So lernst du, richtig zu streiten
Gangs in Chicago, Bürgerkrieg in Kolumbien und eine zerstrittene jüdische Gemeinde in Brooklyn – die Journalistin und Autorin Amanda Ripley hat Konflikte auf der ganzen Welt studiert. Was sie dabei gelernt hat, kann auch dir im Alltag helfen.
Ob beim Streit mit dem Partner, einem erbitterten Zwist auf der Arbeit oder nach einer politischen Niederlage, die wir einfach nicht akzeptieren wollen – wenn Konflikt so richtig eskaliert, macht das etwas mit uns. Das Stresshormon Cortisol wird ausgeschüttet, der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller.
Passiert uns das andauernd oder immer wieder, schadet das unserer Gesundheit. Es kann sich auf das Immunsystem auswirken, unser Gedächtnis und die Konzentration negativ beeinflussen. Das ist die körperliche Seite.
Doch »High Conflict«, wie die Journalistin und Autorin Amanda Ripley diesen aufgeladenen Zustand nennt, ist auch eine Gefahr für die Gesellschaft als Ganzes. »High Conflict« lässt die Welt schwarz-weiß erscheinen, er macht blind für Nuancen; für die eigentlichen Konfliktgründe, die unter der Oberfläche schwelen. Er kann in Gewalt eskalieren und ganze Gesellschaften in Bürgerkriege stürzen. Ist es erst einmal so weit, gelingt es nur schwer, einen Ausweg zu finden.
Wer seine Lebensgeschichte kennt, würde niemals vermuten, dass ausgerechnet er in die Konfliktfalle tappen sollte.
Wie aus einem kleinen Streit ein erbitterter Grabenkampf wird
Seit den 70er-Jahren war Friedman als Anwalt tätig. Recht schnell merkte er, dass es eine Diskrepanz gab, eine Kluft zwischen der Art, wie er seinen Beruf ausübte und dem, was er eigentlich für richtig hielt. Ein befreundetes Paar, das sich scheiden lassen wollte, half ihm schließlich, den Ansatz zu finden, der ihm beruflich wie privat Erfüllung bringen sollte:
Das erschien Friedman zunächst kontraintuitiv. In seinem Job als Prozessanwalt ging es darum, zu gewinnen. Doch dann dämmerte ihm, dass es genau diese aggressive, konfrontative Art der Konfliktbearbeitung war, die ihn schon immer an seinem Beruf gestört hatte. Er stimmte zu. Und es stellte sich heraus: Gary Friedman war sehr gut darin, Menschen dazu zu bringen, einander zuzuhören und sich an das zu erinnern, was sie über den Konflikt hinaus verbindet.
Sein Freund Jay und seine Freundin Lorna wurden das erste von vielen Paaren, die Friedman aufsuchten und um Hilfe baten. Es blieb nicht bei Paaren; alle möglichen Konflikte landeten in den kommenden Jahren auf seinem Tisch: So vermittelte Friedman in den 90er-Jahren erfolgreich zwischen dem San Francisco Symphony Orchestra und dessen Management, nachdem das Orchester 67 Tage und 43 Konzerte lang für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt hatte.
Friedliche Konfliktlösung ist nun Friedmans Spezialität. Er hat Bücher darüber geschrieben und eine
In diesem Video erzählt Gary Friedman, wie er zum Konflikt-Experten wurde (englisch):
Weit gefehlt. Wie so viele vor ihm, erlitt auch er Schiffbruch. Im Jahr 2015 entschied sich Friedman, in seinem Wohnort Muir Beach an der kalifornischen Küste für einen politischen Posten zu kandidieren. Er wurde gewählt, doch das Ganze ging nicht gut aus. Die eigentlich harmonisch zusammenlebende Gemeinde verkrachte sich heillos in einem Streit über eine lange Zeit verschleppte Erhöhung der Wassergebühren, die Friedman meinte, nun schnellstmöglich durchsetzen zu müssen. War er einst ein geschätzter und beliebter Nachbar in seinem Heimatort, rollten die Leute bald mit den Augen, wenn sie seinen Namen hörten.
Friedman schaffte es nicht, das anzuwenden, was ihm bei seiner Arbeit als Mediator stets so gut gelang: den Konflikt als Ganzes zu betrachten, der ein genaues Hinhören erforderte, um die eigentlichen Sorgen der Beteiligten an die Oberfläche zu bringen und sie in einen Modus des gemeinsamen Konfliktlösens zu versetzen.
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily