3 Ideen, wie Auszeiten im Leben zur Regel werden
Vorübergehend aus dem Job auszusteigen, kann uns helfen, neue Kraft zu schöpfen, uns weiterzubilden und andere Prioritäten zu setzen. Noch sind Pausen im Lebenslauf eine Ausnahme. Doch das muss nicht so bleiben.
Die Pandemie fühlt sich manchmal an wie eine lange, unerwünschte Pause. Sie trennt uns vom längst vergangenen Leben davor. Das Leben danach ist nicht in Sicht. Anfang 2022 geht die Coronakrise in ihr drittes Jahr. Die noch immer heruntergefahrene Gesellschaft ist erschöpft – und alles andere als im Pausenmodus: Viele Berufsgruppen arbeiten am Limit, Eltern sind ausgebrannt, den Kindern wird weiterhin viel zugemutet. Wer allein lebt, braucht viel Durchhaltevermögen, um ein halbwegs
Für rund die Hälfte aller Beschäftigten hat der Stress am Arbeitsplatz zugenommen, wie der
Viele Beschäftigte befürchten Nachteile im Job, wenn sie eine Auszeit nehmen.
Um sich zu regenerieren und etwas Neues zu beginnen, braucht es Zeit; am besten mehr als ein Wochenende oder ein paar Tage Urlaub. Eine echte Auszeit vom Beruf muss aber gut geplant und finanziell abgesichert werden. Laut einer
Wie der Plan einer kurzen oder auch längeren Auszeit aufgeht, welche Modelle in Zukunft größere Bedeutung gewinnen könnten und wann eine Pause von der Arbeit wirklich das Richtige ist, erfährst du in diesem Text.
1. Ein Teilzeitmodell, das Platz für Pausen lässt
Es gibt viele Gründe, eine Auszeit zu nehmen. Als Axel Mengewein entschied, beruflich kürzerzutreten, gab es mehrere Impulse, die für eine Pause sprachen. Er wollte sich weiterbilden, sich um seine Mutter kümmern, aber auch lang gehegte Träume verwirklichen: eine Weltreise machen, ein Buch schreiben und endlich den schwarzen Gürtel in Taekwondo erlangen. Um all das zu erreichen,
Für die Weiterbildung wechselte Mengewein in eine 4-Tage-Woche. Später baute er sich ein Teilzeitmodell, das regelmäßig feste Auszeiten vom Job vorsah. 2 Wochen Vollzeit, dann 2 Wochen frei. Oder 3 Wochen arbeiten, dann 1 Woche frei. Das sei sein Lieblingsmodell: »Der Monat hat 30 Tage, man arbeitet aber nur an 15 Tagen.
Der Trick bestehe darin, trotz Reduzierung für eine längere Phase in Vollzeit zu arbeiten und so Zeit anzusammeln. Die Überstunden fließen in ein Zeitkonto, das später eingelöst werden kann, um eine längere Auszeit zu nehmen. Kombiniert mit dem gesamten Urlaub eines Jahres oder 2 aneinandergefügten Jahresurlauben, ist damit eine Auszeit von 5–6 Monaten möglich. Eine deutliche Stundenreduktion mit harten Einschnitten beim Gehalt sei dafür gar nicht notwendig, sagt Mengewein. Schon mit einer Stelle im Umfang von 80 oder 90% ließen sich Auszeiten ansparen.
Wichtig sei dabei eine frühzeitige und vorausschauende Planung sowie gute Kommunikation mit dem Arbeitgeber. Dann könnten sogar beide Seiten von dem Teilzeitmodell profitieren, sagt er. Mitarbeitende seien motivierter, die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit werde begünstigt. Früher hätten Beschäftigte teure Kuren beantragen müssen, um sich mal für einige Wochen um sich selbst kümmern zu können. Heute wüssten viele Chefs, dass sie nicht mehr drumherum kämen, ihren Angestellten flexible Arbeitsmodelle anzubieten.
Sobald man Teilzeit macht, leistet man freiwillig keine unbezahlten Überstunden mehr, weil sowohl die Personalabteilung als auch man selbst auf die reduzierten Wochenarbeitsstunden achtet. In Vollzeit plus Überstunden mit ständiger Erreichbarkeit fehlt einem doch meist Zeit für fast alles. In meinen Freiwochen kann ich mich um die Dinge kümmern, die mir wichtig erscheinen.
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Für die Mitarbeiterin ist von Vorteil, dass mit rund 90% der Bezüge die Kosten für die Reise hinreichend gedeckt sind und die Erholungs- und Erlebniswirkung maximiert wird. Der lange Vorlauf kann die Planung einer Weltreise vereinfachen, so kann man hier Frühbucherrabatte und günstige Reisetickets ergattern.
Der Trick bei den Teilzeitmodellen besteht darin, die durch die Reduzierung anfallende freie Zeit anzusammeln und sie dann am Stück abzufeiern. Wer aber zum Beispiel auf 50% reduziert und dann auf halbtags umsattelt, was bei einer Kinderbetreuung sinnvoll sein kann, kommt nur schwer in den Genuss eines Mini-Sabbaticals.
2. Kurzzeit-Sabbatical: Raus sein, wenn anderes wichtiger ist
Die Idee, gelegentliche Auszeiten ins Arbeitsleben zu integrieren, verfolgt auch die Soziologin Svenja Pfahl vom
Sabbaticals sind meist längere Auszeiten von mehreren Monaten oder einem ganzen Jahr. Nach einer
Dass niedrigere Einkommensgruppen häufiger von der Möglichkeit eines Sabbaticals ausgeschlossen werden, zeigt auch Svenja Pfahl in ihrer im Jahr 2020 bei der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten
Sie schlägt vor, allen Beschäftigten die Möglichkeit zu gelegentlichen Auszeiten zu geben. Dazu sollten unterschiedliche Modelle mit einer Länge von 4 Wochen bis zu einem Jahr verbindlich geregelt werden – und zwar in Unternehmen, in Tarifverträgen und auf gesetzlicher Ebene.
Kurze berufliche Auszeiten sind ein ideales und bisher in Deutschland noch unterschätztes Instrument, um Beschäftigten zusätzliche freie Zeit zu verschaffen – dann, wenn sie sie brauchen. Etwa für persönliche Erholung, für Phasen mit besonderer Care-Arbeit, für eigene Weiterbildung oder einfach zur Entschleunigung im turbulenten Alltag.
Die Soziologin schlägt mehrere Varianten des Kurzzeit-Sabbaticals vor:
- Das Freie-Tage-Wahlmodell kann auf Betriebsebene geregelt werden. Zusätzlich zu den Urlaubstagen und ohne weitere Begründung können Beschäftigte dann Erholungsphasen von bis zu 20 Arbeitstagen einlegen. Für diese Zeiten werden entweder das Gehalt oder die jährlichen Sonderleistungen entsprechend reduziert. Beschäftigte entscheiden sich also für Zeit statt Geld.
- Kurzzeit-Sabbaticals können Beschäftigte nehmen, wenn sie für einen besonderen Anlass Zeit benötigen, etwa um eine Betreuung oder Pflege zu organisieren, an einem Hilfseinsatz teilzunehmen, sich sozial zu engagieren oder auch um die Zeit zu haben,
- Begründungsfreie Sabbaticals könnten auch auf gesetzlicher Ebene geregelt werden. Nach den Vorstellungen von Svenja Pfahl und den Co-Autor:innen der Böckler-Studie stünden dann allen Menschen 2–3 Auszeiten im Berufsleben von jeweils 6–12 Monaten zur Verfügung. Anspruch auf Lohnersatz bestehe dabei nicht. Vorstellbar sei aber ein staatlicher Zuschuss – eine Art
Svenja Pfahl glaubt, dass das Bedürfnis nach gelegentlichen Auszeiten weiter zunehmen wird und Beschäftigte entsprechende Angebote von ihrem Arbeitgeber erwarten. Damit die Auszeiten gelingen, seien aber mehrere Voraussetzungen entscheidend: klare Vereinbarungen zwischen Angestellten und Unternehmen, eine Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit, eine frühzeitige Ankündigung und Planung sowie die Bereitschaft der Unternehmen, Vertretungslösungen oder Neueinstellungen sicherzustellen.
3. Atmender Lebenslauf: Es gibt noch ein Leben neben der Arbeit
Die Möglichkeit, unbürokratisch und flexibel eine Pause einzulegen, kann eine große Entlastung sein. Es gibt aber auch Phasen, in denen Menschen eine längere Auszeit brauchen, weil das Privatleben sie stärker fordert: Elternzeiten nach der Geburt eines Kindes, Pflegezeiten für Angehörige, soziales Engagement, die Ausübung eines Ehrenamtes, Weiterbildung oder auch nach einer anstrengenden Lebensphase. Dann hat das Leben neben der Arbeit eine höhere Priorität als der Beruf.
Zwar gibt es bereits Angebote wie Elterngeld, Pflegegeld und Bildungsurlaub. Diese Angebote reichen aber entweder nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern, wie im Fall des
Ein atmender Lebenslauf schafft Raum für die Dinge, die wirklich wichtig sind.
Mit dem sogenannten Optionszeitenmodell, das eine Forschungsgruppe des Deutschen Jugendinstituts und der Universität Bremen entwickelt hat, sollen
Vor allem soll Care-Arbeit damit aufgewertet werden. Schließlich müssen Menschen nicht nur ihren Lebensunterhalt verdienen, sondern auch andere Menschen versorgen.
Selbstfürsorge ist auch Care-Arbeit
Das Optionszeitenmodell sieht vor, dass Menschen ein Zeitbudget von 9 Jahren erhalten, das sie während ihres Lebens einsetzen können, um Kinder und Pflegebedürftige zu betreuen, sich weiterzubilden oder für sich selbst zu sorgen. Die Idee ist: Wenn wir immer älter werden, dabei länger gesund bleiben und den Rentenbeginn immer weiter nach hinten verschieben, dann gibt es eigentlich auch mehr Zeit, die wir nutzen können – und zwar nicht nur für Erwerbsarbeit. So stehen beim Optionszeitenmodell etwa 6 Jahre für Sorgetätigkeiten zur Verfügung, also für Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder soziales Engagement. Für den Lohnersatz sorgt eine öffentliche Finanzierung.
Ein Beispiel: Wer ein Kind bekommt, erhält für dessen Betreuung ein Zeitbudget von 3 Jahren. Für jedes weitere Kind erhöht sich das Budget um ein Jahr. Wer 2 Kinder hat, ein Jahr lang für eine pflegebedürftige Person sorgt und sich außerdem ein Jahr lang sozial engagiert, schöpft das Care-Zeitbudget von 6 Jahren voll aus. Wer weniger Sorgearbeit leistet, verfügt über entsprechend weniger Jahre. Wer aber alleinerziehend ist oder mehrere Personen pflegen muss, erhält ein höheres Zeitbudget – und dann auch ein höheres Geldbudget.
Eine Auszeit muss keine Ausnahme sein.
Das Modell der atmenden Lebensläufe sieht daneben bis zu 2 Jahre für Weiterbildung vor. Finanziert wird das durch einen betriebs- und branchenübergreifenden Fonds, der nicht staatlich, sondern von der Wirtschaft getragen wird. Schließlich ist Weiterbildung kein Selbstzweck, sondern dient den Unternehmen.
Eine dritte Säule des Modells ist die Selbstsorge. Care-Zeit bedeutet nicht nur, dass man mehr für andere, sondern auch für sich selbst da sein kann. Jede:r verfügt über ein Budget von einem Jahr, das für eine persönliche Auszeit genutzt werden kann. Dieses Jahr ist eigenfinanziert. Doch weil die Auszeit im Optionszeitenmodell institutionalisiert wird, entfällt die Begründungspflicht den Arbeitgeber:innen gegenüber. Wenn alle Menschen ein Care-Zeitbudget haben, dann ist die Selfcare-Pause irgendwann
Die Zeitforscher:innen, die das Modell entwickelt haben, halten das nicht für eine Utopie, sondern für ein realistisches sozialpolitisches Konzept. Es orientiert sich grundsätzlich an den bestehenden Strukturen der Arbeitswelt, soll den Menschen aber eine selbstbestimmte Erwerbsbiografie ermöglichen. Daneben soll das Modell Zeit und damit Ressourcen und Freiraum schaffen, die Menschen für Sorgearbeit brauchen. Das Konzept ist also kein gesellschaftlicher Gegenentwurf, sondern eine aus Sicht der Forscher:innen notwendige Anpassung an veränderte Lebens- und Arbeitsrealitäten.
Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass das Konzept anschlussfähig bei den meisten großen Parteien ist, die schon ähnliche Konzepte entwickelt haben. Zum Teil haben sie Eingang in den Koalitionsvertrag der Ampel gefunden, wenn auch nur
Die verschiedenen Modelle zeigen: Auszeiten müssen keine Ausnahme sein. Sie können einen festen Platz im Leben finden. Weil es noch ein Leben neben der Arbeit gibt. Die Standardbiografie mit der starren Abfolge von Bildung, Beruf und Ruhestand ist eine Idee aus der Welt von gestern.
Mit Illustrationen von Aelfleda Clackson für Perspective Daily