Warum wir alle profitieren würden, wenn es dem Globalen Süden besser ginge
Warum Länder wie Bangladesch kaum aufholen, was der Kapitalismus damit zu tun hat – und wie es anders geht.
Die Länder im globalen Süden befinden sich heute in einer Situation, die an Deutschland oder Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts erinnert. Sie müssen versuchen, den technologischen Abstand zu verringern, der sie von den Industrieländern trennt.
Doch die Barriere scheint unüberwindlich. Ob Autos oder hochwertige Medikamente – die westlichen Maschinen erfordern einen enormen Kapitaleinsatz, den arme Länder nicht aufbringen können. Der globale Süden ist in einem Teufelskreis gefangen: Die Löhne sind so niedrig, dass es sich nicht lohnt, in Technik zu investieren. Aber weil die Produktivität nicht steigt, bleiben die Länder arm und die Löhne niedrig.
Bangladesch ist ein gutes Beispiel: Dort sind rund vier Millionen NäherInnen damit beschäftigt, Kleidung für den Westen herzustellen. Sie alle sitzen an elektrischen Nähmaschinen – nutzen also im 21. Jahrhundert eine Technik, die im 19. Jahrhundert in Europa erfunden wurde. Theoretisch könnte man auch automatisierte Textilmaschinen aufstellen. Es ist kein Naturgesetz, dass Jeans per Hand geschneidert werden müssen. Aber diese Maschinen wären zu teuer, weil
Dieser Teufelskreis lässt sich nur durchbrechen, wenn der Staat einsteigt und die Industrialisierung zentral steuert. Ob Japan, Taiwan, Südkorea oder China: Sie alle haben den westlichen Technikvorsprung innerhalb eines halben Jahrhunderts aufgeholt, weil ihre Regierungen die enormen Anfangsinvestitionen finanziert und geplant haben. Es war der Staat, der die Elektrizitätswerke, Hochöfen und Autofabriken in Auftrag gegeben hat. Gleichzeitig wurden oft Zollschranken errichtet, um die eigene Industrie vor den westlichen Produkten zu schützen. Die Asiaten sind im 20. Jahrhundert reich geworden, weil sie den westlichen Protektionismus des 19. Jahrhunderts kopiert haben.
Das Verhältnis von privaten Firmen und staatlicher Planung hat sich also gewandelt: Anfangs ist der Kapitalismus rein privat entstanden. Die ersten Textilfabrikanten in England wollten nur ihre Gewinne erhöhen, als sie Maschinen einsetzten, um Arbeitskräfte einzusparen. Aber je länger es den Kapitalismus gab und je weiter sich die Technik entwickelte, desto nötiger wurde staatliche Steuerung, wenn es Nachzüglern gelingen sollte, den Abstand aufzuholen. Die Japaner schufen daher das Planungsministerium
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily