Tankst du noch oder lädst du schon?
Heute hat fast jeder ein Handy, das war vor 20 Jahren noch anders. Manchmal kann technischer Wandel – entgegen den Prognosen – ganz schnell gehen. In 20 Jahren, sagen Wissenschaftler, fährt jeder Zweite von uns ein Elektroauto.
Dies ist Teil 2 des Textes: Warum der Patient Auto ein neues Herz braucht
Anfang der 1980er-Jahre fragte das größte amerikanische Telekommunikations-Unternehmen AT&T: Wie viele Menschen werden im Jahr 2000 ein Handy besitzen?
Die Prognose des bekannten
Die Geschwindigkeit, mit der wir neue Technologien nutzen, kann plötzlich sehr hoch sein. So auch beim Transport: Um die vorletzte Jahrhundertwende bestimmten Wagen mit 1 oder 2 Pferdestärken das Straßenbild, wie das Foto der 5th Avenue in New York am Ostermorgen im Jahr 1900 zeigt. (Findest du einen Wagen mit mehr als 2 Pferdestärken? Klick auf den Punkt unterm Bild für die Auflösung.)
13 Jahre später – wieder Ostern –
Die Chancen für eine ähnliche Entwicklung beim Elektroauto stehen gut. Eine neue Studie des britischen Thinktanks Carbon Tracker Initiative und des Imperial College London prognostiziert, dass schon im Jahre 2040 mehr als die Hälfte der weltweiten Autoflotte von
Das
Was spricht dafür, dass der Umbruch kurz bevorsteht?
Schon in den 1990er-Jahren bauten mehrere Hersteller moderne elektrische Autos. Doch die Industrie bezeichnete sie als einen
Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Unternehmen sich gegen die Vermarktung eines neuen Produktes sträubt, weil es das bisherige Geschäft möglicherweise schwächt.
Wie schädlich das jedoch langfristig sein kann, führte das Unternehmen Kodak vor: Es gehörte zu den ersten Herstellern digitaler Kameras, konzentrierte sein Marketing allerdings weiterhin auf analoge Kameras – da es durch die Entwicklung unser aller
Kannst du dich noch daran erinnern, wann du das letzte Mal Abzüge von Negativen entwickeln lassen hast? Der letzte »Kodak-Moment« stammt aus dem Jahr 2012 –
Wird das Elektroauto der »Kodak-Moment« für die Autoindustrie sein?
Besser spät als nie: General Motors hat Fehler erkannt
Egal ob Fortbewegungsmittel oder Kameras, neue Technologien können ab einem bestimmten »tipping point« (»Kipp-Punkt«) sehr schnell sehr erfolgreich werden. Dieser beginnt bei ca. 10%. Sprich: Wenn 10% der Bevölkerung ein Produkt nutzen, steigt der Verkauf rapide an, bis bei ca. 80% eine weitgehende Sättigung erreicht ist. Diese S-Kurve wird von Prognosen häufig unterschätzt.
Wie steht es um die Prognosen für Elektroautos? In der eingangs genannten Studie der Carbon Tracker Initiative wird die Möglichkeit einer »S-förmigen« Entwicklung berücksichtigt. Das Ergebnis: Bereits 2030 könnten knapp 130 Millionen Elektroautos weltweit über die Straßen rollen. Auch die
Schauen wir noch tiefer in die Glaskugel und werfen einen Blick ins Jahr 2040, sieht die Carbon Tracker Initiative über 1 Milliarde Elektroautos weltweit im Umlauf. Das entspräche einer wahren S-Kurve mit minimal 920 Millionen Verkäufen zwischen 2030 und 2040, also 92 Millionen jedes Jahr.
General Motors, das zuvor EV1s auf dem Schrottplatz aussortierte, hat bereits umgelenkt: 2009 bezeichnete der scheidende CEO Rick Wagoner die Entscheidung, Elektroautos in den 1990er-Jahren »abzuwürgen«,
Während vieles auf eine bevorstehende Disruption – also die Ablösung einer bestehenden Technologie durch eine neue – hindeutet, scheinen diese Zeichen in der EU bisher kaum wahrgenommen zu werden. Der Markt hat sich im gleichen Zeitraum kaum bewegt. Stattdessen wurde mit der steigenden Effizienz von Verbrennungsmotoren geworben;
Diese Bemühungen wurden durch die EU vorangetrieben: Bis 2050 sollten die
Auch bekannt als
Vielleicht kommt es auch beim Dieselskandal auf die Perspektive an.
Dieselskandal als Geschenk für die Autowende?
Im Rückblick war der Skandal vielleicht ein wichtiges Wecksignal. 2015 galt Diesel tatsächlich noch als Hoffnungsträger für die Zukunft. So war Boschs Dieselforschung beispielsweise vom Deutschen Rat für Nachhaltigkeit für den Nachhaltigkeitspreis auf Bundesebene in der Kategorie Ressourceneffizienz nominiert:
»Die Zukunft des Antriebs ist emissionslos« – Daimler-Chef Dieter Zetsche
2016 klangen die Äußerungen aus den Chefetagen deutscher Autohersteller ganz anders: »Die Zukunft des Antriebs ist emissionslos«, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche im letzten Jahr. Gemeinsam mit seinem VW-Kollegen Matthias Müller kann er sich sogar vorstellen, dass die
So plant Volkswagen, ab dem Jahr 2025
Doch
Die für 2017 geplanten strengeren Abgastests der EU-Kommission erfolgreich zu verhindern, war Volkswagen in den Jahren 2014–2016 insgesamt 6,1 Millionen Euro wert. Auf den Plätzen 2 und 3 der Lobbyausgaben folgen Daimler mit ca. 5 Millionen und BMW
Das lohnt sich, weil die drohenden Strafen mit strengeren Richtlinien weitaus teurer wären. Deren Höhe könnten sich weltweit in Milliardenhöhe bewegen, wenn
Hinzu kommt, dass größere Benziner wie SUVs einen höheren Gewinn garantieren als die elektrischen Kollegen. Das ändert sich erst, wenn die Produktionskosten von Elektroautos sinken. Genau das
Hinzu kommen jedoch 2 weitere Hürden auf dem Weg zur elektrischen Zukunft.
Unter Zugzwang
An der Kostensenkung arbeiten viele Unternehmen, allen voran Tesla mit dem Bau seiner
Außerdem braucht es eine entsprechende Infrastruktur an Ladestationen, die auch einem erhöhten Andrang an der Autobahn-Tanke standhält.
Dass die Zukunft des Transports aber emissionslos sein wird, steht fest, und damit ist der Druck hoch, diese Hürden zu überwinden. Mindestens 4 Entwicklungen lassen der deutschen Autoindustrie wenig Spielraum für die Zukunft, wenn es um Elektroautos geht:
- drohende
- die mögliche Einführung von Quoten für den Verkauf von Autos mit Verbrennungs- und Elektromotoren
- stärkere Klimamaßnahmen wie
- die Konkurrenz aus dem Silicon Valley und andere Neueinsteiger sorgen für alternative Fortbewegung
Wenn Deutschland »Autoland« bleiben will, kann es diese Entwicklungen nicht ignorieren oder mit ausreichend großer Lobbyarbeit umfahren.
Selbst in der Berechnung der Carbon Tracker Initiative gibt es im Jahr 2040 immerhin noch 430 Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren auf der Straße. Die werden mit alternativem Sprit aus
Es kommen also spannende Zeiten auf uns zu: Neben Autoherstellern und Technologieunternehmen wird sich
Wir als Konsumenten und unsere (von uns gewählten!) Gesetzgeber tragen Verantwortung: Wenn wir alle mit dem SUV zum Bäcker kurven und der CO2-Ausstoß keinen anständigen Preis erhält, wird das Elektroauto (erneut) zum »kommerziellen Misserfolg«. Gemeinsam mit der Industrie
Titelbild: NiePhotography - CC BY-SA 3.0