Von einem, der auszog, um ihr Geschlecht zu leben
Stell dir vor, du kannst dich nicht entscheiden. Links oder rechts. Für manche Menschen bedeutet diese Frage mehr als die richtige Toilettentür.
Links ist die Figur mit Rock, rechts ohne. Die Blase drückt und du hast Angst, hinter der Tür jemandem zu begegnen, der denkt, du seist da »falsch«. Eigentlich weißt du selbst nicht so genau, wo du »richtig« bist.
Unvorstellbar? Für Trans-MenschenTrans-MenschenTrans*-Menschen können öffentliche Toiletten zum Ort der Ausgrenzung werden.
Die Gesellschaft scheint gespalten, wenn es um das Thema Transsexualität geht. Von einigen werden Trans-MenschenTrans-MenschenTrans*-Menschen als
Du glaubst, geschlechtliche Vielfalt sei nur ein Randthema? Irrtum …
Wahl zwischen 60 Geschlechtern
Du hast die Möglichkeit, diesen Text in
Nach dem Geschlecht gefragt, bietet Facebook bei der Anmeldung die Wahl zwischen
Das steht meist für »transsexuell« und meint Menschen, die
Unter »trans« fallen aber auch andere Begriffe wie Transgender oder Crossdresser. Transgender wollen keine Operation und leben einfach in der anderen Geschlechterrolle. Crossdresser kleiden sich wie das andere Geschlecht.
Nicht alle Trans-MenschenTrans-MenschenTrans*-Menschen sehen sich als Mann oder Frau – viele möchten sich keiner Kategorie zuordnen.
»Die meisten, denen ich von meinem Outing erzählt habe, haben mich sofort unterstützt – hatten aber keine Ahnung, was Trans-SeinTrans-SeinTrans*-Sein ist.« – Felicia
Felicia hat in ihrem Facebook-Account nicht »trans«, sondern »weiblich« ausgewählt. Geboren wurde sie in einem
Seit letztem Sommer reist sie von Universität zu Universität und gibt Workshops zum Thema Trans-SeinTrans-SeinTrans*-Sein. Sie möchte mehr Menschen wissen lassen, dass sie nicht die einzige ist. Die TeilnehmerTeilnehmerinnenTeilnehmer*innen können sie dabei alles fragen: Wie fühlt sich das an? Wie hat deine Familie reagiert?
Es hat sich immer angefühlt, als würde irgendetwas nicht stimmen. Ich spürte, dass etwas nicht ›richtig‹ war. Mit der Transition passen Körper und Geist dann plötzlich besser zusammen. Meine Familie hat zum Glück gut reagiert. Meine Mutter hatte zwar länger daran zu knabbern. Aber meine Tante ist lesbisch und meine Familie hatte sich darum schon mit einem ähnlichen Thema auseinandergesetzt.
Felicia ist gerade mitten im Prozess der Transition, also der Anpassung an das weibliche Geschlecht. Seit einem Jahr nimmt sie weibliche Hormone, die ihren Körper verändern. Das Östrogen lässt ihre Brüste wachsen und verringert ihre Körperbehaarung. Um das Testosteron zu unterdrücken, nimmt sie Anti-Androgene. Das Stimmtraining hat sie bereits hinter sich; einmal monatlich geht sie zur Bartentfernung. In etwa einem Jahr will sie sich einer
In ihrem Heimatdorf in Baden-Württemberg sei das anders.
(K)eine Gesellschaft für alle
In der 5.000-Seelengemeinde wird Felicia häufig angestarrt, besonders von älteren Menschen.
»Sind die Brüste echt? Darf ich die mal anfassen?«
Auch doofe Sprüche gehören dazu. Körperlich hat sie noch nie jemand angegriffen. Sie weiß auch, dass sie bisher Glück hatte, denn selbst in Berlin ist das nicht selbstverständlich. Trans-FreundeTrans-FreundinnenTrans-Freund*innen von ihr trauen sich selten in einem Kleid auf die Straße, in bestimmten Randbezirken der Hauptstadt sei es zu gefährlich. Im September wurde im Kleinen Tiergarten ein 33-jähriger Trans-MenschTrans-MenschTrans*-Mensch von 3 Jugendlichen
Die Zahlen sprechen für sich:
Vorurteile gegen geschlechtliche Vielfalt finden auch öffentlich statt, wenn bei der
Ich kann verstehen, dass man sich von diesem neuen Gedanken der geschlechtlichen Vielfalt bedroht fühlt. Viele haben sich nie gefragt: Abgesehen von deinem Körper und deiner sozialen Rolle – warum bist du ein Mann? Sie reagieren gestresst, weil sie keine Antwort haben.
Einschüchtern lässt sich Felicia davon nicht. Sie will ihre neue Identität offiziell machen, inklusive Namens- und Geschlechteränderung.
Auf dem Weg dahin muss sie einige staatliche Hürden meistern.
Gutachten, Hormontherapie und Amtsanträge
Seit 1981 erlaubt das deutsche Transsexuellen-Gesetz jedem, das Geschlecht und den Namen offiziell zu ändern.
Felicias Antrag geht an das zuständige Amtsgericht. Voraussetzung ist auch, dass sie mindestens 3 Jahre im neuen Geschlecht gelebt hat. 2 psychologische GutachterGutachterinnenGutachter*innen prüfen, ob sie sich sicher ist, im anderen Geschlecht leben zu wollen. Das Gutachten geht zurück zum Amtsgericht, in einer Gerichtsverhandlung fällt die Entscheidung, ob Name und Geschlecht geändert werden.
Mit ihrer Namens- und Personenstands-Änderung rechnet Felicia in 1–2 Jahren. In ihrer Berliner Wohnung stapeln sich Dokumente und Rechnungen. Je nach Anzahl der Sitzungen mit dem Psychologender Psychologindem/der Psycholog*in kann das Verfahren laut Felicia
Eine einfache Namensänderung kostet
Trotz dieser Hürden ist klar: Auch wenn Deutschland nicht SpitzenreiterSpitzenreiterinSpitzenreiter*in ist, sind die Regelungen bereits fortschrittlicher als anderswo.
Malta ist besonders progressiv
In Frankreich oder der Schweiz beispielsweise kann der Geschlechtseintrag nur mit
»Deutschland bewegt sich im europäischen Vergleich im Mittelfeld«, sagt Richard Köhler, stellvertretender Geschäftsführer von
Den Personenstand zu ändern, muss so einfach sein, wie einen Personalausweis zu beantragen oder das Nummernschild am Auto zu wechseln. Der Staat registriert den Fakt ›Geschlecht‹ nur, er hat nichts zu entscheiden. Vielleicht ist es vergleichbar mit dem Thema Religion: Der Staat nimmt Konfession maximal noch in die Datenlagen auf. Er würde sich jedoch nie anmaßen, darüber entscheiden zu können, wer welcher Religion angehört.
Als Best-Practice-Beispiel nennt er Malta, das wohl progressivste Land für Trans-RechteTrans-RechteTrans*-Rechte: Dort braucht es für die amtliche Geschlechtsänderung keine medizinischen Unterlagen – tatsächlich ist es sogar untersagt,
»Hierzulande fehlt einfach der politische Wille«, beschreibt Richard Köhler die Situation. Vielleicht nicht mehr lange: Auf eine Anfrage der Grünen antwortete die Bundesregierung, es sei ihr »bekannt, dass der Nachweis, seit mindestens 3 Jahren im Gegengeschlecht identifizierbar zu sein, im Alltag eine große Herausforderung für Trans-PersonenTrans-PersonenTrans*-Personen darstellt.« Das Bundesfamilienministerium gab daraufhin ein Gutachten zum »Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen« in Auftrag,
Neben einem unkomplizierteren Zugang zur Personenstands-Änderung gibt es andere Ideen, um die Situation von Trans-MenschenTrans-MenschenTrans*-Menschen zu vereinfachen.
Ist Trans-Sein eine Störung?
Dazu gehören diese 5:
- Die »3. Option«: Einige AktivistenAktivistinnenAktivist*innen fordern neben den beiden Standardoptionen »männlich« und »weiblich« eine
- Geschlechtsneutrale Toiletten: Einige Trans-MenschenTrans-MenschenTrans*-Menschen reduzieren ihre Flüssigkeitsaufnahme, um zum Beispiel am Arbeitsplatz nicht auf eine »falsche« Toilette gehen zu müssen, beschreibt Richard Köhler diese tägliche Herausforderung. Eine einfache Lösung kennen wir aus dem Schienenverkehr: Unisex-Toiletten – also Toiletten,
- Ende der Pathologisierung: Für Trans-MenschenTrans-MenschenTrans*-Menschen kann es verletzend sein, als krank oder gestört gesehen zu werden. Auf
Die Krankenkassen würden auch die Kosten für eine Transition übernehmen, wenn Transsexualität nicht mehr als Krankheit gelistet wäre. Die medizinische Behandlung ist schließlich nicht darauf ausgerichtet, das Trans-SeinTrans-SeinTrans*-Sein selbst zu kurieren, sondern den Leidensdruck zu lindern, der dadurch entstehen kann. Hormonbehandlungen und Operationen können unter anderem vor Depressionen schützen.
- Sichtbarkeit:
Ich denke, wir werden toleranter, wenn wir mehr verschiedene Geschichten hören. Das gilt nicht nur für den Trans-BereichTrans-BereichTrans*-Bereich. Wie überwinde ich die Angst vor meinem Nachbarn? Wie gehe ich mit der Sorge um, dass zu viele Ausländer nach Deutschland kommen? Indem ich den Menschen begegne und sie kennenlerne.
- Sensibilisierung in der Schule: Seit 2015 werden in der
Felicia ist nicht nur an Universitäten zu Gast, sondern gibt als Nebenverdienst GrundschülernGrundschülerinnenGrundschülern*innen Nachhilfe in Englisch. Manchmal kommt auch dort das Thema Trans-SeinTrans-SeinTrans*-Sein auf den Tisch. »Die SchülerSchülerinnenSchüler*innen werden dadurch nicht zu früh »sexualisiert«. Kinder sind die tolerantesten Menschen überhaupt. Da sitzt dann ein Zweitklässlereine Zweitklässlerineine*r Zweitklässler*in neben mir und fragt:
›Bist du ein Mann oder eine Frau?‹
›Eine Frau.‹
›Aber deine Stimme ist ein bisschen tief.‹
›Ja, das ist einfach so.‹
›Okay.‹
Danach sei das nie wieder Thema gewesen. »Bei Menschen, die Probleme mit dem Thema haben, wurde offenbar nicht früh genug angefangen, darüber zu sprechen«, sagt sie.
Ist das wirklich nötig, wenn Schätzungen gerade mal von
»Wir haben größere Probleme!«
Die genaue Anzahl ist nicht nur in Deutschland eine Dunkelziffer. Und manch einereineeine*r denkt sicher: Wir haben wirklich größere Probleme, als Steuergelder für neue Toilettenschilder zu veranschlagen.
Richard Köhler sieht einen größeren Zusammenhang hinter gesellschaftlichen Protesten gegen Trans-MenschenTrans-MenschenTrans*-Menschen und Streitbegriffen wie »Frühsexualisierung«. Sie stünden für eine Agenda, die nicht das Wohl der Kinder an erster Stelle platziere, sondern ein anderes Ziel verfolge: Diversität einschränken.
Vielleicht müssen wir die Geschlechterdebatte als Stellvertreterdiskussion sehen. Stellvertretend für die Frage: Was machen wir mit Menschen, die »anders« sind? Was machen wir, wenn wir uns selbst »anders« fühlen? Das betrifft Menschen, die im falschen Geschlecht geboren sind, die eine andere sexuelle Orientierung haben, aber auch
Mit Illustrationen von Michael Szyszka für Perspective Daily