Wie der Mythos vom sauberen Gas die Klimakrise befeuert
Dar-Lon Chang hat einem der größten Ölkonzerne der Welt dabei geholfen, den Erdgas-Boom voranzutreiben. Warum er das heute bereut und wie groß die unsichtbare Gefahr durch Methan wirklich ist.
Dar-Lon Chang ist ein umweltbewusster Mann. Ich erreiche ihn per Videoanruf morgens um 8 Uhr seiner Zeit auf der Terrasse seines Niedrigenergiehauses in der Nähe von Denver im Bundesstaat Colorado. Seit 2019 lebt Chang mit seiner Familie in einer der wenigen »Netto-Null«-Gemeinden in den USA, die es sich zum Ziel gesetzt haben, möglichst wenig klimaschädliche Emissionen zu verursachen.
Doch in unserem Gespräch geht es nicht um Dar-Lon Changs neues Leben, sondern um sein altes. Es geht um seine Zeit als Ingenieur bei ExxonMobil, einem der größten Öl- und Gaskonzerne der Welt. Jahresumsatz: 255 Milliarden US-Dollar. Bis heute zehrt die Zeit im Konzern an Chang: »Ich habe ExxonMobil dabei geholfen, die Produktionsrate von Fracking-Gas um 25% zu steigern. Das hat mich schwer belastet.«
15 Jahre lang hat Dar-Lon Chang als Ingenieur im Forschungsbereich des Konzerns gearbeitet – bis er die Branche schließlich desillusioniert verließ. Seine gesamte Karriere drehte sich bis zu diesem Zeitpunkt um den Stoff, der die fossile Brennstoffindustrie vor dem Untergang rettete und heute begehrter ist denn je: Erdgas.
Chang ist mittendrin, als eine riesige PR-Kampagne dabei half, Länder auf der ganzen Welt von dem vermeintlich sauberen »natürlichen« Erdgas als Brückentechnologie abhängig zu machen. Mit Folgen, die bis ins Hier und Jetzt bei uns in Deutschland reichen.
Die wahren Risiken unserer Sucht nach billigem Erdgas sind bisher – auch hierzulande – kaum bekannt. Auch Dar-Lon Chang brauchte viele Jahre, um sie komplett zu begreifen.
Titelbild: Mariola Grobelska, Unsplash | Claudia Wieczorek - CC0 1.0