Mit dem Handy gegen illegale Abholzung
Betty Rubio Padilla lebt im peruanischen Regenwald und kämpft für den Erhalt ihrer Heimat. Mit einer neuen Technik ausgestattet könnten indigene Gemeinschaften 1/3 des Regenwaldes retten.
Betty Rubio Padilla zückt ihr Smartphone. Zum Vorschein kommt eine lachende Minnie Maus mit roter Schleife auf dem Kopf. Die Hülle schützt das Handy vor den Wassertropfen, die an der Seite des
Der Verdacht, den die Satellitenbilder vermuten ließen, hat sich bewahrheitet. Wo vorher üppiger Amazonas-Regenwald gestanden hat, wachsen nun Coca-Sträucher, die Quelle von Kokain. Wer sie angebaut hat, weiß Betty nicht und wird es wahrscheinlich auch nie herausfinden. Zu unzugänglich und dünn besiedelt ist der Wald. Die Täter:innen flüchten meist, bevor die Patrouille sie auf frischer Tat ertappen kann. Damit die Gesetzesbrecher:innen dennoch wissen, dass sie ihnen auf der Spur sind, schneiden Betty und ihr Team die Coca-Sträucher nieder und nageln ein handbemaltes Holzschild an die Bäume: »Wir schützen den Wald für unsere Kinder« steht darauf auf Spanisch und auf Kichwa.
Die beschriebene Szene stammt aus einem
Ein streng überwachter Regenwald hält die meisten Übeltäter fern
»Auch wenn wir nichts finden außer Baumstümpfen und leeren Lagern, sind die Streifgänge sehr wichtig«, erzählt mir Betty Rubio Padilla in einer Sprachnachricht über Whatsapp. Sie lebt zusammen mit ihren 6 Kindern und rund 40 anderen Familien in einer Kichwa-Gemeinde namens Puerto Arica im
Seit 4 Jahren benutzen Betty und die anderen Beobachtenden bereits
Denn erst wenn Bilder oder Aufnahmen von gerodeten Flächen oder illegal angebauten Coca-Sträuchern zusammen mit den geografischen Koordinaten dokumentiert sind, kümmert sich die Strafverfolgungsbehörde auch – und tritt den langen Weg von Iquitos in den Regenwald an.
»Einmal hatten wir die Staatsanwaltschaft, Polizei und Journalisten hier«, erinnert sich Betty. »Wir haben nichts gefunden, keine Holzstämme und keine Hinweise auf die Täter, aber es war ein wichtiger Präzedenzfall.« Er habe gezeigt, dass die Behörden nicht nur zuschauen dürften, sondern auch eingreifen müssten, wenn Beweise vorlägen. Deswegen und wegen der gezielten Patrouillen gebe es immer weniger illegale Aktivitäten in ihrem Waldgebiet, so Betty. Der Regenwald, den sie und die anderen
Die Technik hinter dem Überwachungssystem
Die Technologie für die strategische Überwachung eines so großen Stücks Regenwald stammt von der gemeinnützigen Organisation
Rainforest Foundation US arbeitet eng mit der Organisation zusammen und bringt den Einheimischen bei, wie sie das System und die Karten effektiv nutzen können. Ihr Ziel: Die indigene Bevölkerung soll mithilfe der Technologie ihr Land noch besser selbst schützen können und ihr eigenes Wissen mit in das System einbringen.
Der Ansatz von Rainforest Foundation US, die indigene Bevölkerung beim Naturschutz miteinzubeziehen, ist nicht selbstverständlich. Die indigene Bevölkerung wird oft nicht mitgedacht. Das war auch bei dem Plan der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2020 der Fall, dem zufolge knapp 1/3 der Erdoberfläche bis 2030 unter Naturschutz gestellt werden soll. Hier schreibt nsere Gastautorin Jenni Kuzu über die Schattenseite solcher Naturschutzprojekte:
Tatsächlich hat die Rainforest Foundation US den Erfolg ihres eigenen Programms namens Rainforest Alert durch eine von Expert:innen begleitete Studie beziffern können: Über 2 Jahre hinweg hat die Nichtregierungsorganisation mit 39 indigenen Gemeinden zusammengearbeitet und ihnen ihre Technologie und Beratung zur Verfügung gestellt. Die illegale Abholzung konnten die Menschen in den überwachten Gebieten um 52% reduzieren.
So könnten 1/3 des Amazonas-Regenwaldes vor illegaler Abholzung beschützt werden.
»Die Technologie ist in vielerlei Hinsicht ein Segen für uns«, sagt Betty. »Mir hat sie gezeigt, wie ich mit Beweisen Einfluss auf Behörden und verschiedene Institutionen nehmen kann.« Die Organisation steht den Einheimischen bei Bedarf auch mit rechtlicher Unterstützung und Lobbyarbeit zur Seite oder hilft mit Aufforstungsprojekten. Sie hofft nun, diese Erfolgsgeschichte in anderen Gebieten des Amazonas wiederholen zu können. Am liebsten wollen sie alle Landflächen im Amazonasbecken miteinbeziehen, die offiziell der indigenen Bevölkerung gehören. Das wäre ungefähr 1/3 des Regenwaldes.
Die erste Frau als Präsidentin des indigenen Verbandes
Als die Organisation zu Betty ins Dorf kam, wollte die Anfang 40-Jährige sofort mitmachen. Sie will das Land, das sie versorgt und von dem sie lebt, für ihre Kinder beschützen – wie schon ihre Eltern, Großeltern und Urgroßeltern vor ihr. Nach dem Erfolg der Kichwa-Gemeinde baten immer mehr Nachbargemeinden um Hilfe. So wurde die Überwacherin zur Ausbilderin und zur lokalen Stimme für den Schutz des Regenwaldes.
Heute ist Betty so bekannt, dass sie zur Präsidentin ihres indigenen Verbandes gewählt wurde, der die Gemeinden in den Flussgebieten des mittleren Napo und seiner Nebenflüsse Curaray und Arabela umfasst. Damit ist sie die
Während Satellitenbilder verschwindende Bäume dokumentieren können, werfen sie kein Licht darauf, was unter dem dichten Blätterdach geschieht. Die Flussufer im Amazonasgebiet sind reich an Mineralien, darunter Gold. Dieses gewinnen Bergleute illegal, indem sie das Edelmetall mithilfe von Quecksilber binden, das sie in Mischbehälter mit der goldhaltigen Erde schütten. Der Mix sammelt sich am Boden des Behälters, wo er aufgefangen und dann erhitzt wird. Das Quecksilber verdampft, zurück bleibt reines Gold. Boden, Wasser und Luft sind jedoch verseucht.
Solchen illegalen Bergbau zu unterbinden, ist auch Aufgabe der indigenen Kundschafter:innen. Sie kennen ihr Gebiet gut und wissen, welche Flussstellen sie absuchen müssen – eine gefährliche Aufgabe, weil sie mit dem Widerstand der Goldgräber:innen rechnen müssen. Solche und andere Anliegen und Gefahren, die leicht im Dickicht des Regenwaldes verborgen bleiben, führt Betty lokalen Behörden durch ihre Arbeit vor Augen.
Die Abholzung des Regenwaldes schreitet in einem raschen Tempo voran. Zum einen, weil das Amazonasgebiet nicht dicht besiedelt ist und solche kriminellen Aktivitäten zu spät entdeckt werden. Zum anderen, weil der politische Wille fehlt. Betty Rubio Padilla möchte den Behörden zeigen: Der Regenwald ist nicht isoliert, hier leben Menschen, die sich aktiv dafür einsetzen. Denn wenn sie mit Beweisen vor der Tür der Behörden steht, könnten diese sie nicht so leicht ignorieren.
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily