»Gewalt bringt uns nichts bei«
Wie viele Kriegsnews brauchen wir? Ronja von Wurmb-Seibel hat 2 Jahre als Reporterin in Afghanistan gelebt und liest heute gar keine Zeitungen mehr. Im Interview erklärt sie, wie wir informiert und handlungsfähig bleiben, ohne uns zu überfordern.
Ich beginne diesen Text mit einem Geständnis: Ich habe ein Problem mit meinem Nachrichtenkonsum. Als abhängigen »News-Junkie« würde ich mich nicht bezeichnen, Eilmeldungen haben mich über mein Handy noch nie erreicht, die großen Online-Nachrichtenportale besuche ich selten.
Allerdings tippe ich mehrmals täglich auf das kleine blaue Vogel-Symbol auf meinem Smartphone, das mich zum Kurznachrichtendienst Twitter bringt. Was mich dort erwartet: kurzlebige Analysen der russischen Kriegsführung, bissige Kommentare, flauschige Hunde, Bilder von bombardierten Städten. Eigentlich ein Wahnsinn.
Zöge man die Parallele zum
Dabei weiß ich doch, was es mit Menschen macht, wenn sie sich zu sehr von negativen Schlagzeilen mitreißen lassen: Sie verfallen in einen Zustand der »erlernten Hilflosigkeit«, der im schlimmsten Fall lähmt und handlungsunfähig macht.
Die Neurowissenschaftlerin und Perspective-Daily-Mitgründerin Maren Urner hat dieses Phänomen ausführlich in ihrem Buch »Schluss mit dem täglichen Weltuntergang« beschrieben. Lies hier einen Auszug daraus:
Wenn ohnehin schon alles schlecht ist: Warum sollten sich Menschen dann überhaupt noch für etwas einsetzen?
Dieser Gedanke stand hinter der Gründung von Perspective Daily im Jahr 2015. Wir wollen einen anderen Journalismus machen – einen, der nach Lösungen sucht,
Seitdem hat sich viel getan und auch andere Formate, Medien und Journalist:innen haben sich Konstruktiven Journalismus auf die Fahnen geschrieben.
Eine von ihnen ist Ronja von Wurmb-Seibel. Sie hat 2 Jahre in Afghanistan gelebt und dort laut eigener Aussage »umgeben von schlechten Nachrichten gelernt, Geschichten so zu erzählen, dass sie Mut machen«. Darüber hat sie jetzt ein Buch geschrieben. In »Wie wir die Welt sehen« geht es darum, wie Nachrichten uns prägen und welchen Einfluss jede einzelne Geschichte hat, die wir in unser Leben lassen. Ich habe Ronja angerufen und mich mit ihr über die Berichterstattung zur Ukraine, ihre Zeit in Afghanistan und unsere Privilegien unterhalten – und darüber, wie die Geschichte einer Räubertochter ihren persönlichen Werdegang beeinflusst hat.
Titelbild: Niklas Schenck - copyright