Was passiert, wenn der Regen weiter ausbleibt
Felder und Flüsse leiden unter einer Jahrhundertdürre. Im Supermarkt steigen die Preise und Regale drohen leer zu bleiben. Wann es kritisch wird und welche Lösungen es schon heute gibt.
Wenn du mich siehst, dann [weine].
So lautet die Inschrift eines Hungersteins in der Elbe bei Děčín. Die tschechische Stadt liegt in der Nähe der deutschen Grenze. Auf Deutsch und Tschechisch warnt der Hungerstein die Menschen vor dem niedrigen Wasserstand, der eine Hungersnot zur Folge gehabt hat. Er ist vermutlich aus dem Jahr 1616 und wurde
Solche Wasserstandsmarken mit Warnungen gibt es in ganz Europa. Sie reichen zurück bis ins Mittelalter. Die älteste bekannte Datierung stammt aus dem Jahr 1417. Die momentane Hitzewelle und der dementsprechend niedrige Wasserstand haben Hungersteine an verschiedenen Stellen des Rheins, der Talsperre Werda, in der Weser und der Elbe freigelegt.
Meist sind auf den Steinen keine Sätze, sondern Jahreszahlen eingraviert, welche die niedrigen Pegelstände der Vergangenheit dokumentieren. Sie wurden jedes Mal hinzugefügt, wenn die Steine frei lagen: 1873, 1904, 2003, 2006, 2018 – die meisten Hungersteine tragen bereits mehr Jahreszahlen aus diesem Jahrhundert als aus den vergangenen.
Heute lösen niedrige Pegelstände und Wassermangel in Europa nicht mehr sofort Hungersnöte aus. Doch regnet es länger nicht, bedeutet das immer noch Ernteausfälle. Außerdem kann es zu stockenden Transportwegen führen, da Flüsse wichtige Handelswege waren und sind. Wie sich der fehlende Regen auf unsere Wirtschaft auswirkt und welche Lösungen bereits auf dem Tisch liegen, liest du in diesem Text.
Dürre ist nicht gleich Dürre – wann es kritisch wird
Doch fangen wir von vorne an. Was ist Dürre überhaupt? Vereinfacht gesagt ist Dürre ein Mangel an Wasser in unterschiedlichen Bodenschichten. Dabei wird die aktuelle Bodenfeuchte mit dem Mittelwert der letzten 65 Jahre verglichen. Ist sie niedriger als 20%, spricht man von Dürre.
Dürre entsteht, wenn es weniger regnet (oder schneit) als üblich und es sehr heiß ist, wodurch mehr Wasser verdunstet.
Je nachdem, wie lange sie anhält und welche Auswirkungen sie nach sich zieht, lassen sich
- Von meteorologischer Dürre ist die Rede, wenn es 1–2 Monate trockener ist als üblich.
- Ab 2 Monaten kommt es zur landwirtschaftlichen Dürre, mit der erste Ernteeinbußen einhergehen können.
- Als hydrologische Dürre wird Trockenheit bezeichnet, die länger als 4 Monate andauert. Ungefähr ab diesem Zeitpunkt sind regional das Grundwasser sowie die Pegel von Flüssen betroffen.
- Hält der Wassermangel über ein Jahr an und bremst die produzierende Wirtschaft, spricht man von sozioökonomischer Dürre.
Dürre ist ein
Der Grund: Laut
Was bedeuten diese sommerlichen Trockenzeiten für die Landwirtschaft?
Warum die Ernte trotz wenig Regen nicht ausfallen muss
Trockene Flächen, verdorrte Maispflanzen, aufgeplatzter Ackerboden: Wer in den vergangenen Wochen an einem Feld vorbeigefahren ist, konnte die Auswirkungen des ausbleibenden Regens kaum übersehen. Neben der Trockenheit setzt vielen Pflanzen die große und vor allem lang anhaltende Hitze zu, auf die sie nicht ausgelegt sind. Denn die Nutzpflanzen sind auf ein bestimmtes klimatisches Optimum angepasst.
In der Folge
Weltweit werden rund 20% der Anbauflächen bewässert
Die Folge: Erstmals wird darüber nachgedacht, Weizen und Mais künstlich zu bewässern. Normalerweise werden hierzulande nämlich nur
Wie lässt sich das vereinbaren, dass in Dürrejahren weniger Wasser verfügbar ist und gleichzeitig der Bedarf steigt, Felder zu bewässern?
Wir müssen uns darauf einstellen, dass es künftig häufiger zu Dürren kommt – und schon jetzt vorsorgen. Zum Beispiel kann der Wasserverbrauch in Deutschland gesenkt und dafür gesorgt werden, dass sich genügend Grundwasser nachbilden kann. Zum Glück gibt es bereits Lösungen dafür.
Mehr bewässern, aber effizienter
Will ein landwirtschaftlicher Betrieb für die Bewässerung seiner Felder Grundwasser oder Wasser aus Flüssen und Seen entnehmen, muss er sich das
Derzeit nutzt ein Großteil der Betriebe in Deutschland große Regenkanonen. Diese ähneln Rasensprengern auf Fußballplätzen und sind auf einem fahrbaren Untersatz montiert. Die Regenkanone wandert im Laufe eines Tages über den Acker, während aus ihrem rotierenden Arm Wasser schießt und sich in feinem Nebel und größeren Tropfen über die Pflanzen verteilt.
Das Problem: Auch wenn die Kanonen inzwischen weitestgehend optimiert sind und teilweise sogar per App gesteuert werden können, geht vor allem bei Wind viel Wasser verloren. Außerdem verbrauchen die Pumpen viel Energie, um das Wasser mit hohem Druck über die Felder zu schleudern. Überall, wo es möglich ist, sollten laut Expert:innen daher künftig andere Bewässerungstechniken zum Einsatz kommen. Möglich sind:
- Düsenwagen: Das Wasser wird über gleichmäßig an einer Konstruktion aus Rohren angebrachte Düsen direkt über den Pflanzen versprüht. So geht selbst bei Wind wenig verloren. Ein weiterer Vorteil: Da das Wasser mit weniger Druck als bei den Regenkanonen ausgebracht wird, verbraucht diese Technik auch weniger Energie. Allerdings eignet sie sich nicht für Flächen, auf denen Bäume, Masten oder andere Hindernisse stehen, an denen der mobile Düsenwagen nicht vorbeikommt.
- Kreisberegnungsanlagen: Auch hier wird das Wasser über zahlreiche Düsen eines Gestänges direkt über den Pflanzen ausgebracht. Das Gestänge ist an einem mittig im Feld fest installierten Brunnen montiert. Diese Technik lohnt sich allerdings erst ab einer gewissen Größe des Ackers.
- Tröpfchenbewässerung: Die effizienteste Bewässerung gelingt über Schläuche und Rohre, die ober- oder unterirdisch im Boden verlegt sind. Über kleine Löcher tropft das Wasser in kleinen Mengen direkt an die Wurzeln der einzelnen Pflanzen, sodass kaum Wasser verdunstet oder anderweitig verloren geht. Mit dieser Methode wird
Wasser sammeln und speichern
Müssen in Zukunft immer mehr Flächen künstlich bewässert werden, reicht das vorhandene Grundwasser nicht aus, ohne mit anderen Bereichen wie der Trinkwasserversorgung in Konflikt zu geraten – selbst wenn alle Betriebe das Wasser maximal effizient nutzen. Es braucht also zusätzlich zum Grund- und Oberflächenwasser andere Quellen.
Über das ganze Jahr betrachtet ist und bleibt Deutschland ein regenreiches Land. Allerdings verschieben sich die Niederschläge zunehmend in den Winter. Die Lösung liegt auf der Hand: Regenwasser im Winter sammeln, um es im Sommer auf den Feldern ausbringen zu können. Solche Wasserspeicher werden derzeit beispielsweise
Auch in Thüringen setzt man seit einigen Jahren zunehmend auf das Sammeln von Regenwasser in sogenannten Brauchwassertalsperren. Diese kleinen
Neben Ideen zur Bewässerung der in Deutschland altbewährten Kulturpflanzen suchen Forscher:innen nach Nahrungsmitteln, die besser auf die neuen klimatischen Bedingungen angepasst sind. Was im Jahr 2050 auf unserem Speiseplan stehen könnte, beschreibt Désiree Schneider in diesem Artikel:
Neben der Landwirtschaft wirkt sich die Dürre auf weitere Wirtschafts- und Lebensbereiche aus, zum Beispiel auf die Schifffahrt und den Transport von Waren auf dem Wasserweg.
Wie die Regierung plant, den Warentransport auf den Flüssen zu retten
Der Rhein windet sich auf einer Strecke von rund 1.300 Kilometern von seiner Quelle hoch in den Schweizer Alpen durch 6 Länder – die Schweiz, Österreich, Deutschland, Frankreich, Liechtenstein, die Niederlande. Dabei fließt er durch die wichtigsten Industriegebiete Europas, die sich seinetwegen dort angesiedelt haben, und mündet bei Rotterdam in die Nordsee. Er ist eine Lebensader und eine der bedeutendsten Wasserstraßen Europas. Jährlich werden rund 300 Millionen Tonnen Fracht auf ihm befördert. Etwa 80% der Güter, die in Europa auf Wasserwegen transportiert werden, führen heutzutage über den
Vor allem schwere Waren wie Stahl, Chemikalien, Kies, Sand und Kohle, aber auch Getreide, Holz und Abfälle werden mit Binnenschiffen transportiert. Obwohl ein Binnenschiff bis zu 150 Lkw ersetzen kann und moderne Schiffe um einiges umweltfreundlicher sind als Lastwagen, werden nur
Die Zukunft der Binnenschifffahrt hängt am seidenen Faden.
Seit dieser Woche ist der Wasserstand an manchen Stellen des Rheins so niedrig,
Unternehmen, die für die An- und Auslieferung ihrer Materialien und fertigen Güter auf den Fluss angewiesen sind, wie der Chemieriese BASF und der Stahlkonzern Thyssenkrupp, bekommen schon schwitzige Hände. Mit jedem Tag, an dem kein Regen fällt,
Verlagern lässt sich der Verkehr nicht so leicht: Weil die Infrastruktur nicht ausgebaut wurde, sind die Kapazitäten der Bahn seit Jahren am Limit und auch für den Transport auf der Straße wird
Darum kam die alte Bundesregierung während des Dürrejahres 2018 mit einem Lösungskonzept um die Ecke. Der sogenannte
- Die Prognosen zum Wasserstand sollen verbessert werden, damit sich Unternehmen auf solche Extremwetter vorbereiten können.
- Es sollen Schiffe entwickelt werden, die auch bei niedrigerem Wasser fahren können.
- Außerdem sollte in die Infrastruktur am Rhein investiert werden. Zum Beispiel in die Stabilisierung des Flussbettes oder in Schleusen. Im aktuellen Bundeshaushalt sind die Mittel für die Binnenschifffahrt jedoch gekürzt worden. Dabei steht im Koalitionsvertrag, dass der Verkehr
Können wir nicht einfach den Fluss vertiefen?
Viele Binnenschifffahrtsbetriebe fordern von der Regierung, den Rhein und seine für den Transport wichtigen Nebenflüsse zu vertiefen. Dies löst jedoch nicht das Problem des fehlenden Wassers und kann zudem viele andere Probleme verursachen: Eine Vertiefung des Flusses senkt den Wasserspiegel und beeinflusst den Grundwasserstand. Das kann sowohl für die Landwirtschaft zum Verhängnis werden als auch für die Lebensräume von Tieren,
Die gute Nachricht: Die Binnenschifffahrt und alle Unternehmen, die darauf angewiesen sind, arbeiten spätestens nach diesem Sommer, der immer noch die Chance hat, die Trockenheit und das Lieferkettenchaos von 2018 zu übertreffen, auf Hochtouren an Lösungen. Sie müssen es tun. Denn spätestens nach dem Verbrenner-Aus 2035 für Autos wird es auch Binnenschiffen mit Dieselmotoren an den Kragen gehen. Wahrscheinlich sogar schon früher,
Dass die Hungersteine in Elbe und Rhein immer wieder trocken liegen, lässt sich nicht verhindern. Aber damit die Klimakrise nicht weiter eskaliert und es noch heißer wird, muss nach wie vor alles getan werden, um die CO2-Emissionen zu senken. So bleiben die Hungersteine hoffentlich eine mahnende Erinnerung – ohne tatsächlich Vorboten einer Hungersnot zu sein.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily