Wie du Risiken richtig einschätzt und bessere Entscheidungen triffst
Wie wahrscheinlich ist es, sich mit Corona zu infizieren? Wie sicher sind die Impfstoffe? Mögliche Gefahren richtig zu bewerten ist nicht nur in einer Pandemie wichtig. Was zeichnet Risikokompetenz aus und wie lässt sie sich verbessern?
In den letzten Monaten habe ich mir oft den Kopf darüber zerbrochen, was das Richtige ist. Besonders schwer war die Frage, wann ich meine Kinder nach der langen Zeit des Homeschoolings wieder in Schule und Kita schicken sollte. Uns daheim zu isolieren war die sicherste Option – aber gefährden wir damit nicht die soziale Entwicklung der Kleinen? Mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass meine Kinder den Umgang mit Gleichaltrigen brauchen und vermissen. Sowohl sicheres Homeschooling als auch Lernen mit Freunden brachten also auch Nachteile und sogar Risiken mit sich, die wir nur schwer einschätzen konnten.
Seit Beginn der Pandemie sind die meisten von uns mit solchen Fragen konfrontiert:
- Gehe ich trotz Ansteckungsrisiko ins Büro oder bleibe ich im Homeoffice und lege mich vielleicht sogar mit dem Chef an?
- Besuche ich die besonders gefährdeten Großeltern mit den Enkelkindern oder nehmen wir die soziale Isolation hin?
- Lasse ich mich impfen und nehme mögliche Impfreaktionen in Kauf oder warte ich noch ab und riskiere eine Infektion?
Entscheidungen wie diese können sehr belastend sein. Da uns die Pandemie wohl noch eine Weile begleiten wird, werden wir noch öfter mit solchen Abwägungen zu kämpfen haben. Die gute Nachricht: Es ist möglich, besser mit Risiken und Ungewissheiten umzugehen und auch unter unsicheren Bedingungen Entscheidungen zu treffen, denen wir vertrauen. Der Schlüssel dazu liegt in unserer Risikokompetenz. Und die können wir alle lernen.
Was bedeutet es, risikokompetent zu sein?
Risikokompetenz klingt danach, beim Pferderennen auf das richtige Pferd zu setzen oder zu wissen, in welche Aktie ich investieren muss, um reich zu werden. Aber das bedeutet es nicht. Bei den meisten Entscheidungen gibt es keine Wettquoten oder Aktienkurse, an denen wir Chancen und Risiken im Vorhinein ablesen können. Entscheidungen in unserem täglichen Leben sind unsicherer und die Auswirkungen unklarer. Genau das zu verstehen und zu akzeptieren, ist ein Teil von Risikokompetenz. Laut dem
Und genau das ist während der Pandemie eine wichtige Kernkompetenz geworden. Für viele Menschen glichen die letzten Monate einer emotionalen Achterbahnfahrt: Zwischen Hoffnung und Resignation lag dabei oft nur eine Meldung in den Nachrichten, welche die aktuelle Wahrnehmung der Situation und des Risikos veränderte. Hier kann Risikokompetenz helfen. Denn wenn wir verstehen, wodurch unsere Risikowahrnehmung beeinflusst wird, dann können wir auch neue Informationen, die auf uns einprasseln, besser bewerten und einordnen und überlegter mit Ungewissheiten umgehen.
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Alle 3 Aussagen beziehen sich auf die gleichen Zahlen einer Infografik zur Impfung mit AstraZeneca und geben dieselbe Statistik wieder. Aber sie suggerieren andere Schlüsse: Die ersten beiden Sätze deuten auf ein viel höheres Thromboserisiko für jüngere als für ältere Menschen hin. Eine Verdoppelung des Risikos und eine Steigerung um 100% erscheinen enorm. Der letzte Satz macht allerdings klar, dass es sich bei dem Anstieg in den jüngeren Altersgruppen tatsächlich nur um einen zusätzlichen Thrombosefall pro 100 000 Geimpfte handelt.
Diese 4 Faktoren beeinflussen unsere Risikowahrnehmung
Wie Menschen Risiken bewerten, hängt von vielen Faktoren ab. Unser Wissen über Statistik und Wahrscheinlichkeiten spielt eine Rolle, aber auch unsere Persönlichkeit und die Stimmung in unserem Umfeld. Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer beschreibt 4 Komponenten von Risikokompetenz, die im Kontext der Pandemie besonders wichtig sind.
- Statistisches Denken: Zentral für unser Einschätzen von Risiken ist es, Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten zu verstehen. Anders formuliert: Wer nicht weiß, wie ein Kennwert – etwa die Inzidenz – entsteht und berechnet wird, kann auch nur schwer einschätzen,
- Risikokommunikation: Wie wir Risiken wahrnehmen, wird auch davon beeinflusst, wie sie vermittelt werden. Je nachdem wie Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten dargestellt werden, können sie mehr oder weniger bedrohlich wirken.
Um irreführende Darstellungen zu vermeiden, gibt es mittlerweile umfassendeBeispiel: Aus einer Zunahme von einer auf 2 Personen in absoluten Zahlen macht die Beschreibung in relativen Zahlen eine Verdoppelung oder eine Steigerung um 100%.
- Psychologisches Wissen: Auch die Persönlichkeit und die Menschen, die uns umgeben, spielen bei der Risikokompetenz eine große Rolle. Wer generell risikoscheu ist, neigt dazu, Gefahren zu überschätzen. Wer risikofreudig ist, unterschätzt sie eher. Risikokompetent zu sein, heißt deshalb auch, die eigene Tendenz zu kennen und bei der Bewertung einer Situation einzubeziehen.
Außerdem bedeutet es mitzudenken, - Heuristisches Denken oder »Wenn unser Gehirn Abkürzungen nimmt«: Oft ist bei Entscheidungen die Informationslage zu komplex und unübersichtlich oder wir haben nicht die Zeit, um uns einen Überblick zu verschaffen. In diesen Fällen greift unser Gehirn auf sogenannte »Heuristiken« zurück. Vereinfacht gesagt sind das Faustregeln, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, wie etwa der Leitsatz: »Mache, was die Mehrheit macht.« Der Vorteil: Das sorgt dafür, dass wir selbst bei großer Unsicherheit handlungsfähig bleiben. Aber es liegt auch in der Natur von Faustregeln, dass sie sehr oberflächlich bleiben. Manchmal führen sie dazu, dass wir einseitig denken und voreingenommen sind. Diese negativen Auswirkungen von Heuristiken werden als Biases (englisch für Voreingenommenheit, Verzerrung) bezeichnet.
Wie risikobereit bist du? Damit du aber besser einschätzen kannst, wie risikofreudig oder -scheu du bist, kannst du hier deine Antworten mit denen der anderen PD-Leser:innen vergleichen und sehen, wie sie sich in verschiedenen Situationen verhalten würden.
Diese 3 Biases schaden deiner Risikokompetenz besonders
Um risikokompetenter zu werden, hilft es, sich die eigenen Abkürzungen klarzumachen, die das Gehirn üblicherweise nimmt. Diese 3 können unsere Wahrnehmung besonders trügen, wenn es um Risiken geht:
Wer am Nutzen der Coronaimpfung zweifelt, sucht insbesondere nach Meldungen, die diese Perspektive bestätigen und Negatives über die Impfung zutage fördern.
- Optimism Bias (unrealistischer Optimismus): Wir tendieren dazu anzunehmen, dass uns negative Dinge wie Krankheiten, Unfälle, Naturkatastrophen nicht so schnell widerfahren wie anderen Menschen. Dieser grundlegende Optimismus sorgt dafür, dass wir der Zukunft entspannter und motivierter entgegenblicken, er kann allerdings auch dazu führen, dass wir unvorsichtig werden.
Man darf sich von den Zahlen auch nicht verrückt machen lassen. Mit Corona infizieren sich nur die anderen, mir passiert das schon nicht. Ich passe ja auf.
Nach der ausführlichen Berichterstattung über die schweren Nebenwirkungen einiger Impfstoffe sind den meisten von uns diese oft sehr geringen Risiken überproportional präsent. Das kann dazu führen, dass die Impfbereitschaft sinkt.
Wer um diese Biases weiß, steigert damit schon seine Risikokompetenz. Doch für die Zukunft sollten wir uns nicht nur auf die Motivation Einzelner verlassen, risikokompetent zu werden. Statistisches Wissen und kritisches Denken sollten so früh wie möglich – am besten schon in der Grundschule – gefördert werden. Für die Herausforderungen und Ungewissheiten, die die kommenden Jahre mit sich bringen, wird die Fähigkeit, kritisch und reflektiert mit Risiken und Unsicherheiten umzugehen, vielleicht noch wichtiger sein als bisher.
Wie risikokompetent bist du, wenn es um Corona geht? Teste dich jetzt!
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Redakteur: Dirk Walbrühl
Titelbild: Loic Leray - CC0 1.0