Dein erstes Jahr zum halben Preis für weniger als 1 € pro Woche Jetzt Mitglied werden!

Haben Frauen und Männer das gleiche Gehirn?

Ein weibliches und männliches Gehirn gibt es nicht, sagt Hirnforscherin Gina Rippon. Und balanciert damit auf dem schmalen Grat zwischen Wissenschaft und Aktivismus.

6. Mai 2021  –  13 Minuten

»Jungen weinen nicht, weil sie stärker sind«, sagt eine 7-jährige Grundschülerin in der Die Sendung »No More Boys and Girls« der BBC auf YoutubeSendung »No More Boys and Girls« der BBC. Über einige Wochen hinweg begleiteten die Macher der Sendung eine britische Schulklasse und ermutigten die Kinder, ihre Rollenbilder infrage zu stellen. Denn wie Jungen und Mädchen zu sein haben, was sie können und was nicht, ist schon fest in den Köpfen der Kinder verankert. Und damit sind sie nicht allein.

Dass Männer und Frauen verschieden seien, weil sich ihre Gehirne grundlegend voneinander unterscheiden – diese Idee ist in der Öffentlichkeit weit verbreitet und findet sich sogar bei manchen Wissenschaftler:innen wieder. Der Autismusforscher Simon Baron-Cohen etwa beschrieb es in seinem Buch »The Essential Difference« so: Das Gehirn der Frau sei »für Empathie verkabelt« und Frauen seien dementsprechend besser darin, Kinder aufzuziehen und Alte zu pflegen. Männer dagegen verfügten häufiger über Gehirne, die für das »Verstehen von Systemen verkabelt« sind, und seien damit bessere Programmierer und Wissenschaftler, bauten Maschinen und handelten an der Börse.Baron-Cohen hat diese Idee zuerst in seinem 2003 erschienenen Buch »The Essential Difference« formuliert. Später entwickelte er daraus seine berühmte Empathizing-Systemizing-Theorie, der zufolge 5 Hirntypen existieren, die sich darin unterscheiden, wie gut das jeweilige Hirn in Empathie und Systemverstehen ist. Autistische Menschen, so Cohen, haben ein »extrem männliches Gehirn«, besonders gut in Systemverstehen, besonders schlecht in Empathie. Obwohl Baron-Cohen stets von Gehirnen spricht, ist die Theorie nicht auf Befunden aus dem Gehirn, sondern allein auf Fragebögen und Verhaltenstests begründet. Neuerdings vermeidet Baron-Cohen den Gebrauch der Begriffe »männliches« und »weibliches« Gehirn.