Ist Tempo 30 die einfachste Lösung für einen besseren Stadtverkehr?
Die Vereinten Nationen fordern weltweit Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften. Doch für nachhaltigeren Verkehr braucht es mehr. Spanien zeigt, wie es funktionieren könnte.
Wäre es nicht schön, wenn es ein einfaches Wundermittel gäbe, Städte sicherer, gesünder, grüner und insgesamt lebenswerter zu machen?
Glaubt man den Vereinten Nationen (UN), existiert eine solche Maßnahme schon längst – sie müsste nur noch flächendeckend eingesetzt werden. So stellten die UN ihre diesjährige
- Weniger schwere oder tödliche Unfälle: Bei niedrigeren Geschwindigkeiten ist das eigene Sichtfeld größer, sodass andere Verkehrsteilnehmer:innen nicht so leicht übersehen werden. Auch der Bremsweg verkürzt sich um ein Vielfaches. Kommt es doch zu einem Zusammenstoß zwischen Auto und Fußgänger, liegt die Wahrscheinlichkeit für schwere bis tödliche Verletzungen bei nur etwa 10% im Vergleich zu 85% bei 50 Kilometern pro Stunde.
- Gesündere Stadtbevölkerung: Tempo 30 führt sowohl direkt als auch indirekt zu mehr Gesundheit. Zum einen reduzieren sich dadurch Luft- und
- Flüssiger Verkehr: Durch ein niedrigeres Tempolimit sind Autofahrer nur unmerklich länger unterwegs – die Anzahl an Kreuzungen spielt bei der Fahrzeit eine weitaus bedeutendere Rolle. Dafür fließt der Verkehr flüssiger und kann sogar kleinere Staus verhindern.
- Gut für die Wirtschaft: Straßen mit Tempo 30 sind für Fußgänger und Radfahrer attraktiver, was sich auch
Während sich Diskussionen auf Bundesebene ähnlich wie beim Tempolimit auf Autobahnen seit Langem im Kreis drehen, nehmen einige Städte in Deutschland und anderen Teilen der Welt das Ganze einfach selbst in die Hand. Diese beiden Beispiele aus Spanien zeigen, was möglich ist – und wo die Grenzen liegen.
1. Tempo 30 als Regel, nicht als Ausnahme
In Deutschland steht flächendeckendem Tempo 30 nach wie vor die Straßenverkehrsordnung im Weg. Denn darin sind für geschlossene Ortschaften nun mal standardmäßig 50 Kilometer pro Stunde als Höchstgeschwindigkeit festgelegt. Möchte eine Stadtverwaltung an einer Hauptverkehrsstraße Tempo 30 ausweisen, muss sie das für jeden Einzelfall extra begründen – zum Beispiel mit höherer Verkehrssicherheit, Lärmschutz oder Luftreinhaltung – und ausschildern.
Städte, wie
Dass es mit entsprechendem politischen Willen kein Problem wäre, die Geschwindigkeitsbegrenzungen standardmäßig zu ändern, zeigte als erstes Land der Welt unlängst Spanien:
Von einer solchen Regelung ist Deutschland noch weit entfernt. Autos auszubremsen ist je nach Situation
2. »Superblocks« für weniger Verkehr und lebenswerte Straßen
Am Beispiel Barcelona zeigt sich jedoch auch, dass Tempo 30 allein nicht für einen zukunftsfähigen Verkehr und eine lebenswerte Stadt genügt. Ein Problem der dicht bebauten Millionenstadt: Auf eine Person kommen derzeit nicht einmal 7 Quadratmeter Grünfläche – die Weltgesundheitsorganisation
Fußgänger und Fahrradfahrer haben Vorrang
Um für mehr grün und weniger Lärm zu sorgen und die Straßen mit Leben zu füllen, muss der Verkehrsraum völlig neu aufgeteilt werden. Das heißt, weniger Fläche für Autos, mehr Fläche für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen. Deshalb entstehen in Barcelona als Teil eines größeren Maßnahmenpakets nach und nach sogenannte Superblocks (katalanisch: Superilles), für die jeweils bis zu 9 Häuserblocks zusammengefasst werden. Innerhalb des Blocks sind nur Autos von Anwohner:innen sowie Lieferverkehr zugelassen, maximal mit 10–20 Kilometern pro Stunde. Der restliche Verkehr wird außen herumgeführt.
Nach anfänglichen Kommunikationsschwierigkeiten der Stadtverwaltung und daraus entstandenem Widerstand der Bevölkerung
Besseres Leben statt besserer Verkehr
Die beiden Beispiele aus Spanien zeigen: Tempo 30 kann als Anfang für zukunftsfähige Städte dienen. Aber es sollte eben nur eine Maßnahme von vielen sein, die auf die jeweiligen Bedingungen vor Ort zugeschnitten sind. Verkehr muss noch vernetzter mit anderen Lebensbereichen gedacht werden. Vielleicht wäre es deshalb besser, die Frage im Titel dieses Artikels neu zu formulieren. Weg von: »Welche Maßnahme macht den Verkehr besser?« Hin zu: »Wie machen wir das Leben auf den Straßen in Städten und Dörfern generell besser? Wie gestalten wir öffentlichen Raum?«
Dieser Artikel ist Teil des journalistischen Projekts »Tu, was du für richtig hältst!«, das dir helfen soll, dein Verhalten mit deinen Idealen in Einklang zu bringen. Um mehr darüber zu erfahren und herauszufinden, wie groß die Lücke zwischen deinen Idealen und deinem Verhalten ist, klicke hier! Das Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Wuppertal Institut (WI) und wird gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Titelbild: Zvi Leve - CC BY-NC-ND 2.0