Durchbruch gegen die Plastikflut: Was 175 Staaten jetzt beschlossen haben
Das Ende des Plastiküberkonsums ist näher, als du denkst. Dafür will das neue Abkommen sorgen, das nun schon viel Positives bewirkt.
Als der kleine, aus Recyclingplastik hergestellte Richterhammer auf den Tisch aufschlägt, bricht Jubel in den Reihen der
»Die Entscheidung hat mir gezeigt, dass das, wofür ich mich einsetze, etwas bewirkt«, sagt Alejandra Parra Muñoz. Die Biologin und Aktivistin kommt aus Chile und setzt sich seit mehr als 15 Jahren für die Umwelt ein. Sie hat die 3-tägige Umweltkonferenz Anfang März vor Ort in Nairobi, der Hauptstadt Kenias, mitverfolgt. Und diese war ihrer Meinung nach anders als vorherige Versammlungen. Sie war besonders:
Ich war bei der vorherigen UN-Umweltversammlung 2019 dabei. Damals wurde das Plastikabkommen bereits angesprochen und viele Länder haben Widerstand dagegen geleistet. Diesmal ging alles sehr schnell, die Atmosphäre war viel besser. Die meisten Länder waren für das Abkommen, keines war dagegen.
Die Aktivistin vertrat auf der Versammlung das Umweltbündnis Gaia. Gaia steht für
Für Alejandra und viele andere Umweltschützer:innen war das Ergebnis der UN-Versammlung in Nairobi ein voller Erfolg – und der Anfang vom Ende der Plastikflut, wie sie hoffen. Eines ist sicher: Das Abkommen kann viel Positives bewirken. Im Grunde macht es das sogar jetzt schon, gerade einmal 3 Monate nachdem es beschlossen wurde.
Was auf dem Plastikgipfel genau beschlossen wurde
Bis Ende 2024 müssen die UN-Staaten nun gemeinsam Maßnahmen gegen die Plastikverschmutzung an Land und in den Meeren definieren und in einem Vertragsentwurf festhalten. Dafür setzt sich bis zur nächsten UN-Umweltversammlung ein Gremium mit den Stärken und Herausforderungen der Plastikproduktion sowie dem Plastikkonsum und der Entsorgung weltweit auseinander. Am Ende soll ein
Auf die Stoßrichtung haben sich 175 UN-Staaten bereits geeinigt (eigentlich sind es 193 Staaten, manche konnten oder wollten an der Umweltversammlung nicht teilnehmen). Das Gremium soll
- den vollständigen Lebenszyklus von Plastik beachten und genau unter die Lupe nehmen. Dazu zählen die Herstellung, der Gebrauch, die Entsorgung im Müll oder die Wiederverwendung.
- Höchstgrenzen für die Produktion oder den Verbrauch festlegen. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf Einmalplastik, dessen Gebrauch
- konkrete Maßnahmen gegen den Plastikmüll treffen,
- eine finanzielle Unterstützung für ärmere Länder ausarbeiten, um etwa Abfallinfrastrukturen oder ein Müllsystem aufzubauen.
Warum es ein weltweites Plastikabkommen überhaupt braucht? Laut Schätzungen der UN werden mittlerweile jedes Jahr 400 Millionen Tonnen Plastik produziert. Nur ungefähr 9% davon werden wiederverwertet. Der Rest landet auf Deponien,
Auch Chile hat kein richtiges Entsorgungssystem für Plastik. »Überall auf den Straßen, an den Flussufern und auf den Stränden liegt Einwegplastik, hauptsächlich Lebensmittelverpackungen«, erzählt Alejandra. Eigentlich seien viele von diesen Dingen bereits verboten, doch nicht alle Restaurants und Geschäfte hielten sich daran. Es werde kaum kontrolliert.
»Wir brauchen ein weltweites Regelwerk, das die Produktion und den Import von Kunststoffen, die nicht wiederverwertet werden können, einschränkt oder ganz verbietet«, so Alejandra. Ihr ist vor allem Styropor ein Dorn im Auge. Es wird in Chile in Lebensmittelpackungen verwendet, aber auch um Häuser zu dämmen. »Dabei bröselt es so leicht wie Schnee und fliegt überall in der Natur herum.«
Ein Blick hinter die Kulissen: Warum die Versammlung so erfolgreich war
Was auf der UN-Umweltversammlung noch besprochen wurde, vor allem in den inoffiziellen Treffen während der Pausen, darf Alejandra nicht erzählen. Doch sie hat einige interessante Gespräche mit Staats- und Unternehmensvertreter:innen geführt, auch um den Anliegen von Gaia mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
»Die inoffiziellen Treffen sind eine gute Chance, Staatsvertreter:innen zuzuhören und das Gesagte mit der öffentlichen Politik des Landes zu vergleichen. Und zu schauen, wie sie sich auf internationalen Foren bei anderen Regierungen für ebendiese Politik einsetzen«, sagt Alejandra. So konnte die Aktivistin 3 für sie überraschende Wendungen beobachten:
- Zum ersten Mal wurde das Engagement von ehrenamtlichen Müllsammler:innen und Menschen anerkannt, die tagtäglich auf riesigen Mülldeponien arbeiten. Viele Länder, vor allem die im Globalen Süden, müssen und wollen diese Menschen beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe mitnehmen und ihnen neue, bessere und sicherere Jobchancen bieten.
- Immer mehr Regierungen sehen die Plastikflut als das, was sie ist: eine Bedrohung für Tiere, Mensch und Umwelt – und wollen sie endlich in Angriff nehmen. Viele neue Regierungsoberhäupter seien progressiver und würden sich dem Problem nun annehmen wollen. Auch Chile hat seit März einen
- Die Ansichten der großen Wirtschafts- und Industrieunternehmen haben sich auf der Konferenz gespalten. Einige waren für das Plastikabkommen, andere dagegen. Das hat Alejandra gefreut, denn eine zersplitterte Unternehmenslobby ist weniger stark.
Doch nicht alle Aktivist:innen sehen den Ausgang der Umweltversammlung so positiv.
Wie das Abkommen jetzt schon die Forschung voranbringt
Ob sich das Abkommen in 2 Jahren als so progressiv gestaltet, wie es zunächst scheint, muss sich noch zeigen. Das Umweltnetzwerk Gaia will es dennoch als Erfolg verbuchen. Denn allein das Wissen, dass 175 Nationen das Plastikproblem nun weit oben auf die eigene Agenda gesetzt haben, bewegt einiges.
Es bestärkt Umweltschutzverbände und Aktivist:innen wie Alejandra in ihrer Arbeit und gibt ihnen die nötige Kraft, sich weiterhin einzusetzen. Die internationale Forschung wird angestoßen,
Auf zu einem Abkommen, von dem alle profitieren.
»Ich denke, dass das Abkommen alle notwendigen Bestandteile hat, um das Plastikproblem global zu lösen«, sagt Alejandra. Grund dafür ist unter anderem, dass das Abkommen nicht vom Globalen Norden angestoßen, sondern von Ländern des Globalen Südens initiiert wurde, die auch weiterhin den Ton angeben. Der Entwurf, der auf der UN-Umweltkonferenz am meisten diskutiert wurde und die Stoßrichtung für das jetzige Vorhaben angegeben hat, kam von Peru und Ruanda.
Das ist wichtig, denn die größte Herausforderung für die Vereinten Nationen wird beim Plastikproblem darin bestehen, die globalen Ungleichheiten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu beseitigen. Gelingt das nicht, würden bestehende Ungleichheiten verstärkt und das Problem nur verschlimmert. So wie es momentan aussieht, sollte das allerdings nicht passieren.
Es wird sich in naher Zukunft politisch also viel tun. Ein so großes Abkommen braucht genaue Definitionen, verbindliche Maßnahmen und bei Nichteinhaltung Sanktionen. Alejandra und das gesamte Gaia-Netzwerk werden die politischen Verhandlungen in ihrem jeweiligen Land und international wachsam verfolgen und mit einigen Politiker:innen sprechen. Ihr Kalender für dieses Jahr ist jedenfalls gut gefüllt, denn es besteht Hoffnung auf eine Welt, in der Kunststoffe sparsam als die wertvollen Materialien eingesetzt werden, die sie sind.
Titelbild: @seefromthesky - CC0 1.0