Freiheit digital«. Es ist die erste
seit 6 Jahren und die erste zum Thema Digitalisierung überhaupt.
und soll ein Grundlagentext für ein »freiheitliches und verantwortungsvolles Leben in der digitalen Gesellschaft« sein.
Dafür ziehen die Autor:innen die 10 Gebote aus der Bibel zurate und deuten jedes einzelne auf das digitale Zeitalter um. Und die »neuen« 10 Gebote dürften auch für Nicht-Kirchgänger:innen interessant sein.
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Das Internet gibt enormen Raum dafür, sich persönlich zu entfalten und auszudrücken. Doch diese Freiheit hat Grenzen – vor allem wenn sie die Freiheit anderer beschneiden will. Zur verantwortlichen Nutzung gehört laut EKD aber auch die kritische Auseinandersetzung mit Angeboten von Plattformen wie Amazon,
und Co., deren Quasi-Monopolstellungen ein Gefühl der Ohnmacht erzeugen können.
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Selbstdarstellung gehört zum Internet, vor allem auf den sozialen Medien, dazu. Es ist dabei verlockend, diese »Bilderwelten« mit echten Identitäten zu verwechseln – vor allem weil große Plattformen dies über ihr Angebot suggerieren und mit Algorithmen nachhelfen. So wird das im Netz Gezeigte schnell überbewertet und es bilden sich aufgrund einiger Fotos und Likes schnell Vorurteile. Hier braucht es laut EKD eine kritischere Distanz im Umgang mit der digitalen Identität – sowohl der eigenen als auch der von anderen.
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Das Internet ist keine andere abgetrennte Welt, in der Handlungen keine Konsequenzen haben, sondern ein besonderer Teil unserer Welt. Daher lässt sich auch dort alles finden, was das »echte Leben« lebenswert macht, etwa zwischenmenschliche Kontakte. Für die EKD bedeutet dies auch eine Suche danach, wie sich Religion im Netz leben lässt.
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Sonntags noch schnell die Arbeitsmails checken, beim Essen eine Nachricht von der Chefin lesen … gerade Smartphones und
verlocken dazu, ständig verfügbar zu sein – und am Ende noch mehr zu arbeiten. Hier sollte jede:r lernen, Zeiträume zu schaffen und zu verteidigen, in denen das Internet auch mal aus bleibt.
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Das Internet verbraucht Energie und die ist nicht umsonst.
Um auch kommenden Generationen gegenüber fair zu sein, sollten wir
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Das Internet ermöglicht neue Formen von Gewalt und sogar Krieg – von autonomen Waffensystemen bis zu Hacker:innenangriffen auf zivile Einrichtungen. So etwas solltest du kritisch sehen und nicht unterstützen. Die EKD denkt diese kritische Haltung aber noch weiter und fokussiert auf einen zunehmenden Überwachungsstaat, der über das Internet Freiheiten einschränkt und neue Gewalt ausübt.
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Das Internet ist voller Sex, von Pornografie bis zu Partnerschaftsbörsen. Und vieles davon lässt Liebe und Sexualität als etwas Flüchtiges und Unbeständiges aussehen und reproduziert unrealistische Vorstellungen. Das sollte jede:r reflektieren und einen eigenen positiven Zugang zur Sexualität finden, der auch alle Beteiligten schützt und respektiert.
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In Zeiten der Digitalisierung wird Arbeiten mobiler, flexibler, globaler und vernetzter. Dazu beherrschen große Plattformen weite Teile der digitalen Welt mit eigenen Regeln. Dies darf aber nicht auf Kosten von Arbeitnehmer:innen gehen. Auch Internet-Jobs von Youtuber:innen über Lieferando-Fahrer:innen bis zu
müssen unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen passieren. Auch wenn dieses Gebot eher als Orientierung für die Politik gedacht scheint, ist es zugleich eine Richtlinie für Nutzer:innen, solche Arbeitsbedingungen durch Konsum nicht zu unterstützen und sich auf die Seite der Ausgebeuteten zu stellen.
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Shitstorms, Hatespeech,
und Lagerbildung – nein, soziale Medien sind kein angenehmer Ort, sondern oft sehr emotional, wertend und anfeindend. Umso wichtiger ist es, dass wir alle einen Schritt zurücktreten und darüber nachdenken, wie wir
Respekt und Würde sollen hier laut EKD die leitenden Werte sein, auch und gerade dann, wenn es schwerfällt.
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Das Netz ist ein Ort voller Möglichkeiten, aber auch
Per Knopfdruck lässt sich nahezu alles kaufen, konsumieren, vereinnahmen. Und Angebote befeuern diese Sehnsüchte zusätzlich – die ganze Szene der Influencer:innen lebt quasi genau davon. Hier sollten wir alle eigene Grenzen setzen und innehalten, um nicht abhängig oder unglücklich zu werden.
Das könnte wirklich etwas werden
Die »10 Gebote für das Internet« können sich sehen lassen. Sie wirken nicht verkrampft religiös, sondern stimmig, logisch und angemessen. Während andere Religionsgemeinschaften rückwärtsgewandt über die richtige Auslegung von heiligen Texten streiten, demonstriert die Evangelische Kirche in Deutschland damit, dass sie im 21. Jahrhundert angekommen ist und die Herausforderungen der Digitalisierung für moderne Lebenswirklichkeiten versteht. Die Autor:innen schreiben:
Als Evangelische Kirche in Deutschland wollen wir dazu beitragen,
diese epochale kulturelle Entwicklung zu verstehen und dabei die ethischen und religiösen Aspekte zu formulieren, die damit verbunden sind.Heinrich Bedford-Strohm, Theologe und Vorsitzender des Rates der EKD
Mit dem Ergebnis der Denkschrift »Freiheit digital« ist dies ein Stück weit gelungen, auch wenn die Gebote weniger als ethische Richtlinien für das Handeln im Alltag, sondern mehr als philosophische Denkanstöße funktionieren. Manche sind etwas ausufernd in der Erklärung, vage in der Formulierung oder haben wenig Bezug zu den ursprünglichen 10 Geboten.
Was sie jedenfalls nicht abnehmen können oder wollen: die eigene Beschäftigung mit den Themen und Herausforderungen der digitalen Welt. Und die kann für alle Menschen mit Internetzugang produktiv sein, ganz gleich, wie es um das eigene Verhältnis zur Religion steht.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys: