Nach diesem Text schläfst du besser
Warum wir nicht mehr gut schlafen – und wie wir es wieder lernen.
Wann haben wir eigentlich verlernt, gut zu schlafen?
Mittlerweile erscheinen im Wochentakt neue Studien, die die Bedeutung von ausreichend erholsamem Schlaf belegen. Doch Deutschland schläft schlecht – und ist damit nicht allein.
Wahrscheinlich kennst du das auch: Abends liegst du unruhig im Bett, wälzt dich von einer Seite auf die andere, hängst Gedanken vom Tag nach, schaltest dann doch noch mal das Smartphone oder den Laptop an, um dich abzulenken, und schläfst erst viel später ein – nur um am Morgen kaum erholt vom Wecker wachgerüttelt zu werden. Was anekdotisch klingen mag, ist für viele Menschen Alltag:
- 34% der Deutschen
- 31% der Deutschen klagen über erhebliche Anlaufschwierigkeiten am Morgen.
- 30% nicken tagsüber gelegentlich ein, ein Anzeichen für chronischen Schlafmangel.
- 10% schlafen
PD Classic
Dieser Artikel erschien zuerst im September 2017. Vor der Neuveröffentlichung haben wir den Text und seine Quellen noch einmal gründlich überprüft und kleinere Änderungen vorgenommen.
Das hat Folgen, nicht nur für Einzelne, sondern für die ganze Gesellschaft. Wer etwa müde arbeitet, leistet weniger und kann schlechter Entscheidungen treffen. Müdigkeit im Straßenverkehr erhöht das Unfallrisiko. Unsere Wirtschaft
Wann also haben wir verlernt zu schlafen – und wie können wir es wieder lernen?
Im Internet kursieren zahllose gut gemeinte Tipps auf Ratgeberseiten. Wir haben mit Wissenschaftler:innen diskutiert und ihre Lösungen in der Redaktion von Perspective Daily und mit neugierigen Leser:innen ausprobiert.

So wurden wir alle schlaflos
Obwohl wir heute mehr über den Schlaf wissen als jemals zuvor in der Geschichte und seine Bedeutung für unsere körperliche, mentale, emotionale und seelische Gesundheit kennen, ist es immer schwieriger, ausreichend Schlaf zu bekommen.
Die bekannte amerikanische Autorin und Gründerin der Huffington Post
Das war nicht immer so. Sie hat eine ernst zu nehmende »Schlaf-Krise« hinter sich. Nachdem sie völlig überarbeitet und ausgelaugt 2007 einen Zusammenbruch erlitten hat, macht sie sich auf Ursachensuche – und wird fündig: In ihrem Buch Die Schlaf-Revolution beschreibt sie die
- Viel zu arbeiten und mit wenig Schlaf auszukommen gehört in der modernen Arbeitswelt mittlerweile zum guten Ton – und gilt als Zeichen von Engagement.
- Vor allem unter jungen Menschen gilt Schlaf als Spaßbremse und Produktivitätskiller. Man will schließlich
- Langer und tiefer Schlaf wird mit Faulheit und nicht mit Gesundheit assoziiert.
Das sind jedoch nur die Symptome, deren Ursachen tiefer liegen und nicht allein auf Arbeits- und Ausbildungswelt beschränkt sind. Das weiß Manfred Betz. Er ist Professor im Fachbereich Gesundheit der Technischen Hochschule Mittelhessen in Gießen und beschäftigt sich intensiv mit Jugendlichen und ihrem Schlafverhalten.
Viele Menschen und ganz besonders Jugendliche in Deutschland schlafen 1–2 Stunden pro Tag zu wenig. Zudem steigt die Anzahl derjenigen mit gestörtem Schlaf stetig.
Der Schlafforscher hat dafür 3 Gründe parat:
- Medienkonsum: Digitale Bildschirmmedien sind heute fester Bestandteil unseres Lebens – längst nicht nur für die
Personen mit hohem Medienkonsum klagen häufiger über zu wenig oder gestörten Schlaf.
-
- Leben gegen die
Leistungsdruck, die Angst, nachts etwas zu verpassen, und unsere
Das stimmt mit den Ergebnissen der letzten Schlafstudie der Techniker Krankenkasse überein.

Zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank
Wer sowieso
So schlafen wir
Nach dem Einschlafen sinken wir innerhalb von wenigen Minuten in die Leichtschlaf-Phase. Ihr folgt die erholsame Tiefschlaf-Phase. Danach kommt der leichtere Traumschlaf (oder REM-Phase), in welchem sich die Augen schneller bewegen. Alle 4 Phasen (Einschlaf, Leichtschlaf, Tiefschlaf und Traumschlaf) bilden zusammen einen Zyklus, der sich 4–5-mal pro Nacht wiederholt. Es ist dabei völlig normal, während des Schlafes für wenige Sekunden aufzuwachen, die Position zu wechseln und weiterzuschlafen.
Welche Funktionen Schlaf eigentlich für unseren Körper hat und welche Risiken schlechter Schlaf mit sich bringt, haben Wissenschaftler:innen überall auf der Welt mittlerweile sehr gut untersucht. Eine davon ist Anna Heidbreder, die als Fachärztin für Neurologie im Bereich Schlafmedizin am Universitätsklinikum Münster arbeitet und krankhaften Schlaf erforscht. »Jeder Mensch hat einen
Wie wichtig Schlaf ist, macht sich in den verschiedensten Bereichen bemerkbar:
- Körperliche Fitness: Der Zusammenhang zwischen Schlafentzug und Übergewicht ist mittlerweile gut erforscht. Im Tiefschlaf werden
- Geistige Fitness: Im Schlaf werden neuronale Verknüpfungen gebildet und Gedächtnisinhalte neu strukturiert. Dies fördert die kognitive
- Gedächtnis: Im Schlaf übertragen wir Erinnerungen aus unserem
- Gesundheit: Über den Tag im Gehirn angesammelte

Gesunder Schlaf ist erholsam und rund
Schlaftrunken Auto zu fahren ist etwa genauso riskant wie betrunken Auto zu fahren.
Schlechter Schlaf und Schlafmangel haben ernste Folgen und Risiken für die Gesundheit: Sie führen zu Konzentrationsschwäche und einem
Nicht umsonst legen über 20
Trotzdem erkennen viele Menschen erst spät, dass ein dauerhaftes Problem vorliegt, erklärt Anna Heidbreder. Man schläft »halt einfach mal schlecht«. Dazu verschreiben viele Hausärzte einfach ein
Eine Faustregel in der Medizin gilt auch beim Schlaf: Wenn ein Zustand, unter dem jemand selbst leidet, an mehr als 3 Tagen pro Woche über mehr als 3 Wochen anhält, ist er womöglich krank und sollte einen Arzt aufsuchen.
Höchste Zeit also, das Thema Schlaf endlich ernst zu nehmen und etwas gegen das nächtliche Herumwälzen zu unternehmen.
So werden wir zu einer »Guter-Schlaf-Gesellschaft«
Damit wir alle auf Dauer besser schlafen, sind mindestens 3 Schritte nötig, die teilweise aufeinander aufbauen:
- Anerkennung: Wir sollten anfangen, den Schlaf als Teil unserer Gesundheitsvorsorge zu betrachten. Das beginnt schon bei der Art, wie wir darüber sprechen: »Langschläfer:innen« etwa sind keine »Faulpelze«, sondern haben vielleicht einfach den Dreh raus.
- Kultureller Wandel: Umdenken beim Thema Schlaf ist angesagt, auch bei Unternehmen. Erste Anzeichen dafür finden sich in den USA: Google, Nike, Huffington Post und die NASA haben
- Persönliche Lösungen: Am Ende kann nur jeder Einzelne für seinen guten Schlaf sorgen. Lösungsansätze gibt es viele, auch technische: Gibt man etwa im englischsprachigen App Store von Apple »Schlaf« ein, finden sich Tausende Apps – sie spielen Schlafmusik oder überwachen die Körperfunktionen.
Die eine Lösung für guten Schlaf für alle gibt es nicht. Das wäre so, als »würde man einen Koch nach 3 Rezepten fragen, die allen schmecken«, erklären Fabian Krapf und Utz Niklas Walter. Die beiden Gesundheits- und Sportwissenschaftler kennen sich mit individuellen Schlafbedürfnissen und -problemen aus. Gemeinsam haben sie der »Kultur des schlechten Schlafens« den Kampf angesagt. Dazu bieten sie gemeinsam mit weiteren Experten Schlafberatungen für Unternehmen an und gründen gerade das Start-up
Wer mehr Schlaf braucht, der sollte nicht stigmatisiert werden, sondern dem sollte auch mal auf die Schulter geklopft werden, dafür dass er auf sich achtet.
Gerade die schnelle und anonyme Onlineberatung könnte vor allem für diejenigen Menschen eine Hilfe sein, die sich eigene Schlafprobleme noch nicht eingestehen. Denn die beiden Pioniere einer »Guter-Schlaf-Gesellschaft« sind sich sicher: Bereits kleine Änderungen im eigenen
Die vielversprechendsten Tipps unserer Gesprächspartner:innen haben wir mit 40 Schlafverbesser:innen getestet. Mit dabei waren neugierige Leser:innen, aber auch Mitglieder aus der Redaktion von Perspective Daily.

Wirksame Schlafhygiene: Die 5 Ergebnisse unseres Besser-schlafen-Experiments
Wir haben Redaktionsmitglieder und ausgewählte Leser:innen gebeten, ein Detail an ihrem Schlafverhalten zu ändern. Insgesamt haben wir 10 Tipps verteilt und ausprobiert. Die vielen persönlichen Rückmeldungen waren sehr aufschlussreich und führten zu einem wichtigen Ergebnis: Auch wenn es kein Patentrezept für guten Schlaf gibt, gibt es einige Tipps, die des Ausprobierens wert sind.
Aber auch die übrigen, weniger erfolgreichen Ratschläge wollen wir euch nicht vorenthalten.
Klicke hier, um zu lesen, was in unserem Test nicht geholfen hat.
- Bewege dich jeden Tag am Nachmittag 30 Minuten: Sport tut gut, und selbst ein langer Spaziergang wirkt sich positiv aufs Einschlafen aus. Doch es erfordert Disziplin und ist für viele Menschen nicht einfach in den Tagesablauf zu integrieren. Warum Sport trotzdem wichtig ist, liest du in diesem Text von Maren Urner.
- Versuche etwa 2 Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr zu Essen: Manche Teilnehmenden berichteten zwar von Erfolgen, doch manche wollten auf ihre Abendmahlzeit nicht verzichten. Auch das ist natürlich eine Sache der Gewohnheit.
- Trinke vor dem Schlafengehen einen beruhigenden Kräutertee, etwa mit Lavendel oder Baldrian: Diesen Tipp liest man häufig im Netz. Doch bei unseren Teilnehmenden führte er eher zu einer vollen Blase und nächtlichem Aufstehen. Das Teetrinken wurde aber auch als schönes Ritual empfunden, vor allem in der Gemeinschaft.
- Gönne dir jeden Tag einen kurzen Mittagsschlaf: Mittagsschlaf erholt und macht wach für den Tag. Doch nicht viele Büros boten Gelegenheiten dazu an, sodass der Tipp nicht gut beherzigt werden konnte.
- Dokumentiere deinen Schlaf: Sich sichtbar zu machen, wann und wie lange man geschlafen hat (mit Stift und Papier neben dem Bett) kann hilfreich sein, wenn man das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt. Zu Veränderungen hat es in unserem Experiment nicht geführt.
Gut funktioniert haben dagegen die folgenden 5 Tipps. Unsere Experiment-Teilnehmer:innen haben uns erklärt, warum die Ratschläge ihnen geholfen haben:
- Stehe beim ersten Weckerklingeln auf: Auch wenn es Spaß macht, sich noch einmal umzudrehen – verzichte morgens auf die Snooze-Taste.
Ich habe festgestellt, dass ich mich weniger matschig fühle und keinen schweren Kopf mehr habe.
Ich bin früher und pünktlicher aufgestanden. Den Wecker eine Stunde lang alle 5 Minuten abzustellen ist eindeutig zermürbend.
- Keine Technik im Bett: Fahre eine Stunde vor dem Schlafengehen alle Technik herunter, damit auch du besser herunterfahren kannst. Also kein Handy, keinen Laptop, keinen Fernseher und keine Spielekonsole im Bett!
Ich hatte ein deutlich besseres Gefühl vor und beim Einschlafen. Ich habe mich nicht so abgelenkt und getrieben gefühlt. Das Handy außerhalb des Schlafzimmers zu deponieren, bevor es ins Bett ging, war wie ein Mini-Ritual, das mir sagt: ›Der Tag ist zu Ende. Du musst nichts mehr tun. Komm zur Ruhe.‹
- Schlafe kühler: Auch wenn es kuschelig ist, sich dick einzumummeln,
Mir hat die frische Luft unglaublich gutgetan und ich bin recht schnell eingeschlafen. […] Hat ein bisschen was von Campen, wo auch nachts die Nase kalt wird.
- Schlafe im Dunkeln: Elektronische Lichter wie Stand-by-Leuchten, Akku-Lampen oder blinkende Geräte, vor allem solche mit
Erst als ich alles verdunkelt habe, ist mir aufgefallen, wie sehr mich die blinkenden Lichter doch gestört haben.
Erst dabei fiel mir ein Buch mit fluoreszierendem Cover in der Dunkelheit auf. Das kam in eine Schublade!
- Finde dein Schlafritual: Versuche vor dem Schlafen jeden Abend
Bereits nach 3 Tagen hatte sich mein Körper so sehr daran gewöhnt, immer um ca. 22 Uhr ins Bett zu gehen, dass ich ab 21 Uhr immer schön müde wurde – egal wie der Tag oder die Nacht zuvor waren. Recht angenehm.
Mit Illustrationen von Luzie Bayreuther für Perspective Daily