»Wir befinden uns in einem gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus«
Unterwegs mit der Karawane für das Leben: Wie sich deutsche Aktivist:innen mit der indigenen Bevölkerung in Mexiko gegen Wasserraub, Verschmutzung und Klimaungerechtigkeit stemmen.
Erst vor wenigen Tagen ist Robin in Mexiko-Stadt angekommen. Spanisch spricht sie nur ein bisschen. Nach einem Erste-Hilfe-Crashkurs geht es am 22. März, dem Weltwassertag, bereits los. Das Ziel an diesem Tag: Eine Abfüllanlage für Wasser der Firma Danone in der Kleinstadt Juan C. Bonilla im mexikanischen Bundesstaat Puebla. Etwa 100 Menschen haben sich auf den Weg gemacht, um vor der Fabrik zu demonstrieren.
Musiker:innen begleiten den Protestzug, Fahnen und Banner flattern zu den Klängen von Trompeten und Trommeln in der heißen Luft. Die Stimmung ist ausgelassen, wie bei einem Festival. Ab und zu bringt jemand Robin ein Glas kühlen Früchtetee, der die Mittagshitze erträglicher macht. Neben den Reden und Musikeinlagen tritt auch ein Clown auf, der die vielen Kinder vor Ort unterhält.
Am nächsten Tag unternimmt die Gruppe eine Tour durch die Nachbardörfer, um auch dort von der Wasserfabrik zu erzählen. Auf dem Anhänger eines Traktors sitzen sie auf Ballen aus getrockneten Maisblättern, auch einige ältere Frauen. Sie verteilen Flyer und recken die Fäuste immer wieder in die Luft, während ihre Kampfsprüche über Lautsprecher durch die Straßen hallen:
Wasser ist Menschenrecht – in der Theorie
Eigentlich ist Robin
Die Bewohner:innen von Juan C. Bonilla, Angehörige
Die Probleme, auf welche die Karawane an den einzelnen Orten aufmerksam machen will, sind sehr unterschiedlich und komplex. Es geht um eine Deponie, auf der riesige Müllberge eine dunkle, blubbernde Flüssigkeit absondern, die den Boden und das Grundwasser vergiftet. Um die Rechte von Straßenhändler:innen. Und immer wieder um Wasser: Denn internationale Konzerne pumpen so große Mengen davon aus dem Grund ab, dass
Im Jahr 2010 erkannten die Vereinten Nationen den Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht an, 2012 nahm Mexiko dieses Recht sogar in die landeseigene Verfassung auf. Trotzdem haben heute noch immer 10% der Bevölkerung gar keinen Zugang zu Trinkwasser – das sind schätzungsweise 12,5–15 Millionen Menschen. An sich ist Wasser in Mexiko ausreichend verfügbar, der durchschnittliche tägliche Pro-Kopf-Verbrauch ist sogar höher als in Deutschland.
Allerdings ist das Wasser sehr ungleich verteilt. Zwischen arm und reich, ländlichen und städtischen Regionen gibt es große Unterschiede. Doch auch in Mexiko-Stadt leben etwa 1,3 Millionen Menschen ohne direkten Trinkwasserzugang. Die Verschmutzung der Wasserreserven nimmt zu, der Grundwasserspiegel hingegen sinkt und sinkt. Expert:innen befürchten, dass die Hauptstadt in 40 Jahren
Das lohnende Geschäft mit dem Trinkwasser
Staatlich subventionierte Tankwagen, sogenannte Pipas, bringen das Wasser umständlich in Stadtteile, die
Die Konzerne rühmen sich damit,
Auch in Juan C. Bonilla hat Bonafont 29 Jahre lang mehr Grundwasser aus dem Boden geholt, als sich regenerieren konnte. Das Unternehmen förderte täglich 1,64 Millionen Liter Wasser und
Vor einem Jahr besetzte die lokale Widerstandsbewegung »Pueblos Unidos de la Región Cholulteca y de los volcanes« (auf Deutsch: Vereinte Völker der Region Cholulteka und der Vulkane) das Firmengelände. Sie versiegelten den Brunnen mit Zement, brachten die Wasserförderung zum Erliegen und errichteten ein Gemeindezentrum. Von dort organisierten sie für die Menschen aus der Region Projekte zu Themen wie Gesundheit, Frauenrechten und Gerechtigkeit.
In dieser kurzen Dokumentation erzählt die lokale Bevölkerung um Juan C. Bonillo davon, wie die Wasserfabrik ihre Felder austrocknete und wie die Natur nach der Besetzung wieder aufblühte. Das Video ist auf Spanisch mit englischen Untertiteln. Auf der Instagram-Website der Lützerather Delegation findest du eine Version mit deutschen Untertiteln.
Laut eigenen Angaben der Widerstandsbewegung seien die Wasserstände in den Brunnen wieder merklich gestiegen. Und obwohl das Gelände inzwischen
»Es ist dasselbe auf der ganzen Welt«
Was hier passiert, über 9.000 Kilometer von Deutschland entfernt, hat auch mit uns zu tun, meint Indigo, eine weitere Aktivistin der deutschen Delegation. Und erklärt damit auch, warum sie, Robin und die anderen den weiten Weg aus Lützerath auf sich genommen haben, um die Menschen vor Ort zu unterstützen.
Zum einen ist Danone, der Mutterkonzern von Bonafont, eine europäische Firma. Und als solche auch auf dem deutschen Markt stark vertreten. Bestimmt hast du auch schon einmal Produkte davon gekauft oder es stehen sogar gerade welche in deinem Kühlschrank. Zu den vielen Tochterunternehmen und Marken von Danone gehören neben Vittel und Evian beispielsweise auch Fruchtzwerge und Actimel. Im Jahr 2017 kaufte der Konzern die belgische Firma Alpro auf, einen der bekanntesten und größten Hersteller pflanzlicher Milch- und Joghurtalternativen.
Zum anderen ist Deutschland als Industrienation maßgeblich mit
Egal ob in Mexiko oder in Deutschland: Wer sich für ein lebenswertes Leben für alle Menschen einsetzt, wird oft genug wie ein:e Verbrecher:in behandelt. So bezeichnete der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador Bewohner:innen, die sich gegen ein Gaskraftwerk stellten, als
Wenn ich mit den Menschen hier vor Ort spreche und ihnen erzähle, was wir in Lützerath machen, sagen sie ganz oft: ›Es ist dasselbe auf der ganzen Welt.‹ Aus unserer Positionierung heraus finde ich das sehr schwierig – weil die Menschen mit viel schlimmeren Bedingungen kämpfen müssen als wir in Europa, und wir auch davon profitieren, wie die Welt gerade eingerichtet ist. Trotzdem finde ich es berührend zu sehen, dass wir uns in einem gemeinsamen Kampf gegen den Kapitalismus befinden.
Hier zeigt sich das verbindende Element der einzelnen Stationen der Karawane. So unterschiedlich die (Umwelt-)Probleme der Orte teilweise sind, haben sie in den Augen der Organisator:innen doch eine gemeinsame Ursache: Megakonzerne, die vom ausbeuterischen
Oder, wie es Doña Gloria sagt, eine Frau einer der indigenen Gemeinschaften:
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily