Die Pandemie fühlt sich manchmal an wie eine lange, unerwünschte Pause. Sie trennt uns vom längst vergangenen Leben davor. Das Leben danach ist nicht in Sicht. Anfang 2022 geht die Coronakrise in ihr drittes Jahr. Die noch immer heruntergefahrene Gesellschaft ist erschöpft – und alles andere als im Pausenmodus: Viele Berufsgruppen arbeiten am Limit, Eltern sind ausgebrannt, den Kindern wird weiterhin viel zugemutet. Wer allein lebt, braucht viel Durchhaltevermögen, um ein halbwegs
aufrechtzuerhalten. Eine echte Pause, zur Erholung und Neuorientierung, wünschen sich jetzt viele Menschen.
Für rund die Hälfte aller Beschäftigten hat der Stress am Arbeitsplatz zugenommen, wie der
im Sommer 2021 zeigte. Eine aktuelle, repräsentative
zeigt, dass sich knapp die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland
Offenbar wünschen sich viele Menschen nicht nur das Ende der Pandemie, sondern wollen danach auch wesentliche Dinge in ihrem Leben verändern.
Viele Beschäftigte befürchten Nachteile im Job, wenn sie eine Auszeit nehmen.
Um sich zu regenerieren und etwas Neues zu beginnen, braucht es Zeit; am besten mehr als ein Wochenende oder ein paar Tage Urlaub. Eine echte Auszeit vom Beruf muss aber gut geplant und finanziell abgesichert werden. Laut einer
ist das Interesse an einer längeren Pause aktuell groß, aber auch mit Unsicherheiten verbunden: Finanzielle Sorgen, gefolgt von befürchteten Konflikten im Beruf gehören in der Umfrage zu den wichtigsten ungelösten Fragen, wenn es um die Planung eines sogenannten Sabbaticals geht.
Wie der Plan einer kurzen oder auch längeren Auszeit aufgeht, welche Modelle in Zukunft größere Bedeutung gewinnen könnten und wann eine Pause von der Arbeit wirklich das Richtige ist, erfährst du in diesem Text.
1. Ein Teilzeitmodell, das Platz für Pausen lässt
Es gibt viele Gründe, eine Auszeit zu nehmen. Als Axel Mengewein entschied, beruflich kürzerzutreten, gab es mehrere Impulse, die für eine Pause sprachen. Er wollte sich weiterbilden, sich um seine Mutter kümmern, aber auch lang gehegte Träume verwirklichen: eine Weltreise machen, ein Buch schreiben und endlich den schwarzen Gürtel in Taekwondo erlangen. Um all das zu erreichen,
mehr als 10 Jahre lang verschiedene Möglichkeiten der Teilzeit. »Teilzeit ist ein völlig legitimer Weg, sich Zeit für Dinge zu nehmen, die einem wichtig erscheinen. Wir müssen nur Teilzeit neu denken lernen und uns trauen, uns Zeit für uns selbst zu nehmen«, sagt er.
Für die Weiterbildung wechselte Mengewein in eine 4-Tage-Woche. Später baute er sich ein Teilzeitmodell, das regelmäßig feste Auszeiten vom Job vorsah. 2 Wochen Vollzeit, dann 2 Wochen frei. Oder 3 Wochen arbeiten, dann 1 Woche frei. Das sei sein Lieblingsmodell: »Der Monat hat 30 Tage, man arbeitet aber nur an 15 Tagen.
Der Trick bestehe darin, trotz Reduzierung für eine längere Phase in Vollzeit zu arbeiten und so Zeit anzusammeln. Die Überstunden fließen in ein Zeitkonto, das später eingelöst werden kann, um eine längere Auszeit zu nehmen. Kombiniert mit dem gesamten Urlaub eines Jahres oder 2 aneinandergefügten Jahresurlauben, ist damit eine Auszeit von 5–6 Monaten möglich. Eine deutliche Stundenreduktion mit harten Einschnitten beim Gehalt sei dafür gar nicht notwendig, sagt Mengewein. Schon mit einer Stelle im Umfang von 80 oder 90% ließen sich Auszeiten ansparen.
Wichtig sei dabei eine frühzeitige und vorausschauende Planung sowie gute Kommunikation mit dem Arbeitgeber. Dann könnten sogar beide Seiten von dem Teilzeitmodell profitieren, sagt er. Mitarbeitende seien motivierter, die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit werde begünstigt. Früher hätten Beschäftigte teure Kuren beantragen müssen, um sich mal für einige Wochen um sich selbst kümmern zu können. Heute wüssten viele Chefs, dass sie nicht mehr drumherum kämen, ihren Angestellten flexible Arbeitsmodelle anzubieten.
Sobald man Teilzeit macht, leistet man freiwillig keine unbezahlten Überstunden mehr, weil sowohl die Personalabteilung als auch man selbst auf die reduzierten Wochenarbeitsstunden achtet. In Vollzeit plus Überstunden mit ständiger Erreichbarkeit fehlt einem doch meist Zeit für fast alles. In meinen Freiwochen kann ich mich um die Dinge kümmern, die mir wichtig erscheinen.Axel Mengewein, Journalist und Autor des Buchs »Halbe Arbeit, ganzes Leben«
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Stefan Boes: Wie lässt sich mit einer Teilzeitregelung ein Modell entwickeln, das eine längere Auszeit von mehreren Wochen oder sogar Monaten ermöglicht?
Axel Mengewein: Ein gutes Teilzeitmodell ist die »2-Jahres-Teilzeit mit zehnprozentiger Reduzierung« oder auch als »Weltreise-Teilzeit« benennbar. Vorausgesetzt, es greift die Brückenteilzeit.
Dann haben Beschäftigte ein Recht auf Rückkehr in eine Vollzeitstelle. Aber was bedeutet Weltreise-Teilzeit genau?
Axel Mengewein: Man reduziert die Wochenarbeitszeit um 10% für 2 Jahre. Die dadurch gewonnene Reduzierung bündelt man zu Wochen. Feiert sie am Stück ab, kombiniert sie mit dem jeweiligen Jahresurlaub.
Wie könnte das konkret aussehen?
Axel Mengewein: Ich möchte es am Beispiel einer lieben Freundin verdeutlichen. Um ihre Weltreise zu ermöglichen, hatte sie sowohl ihren Jahresurlaub aus 2 Jahren als auch eine kleine Teilzeitregelung für einen begrenzten Zeitraum genutzt. Im ersten Jahr hat sie Vollzeit ihre 40 Stunden pro Woche gearbeitet. Und zwar bis zum Spätherbst. Dann den Jahresurlaub am Stück genommen. Dann Teilzeit bis zum Jahreswechsel. Dann wieder mit Teilzeit im Jahr 2 beginnend und den Jahresurlaub direkt im Anschluss an die Teilzeit. Vollzeit ab Frühling bis zum Jahresende im Jahr 2. Dann ging es »normal« weiter.
In der Regel darf man Urlaubstage nicht ins nächste Jahr übertragen.
Axel Mengewein: Ja, aber ein Aneinanderfügen zweier Jahresurlaube geht oft ganz gut. In manchen Jahren wirken sich die Feiertage auch noch günstig auf die Weltreise-Teilzeit aus. Wenn ich es grob überschlage, komme ich auf 5–6 Monate Auszeit.
Indem man jeweils etwa 6 Wochen Jahresurlaub aus 2 Jahren nutzt und je nach Arbeitsvertrag 8–12 Wochen freihat wegen des Teilzeitmodells.
Axel Mengewein: Genau. Damit kommt man schon recht weit und behält die Option auf Rückkehr in die Vollzeit, wenn man hierfür die Brückenteilzeit nutzen kann.
Das Recht auf Teilzeit ist gesetzlich festgeschrieben. Die Brückenteilzeit, also das Recht auf eine Rückkehr zur Vollzeit, gilt für größere Betriebe. Wie aber kann ich einen Arbeitgeber davon überzeugen, einem so ungewöhnlichen Modell wie der Weltreise-Teilzeit zuzustimmen?
Axel Mengewein: Dafür gilt: »Communication is the key«! Die Vorteile für den Arbeitgeber sollten überwiegen. Die Freundin zum Beispiel, von der ich sprach, nimmt ihren jeweiligen Jahresurlaub in den Wintermonaten und ist in der Sommerzeit und somit bei den großen Schulferien dienstbereit und entlastet so den Dienstplangestalter. Abgesehen von einer extrem motivierten Mitarbeiterin wird auch die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit begünstigt.
Für die Mitarbeiterin ist von Vorteil, dass mit rund 90% der Bezüge die Kosten für die Reise hinreichend gedeckt sind und die Erholungs- und Erlebniswirkung maximiert wird. Der lange Vorlauf kann die Planung einer Weltreise vereinfachen, so kann man hier Frühbucherrabatte und günstige Reisetickets ergattern.
Der Trick bei den Teilzeitmodellen besteht darin, die durch die Reduzierung anfallende freie Zeit anzusammeln und sie dann am Stück abzufeiern. Wer aber zum Beispiel auf 50% reduziert und dann auf halbtags umsattelt, was bei einer Kinderbetreuung sinnvoll sein kann, kommt nur schwer in den Genuss eines Mini-Sabbaticals.
Stundenreduzierung können sich nicht alle Beschäftigten leisten. Sie haben über 10 Jahre Teilzeit gearbeitet. Wie haben Sie das finanzielle Problem gelöst?
Axel Mengewein: Ich habe es über die Reduzierung meiner Ausgaben gelöst. Ich wurde Minimalist, habe meine Fixkosten auf rund 200 Euro im Monat reduziert und war Couchsurfer, ohne eigene Wohnung. Das ist nicht für jeden etwas, aber es geht wirklich. Dazu muss man natürlich seine Komfortzone verlassen. Das fordert Mut und auch Kraft, sich seinen alten Glaubenssätzen zu stellen wie: »Denk an die Rente«, »In deinem Alter muss man Vollzeit arbeiten« und »Für viel Geld muss man viel und hart arbeiten«. Es gibt immer andere Wege, die man gehen kann. Seine eigenen. Und nicht die, die man vielleicht von den Großeltern und Eltern, der Gesellschaft, Freunden, Familie vorgelebt oder gar aufgebürdet bekommt.
Welchen Rat geben Sie Beschäftigten, die in ein Teilzeitmodell einsteigen wollen?
Axel Mengewein: Mein Tipp: Brückenteilzeit einfach mal für 3 Jahre testen. Rund 80% statt Vollzeit sind ein praktikables und beliebtes Modell. Die frei gewordene Zeit ansparen und am Ende der 3 Jahre für die eigene Entwicklung und persönliches Wachstum nutzen. Wichtig ist, dass man die Zeit wirklich für sich nutzt.
Arbeiten Sie selbst zurzeit in Teilzeit?
Axel Mengewein: Tatsächlich arbeite ich gerade in einer Vollzeitphase und das völlig freiwillig. Das war mit meinem Arbeitgeber vereinbart. Ich wollte mir, was auch für viele Leser:innen Sinn machen könnte, die Rückkehroption in die Vollzeit erhalten. Sprich, wieder mein volles Gehalt beziehen dürfen. Warum sage ich das jetzt, als glühender Verfechter von Teilzeit-Freiheit? Weil niemand das Leben kontrollieren kann. Manchmal ändern sich in kürzester Zeit die Lebensumstände so stark und man ist vielleicht auf mehr Geld angewiesen. Wer hätte schon vor Corona gedacht, dass mobiles Arbeiten mal so verbreitet sein würde. Ich bin auch Team Sicherheit und freue mich, dass ich diese Optionen behalten habe. Nur erlaube ich mir, die Wochenarbeitszeit künftig auch wieder zu reduzieren.
2. Kurzzeit-Sabbatical: Raus sein, wenn anderes wichtiger ist
Die Idee, gelegentliche Auszeiten ins Arbeitsleben zu integrieren, verfolgt auch die Soziologin Svenja Pfahl vom
. Sie will dafür aber keine Teilzeitmodelle entsprechend anpassen, sondern ein Instrument in der Arbeitswelt etablieren, das sie »Kurzzeit-Sabbatical« nennt.
Sabbaticals sind meist längere Auszeiten von mehreren Monaten oder einem ganzen Jahr. Nach einer
aus dem Jahr 2017 werden Sabbaticals bisher nur in rund 20% der Unternehmen gefördert. Besonders häufig nehmen Besserverdienende eine längere Auszeit, wie die Studie zeigte.
, dass Sabbaticals häufig zu Einkommens- und Karrierenachteilen führen. Höherqualifizierte und Besserverdienende hätten bessere Chancen, ein Sabbatical zu realisieren, ohne Nachteile befürchten zu müssen. »Mit einem allgemeinen Rechtsanspruch würde diese Möglichkeit formal für alle Beschäftigten bestehen«, heißt es in der WZB-Studie. Bisher gibt es in Deutschland keinen gesetzlichen Anspruch auf ein (kurzes) Sabbatical.
Dass niedrigere Einkommensgruppen häufiger von der Möglichkeit eines Sabbaticals ausgeschlossen werden, zeigt auch Svenja Pfahl in ihrer im Jahr 2020 bei der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichten
. Demnach wird zum Beispiel Teilzeitkräften, befristet Beschäftigten, Auszubildenden und Angestellten mit geringerer Berufserfahrung häufiger die Möglichkeit einer Auszeit verwehrt. »Bisher hängt es in Deutschland stark vom einzelnen Unternehmen ab, ob sie dieses Arbeitszeitangebot für Beschäftigte anbieten und ob sie dem konkreten Antrag dann auch zustimmen«, sagt Svenja Pfahl.
Sie schlägt vor, allen Beschäftigten die Möglichkeit zu gelegentlichen Auszeiten zu geben. Dazu sollten unterschiedliche Modelle mit einer Länge von 4 Wochen bis zu einem Jahr verbindlich geregelt werden – und zwar in Unternehmen, in Tarifverträgen und auf gesetzlicher Ebene.
Kurze berufliche Auszeiten sind ein ideales und bisher in Deutschland noch unterschätztes Instrument, um Beschäftigten zusätzliche freie Zeit zu verschaffen – dann, wenn sie sie brauchen. Etwa für persönliche Erholung, für Phasen mit besonderer Care-Arbeit, für eigene Weiterbildung oder einfach zur Entschleunigung im turbulenten Alltag.Svenja Pfahl, Soziologin
Die Soziologin schlägt mehrere Varianten des Kurzzeit-Sabbaticals vor:
- Das Freie-Tage-Wahlmodell kann auf Betriebsebene geregelt werden. Zusätzlich zu den Urlaubstagen und ohne weitere Begründung können Beschäftigte dann Erholungsphasen von bis zu 20 Arbeitstagen einlegen. Für diese Zeiten werden entweder das Gehalt oder die jährlichen Sonderleistungen entsprechend reduziert. Beschäftigte entscheiden sich also für Zeit statt Geld.
- Kurzzeit-Sabbaticals können Beschäftigte nehmen, wenn sie für einen besonderen Anlass Zeit benötigen, etwa um eine Betreuung oder Pflege zu organisieren, an einem Hilfseinsatz teilzunehmen, sich sozial zu engagieren oder auch um die Zeit zu haben,
. Dieses kurze Sabbatical kann 1–12 Monate lang sein. Die Zeit dafür kann zuvor auf einem Zeitkonto angespart werden, etwa durch Überstunden oder auch jährliche Zeitgutschriften durch das Unternehmen. Auch eine vorübergehende Gehaltsreduzierung kann das Zeitkonto auffüllen.
- Begründungsfreie Sabbaticals könnten auch auf gesetzlicher Ebene geregelt werden. Nach den Vorstellungen von Svenja Pfahl und den Co-Autor:innen der Böckler-Studie stünden dann allen Menschen 2–3 Auszeiten im Berufsleben von jeweils 6–12 Monaten zur Verfügung. Anspruch auf Lohnersatz bestehe dabei nicht. Vorstellbar sei aber ein staatlicher Zuschuss – eine Art
für begrenzte Zeit.
Svenja Pfahl glaubt, dass das Bedürfnis nach gelegentlichen Auszeiten weiter zunehmen wird und Beschäftigte entsprechende Angebote von ihrem Arbeitgeber erwarten. Damit die Auszeiten gelingen, seien aber mehrere Voraussetzungen entscheidend: klare Vereinbarungen zwischen Angestellten und Unternehmen, eine Mindestdauer der Betriebszugehörigkeit, eine frühzeitige Ankündigung und Planung sowie die Bereitschaft der Unternehmen, Vertretungslösungen oder Neueinstellungen sicherzustellen.
3. Atmender Lebenslauf: Es gibt noch ein Leben neben der Arbeit
Die Möglichkeit, unbürokratisch und flexibel eine Pause einzulegen, kann eine große Entlastung sein. Es gibt aber auch Phasen, in denen Menschen eine längere Auszeit brauchen, weil das Privatleben sie stärker fordert: Elternzeiten nach der Geburt eines Kindes, Pflegezeiten für Angehörige, soziales Engagement, die Ausübung eines Ehrenamtes, Weiterbildung oder auch nach einer anstrengenden Lebensphase. Dann hat das Leben neben der Arbeit eine höhere Priorität als der Beruf.
Zwar gibt es bereits Angebote wie Elterngeld, Pflegegeld und Bildungsurlaub. Diese Angebote reichen aber entweder nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern, wie im Fall des
Oder sie sind mit Vorbehalten und Nachteilen im Berufsleben verbunden. Etwa dann, wenn Eltern, häufig Mütter,
.
hält die
Bezahlter Bildungsurlaub wird Festangestellten in den meisten Bundesländern zwar rechtlich zugesichert. Doch eine echte Auszeit zur Weiterbildung ist das nicht: Der Anspruch beträgt in der Regel nur 5 Tage.
Ein atmender Lebenslauf schafft Raum für die Dinge, die wirklich wichtig sind.
Mit dem sogenannten Optionszeitenmodell, das eine Forschungsgruppe des Deutschen Jugendinstituts und der Universität Bremen entwickelt hat, sollen
. Die Wissenschaftler:innen sprechen auch von einem
. Während Teilzeitmodelle und kurze Sabbaticals eher die Ausnahme von der Regel der permanenten Erwerbsarbeit darstellen, steht das Optionszeitenmodell für ein anderes soziales Leitbild.
Vor allem soll Care-Arbeit damit aufgewertet werden. Schließlich müssen Menschen nicht nur ihren Lebensunterhalt verdienen, sondern auch andere Menschen versorgen.
. Daneben sollen auch Phasen für soziales Engagement, Weiterbildung und Selbstfürsorge mehr Raum im Leben bekommen. In einem atmenden Lebenslauf ist
.
Selbstfürsorge ist auch Care-Arbeit
Das Optionszeitenmodell sieht vor, dass Menschen ein Zeitbudget von 9 Jahren erhalten, das sie während ihres Lebens einsetzen können, um Kinder und Pflegebedürftige zu betreuen, sich weiterzubilden oder für sich selbst zu sorgen. Die Idee ist: Wenn wir immer älter werden, dabei länger gesund bleiben und den Rentenbeginn immer weiter nach hinten verschieben, dann gibt es eigentlich auch mehr Zeit, die wir nutzen können – und zwar nicht nur für Erwerbsarbeit. So stehen beim Optionszeitenmodell etwa 6 Jahre für Sorgetätigkeiten zur Verfügung, also für Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder soziales Engagement. Für den Lohnersatz sorgt eine öffentliche Finanzierung.
Ein Beispiel: Wer ein Kind bekommt, erhält für dessen Betreuung ein Zeitbudget von 3 Jahren. Für jedes weitere Kind erhöht sich das Budget um ein Jahr. Wer 2 Kinder hat, ein Jahr lang für eine pflegebedürftige Person sorgt und sich außerdem ein Jahr lang sozial engagiert, schöpft das Care-Zeitbudget von 6 Jahren voll aus. Wer weniger Sorgearbeit leistet, verfügt über entsprechend weniger Jahre. Wer aber alleinerziehend ist oder mehrere Personen pflegen muss, erhält ein höheres Zeitbudget – und dann auch ein höheres Geldbudget.
Eine Auszeit muss keine Ausnahme sein.
Das Modell der atmenden Lebensläufe sieht daneben bis zu 2 Jahre für Weiterbildung vor. Finanziert wird das durch einen betriebs- und branchenübergreifenden Fonds, der nicht staatlich, sondern von der Wirtschaft getragen wird. Schließlich ist Weiterbildung kein Selbstzweck, sondern dient den Unternehmen.
Eine dritte Säule des Modells ist die Selbstsorge. Care-Zeit bedeutet nicht nur, dass man mehr für andere, sondern auch für sich selbst da sein kann. Jede:r verfügt über ein Budget von einem Jahr, das für eine persönliche Auszeit genutzt werden kann. Dieses Jahr ist eigenfinanziert. Doch weil die Auszeit im Optionszeitenmodell institutionalisiert wird, entfällt die Begründungspflicht den Arbeitgeber:innen gegenüber. Wenn alle Menschen ein Care-Zeitbudget haben, dann ist die Selfcare-Pause irgendwann
Die Zeitforscher:innen, die das Modell entwickelt haben, halten das nicht für eine Utopie, sondern für ein realistisches sozialpolitisches Konzept. Es orientiert sich grundsätzlich an den bestehenden Strukturen der Arbeitswelt, soll den Menschen aber eine selbstbestimmte Erwerbsbiografie ermöglichen. Daneben soll das Modell Zeit und damit Ressourcen und Freiraum schaffen, die Menschen für Sorgearbeit brauchen. Das Konzept ist also kein gesellschaftlicher Gegenentwurf, sondern eine aus Sicht der Forscher:innen notwendige Anpassung an veränderte Lebens- und Arbeitsrealitäten.
Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass das Konzept anschlussfähig bei den meisten großen Parteien ist, die schon ähnliche Konzepte entwickelt haben. Zum Teil haben sie Eingang in den Koalitionsvertrag der Ampel gefunden, wenn auch nur
Die Einführung eines Optionszeitenmodells wird also eher ein längerer Gestaltungsprozess als ein plötzlicher Systemwechsel. Doch es ist ein Prozess, dem sich Politik und Wirtschaft nicht verschließen können.
Die verschiedenen Modelle zeigen: Auszeiten müssen keine Ausnahme sein. Sie können einen festen Platz im Leben finden. Weil es noch ein Leben neben der Arbeit gibt. Die Standardbiografie mit der starren Abfolge von Bildung, Beruf und Ruhestand ist eine Idee aus der Welt von gestern.