So steht es um die Energiekrise: Unsere 21 Antworten auf eure Fragen
Ihr habt uns über 300 Fragen gestellt. Wir haben sie gesichtet, sortiert und recherchiert. Hier ist der erste Teil unserer Antworten.
Wie setzen sich die Gas-, Strom- und Benzinpreise zusammen? Wird das Gas für den ganzen Winter reichen? Wann bekomme ich meine Heizkostenabrechnung? Und was ist eigentlich der Stand bei Wasserstoff? Dass es derzeit viele Unsicherheiten rund um das Thema Energieversorgung gibt, war uns bereits klar, als wir dazu aufgerufen haben, Fragen zur aktuellen Krise zu stellen. Die Fülle an Rückmeldungen hat uns dennoch überrascht: Über 300 Fragen sind bei uns eingegangen.
Wir haben sie alle gelesen, sortiert und zu den am häufigsten gestellten recherchiert. Hier sind unsere Antworten auf eure Fragen – zumindest der erste Teil davon. Im zweiten Teil gehen wir näher auf Inflation und finanzielle Entlastungen sowie Tipps zum Energiesparen und Alternativen fürs Eigenheim ein.
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Fragen zu Energiepreisen
1. Was sind die Ursachen für die hohen Energiepreise und wer profitiert von ihnen?
Der Preistrend für Energie geht bereits seit Mitte 2021 kontinuierlich nach oben, da sich die Weltwirtschaft ab diesem Zeitpunkt allmählich von den Folgen der Pandemie zu erholen begann. Die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie zog deutlich an. Diese hohe Nachfrage traf auf ein vergleichsweise geringes Angebot, weil die Förderung und Weiterverarbeitung von Öl und Gas im ersten Jahr der Pandemie heruntergefahren wurde und erst nach und nach wieder in Fahrt kam.
Das war bereits vor dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine spürbar. Durch die seit Februar dieses Jahres eingeführten Sanktionen zogen die Preise, die ohnehin schon ein hohes Niveau erreicht hatten,
Diese Entwicklung kennt nicht nur Verlierer: Neben Energiekonzernen wie Shell, BP oder ExxonMobil, die ihre Gewinne vervielfachen, stiegen auch bei den exportierenden Ländern mit staatlichen Energiekonzernen die Einnahmen. Hierzu zählen neben den Golfstaaten auch die USA
2. Wie setzen sich die Preise für Gas konkret zusammen?
- Beschaffung und Vertrieb: Die Gasversorger erhalten ihr Gas primär von Gaslieferanten, mit denen sie meist Verträge über mehrere Jahre hinweg abschließen. Das ist der Grund dafür, weshalb viele Endkund:innen die Nachricht ihrer Versorger über anstehende Preiserhöhungen erst im Laufe des Jahres bekommen haben, obwohl der Gaspreis an der Börse bereits seit über einem Jahr steigt. Hinzu kommen die Kosten für Vertrieb und Marketing und ein Gewinnaufschlag, die sogenannte Marge. Die Summe aus diesen Teilen macht für Privatkund:innen mit 49,4% fast die Hälfte des Endpreises aus.
- Netzentgelte: In Deutschland gibt es über 700 Betreiber für die Gasinfrastruktur, die in Form von Rohrleitungen unterirdisch verläuft. Für den Transport des Gases fällt ein sogenanntes Netzentgelt an, das der Gasversorger an die Kund:innen weitergibt. Auch die Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung der Leitungen und Gaszähler sind hierin enthalten. Die Kosten hierfür sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, machen aber etwa 1/4 des Endpreises (24,6%) aus.
- Steuern und Abgaben: CO2-Preis, Erdgassteuer und Umsatzsteuer – 23,3% des Endpreises gehen an den Staat.
3. Wie setzen sich die Preise für Strom konkret zusammen?
In Sachen Strom liegen die Dinge anders. Energieversorger kaufen große Mengen an der Energiebörse EEX (European Energy Exchange) in Leipzig, und zwar zu langfristig festen Preisen von bis zu 6 Jahren. Das ist der Grund dafür, warum die hohen Strompreise aktuell noch nicht voll auf die Verbraucher:innen durchschlagen. Doch der Anteil des teuren Stroms wächst. Die hier stattfindende Preisbildung funktioniert nach einem europaweit einheitlichen Prinzip, das »Merit Order« genannt wird. Bei der Erzeugung von Strom kommen zuerst diejenigen Kraftwerke zum Zug, die den günstigsten Preis anbieten können. Energie aus Wind und Sonne sind am günstigsten und stehen an Platz 1, gefolgt von Atomstrom, Braun- und Steinkohlekraftwerken. Strom aus Erdgas oder Öl ist das teuerste Verfahren.
Das teuerste Kraftwerk bestimmt den Strompreis
Das Merit-Order-Prinzip besagt, dass das teuerste Kraftwerk, das noch benötigt wird, um den aktuell anfallenden Strombedarf in Europa zu decken, den Strompreis bestimmt, den dann auch die günstigeren Anbieter einstreichen. Was auf den ersten Blick absurd klingt, hat durchaus einen Sinn. Denn auf diese Weise werden die günstigsten Produktionsarten belohnt, deren Ausbau durch die Aussicht auf eine große Gewinnspanne attraktiv ist. Gleichzeitig sollen die teuren Kraftwerke am Markt gehalten werden, um bei plötzlich ansteigendem Verbrauch genug Energie in Reserve zu haben.
Was in der Vergangenheit gut funktionierte und den Ausbau der Erneuerbaren sogar wegen ihrer niedrigeren Preise attraktiv gemacht hat, wird jetzt zum Problem. Denn die kostspieligen Gaskraftwerke, die die Preise setzen, sind nun um ein Vielfaches teurer geworden. Ohne das Gas geht es aktuell noch nicht, auch wenn nur rund 10% des verbrauchten Stroms in Deutschland aus Gaskraftwerken stammt.
4. Wann ist mit einer möglichen Nachzahlung für die Heizung oder den Strom zu rechnen? Wie lässt sich diese schon im Voraus berechnen?
Vielen Menschen graut es schon jetzt vor einer möglichen Nachzahlung. Wer weiß schon, wie groß die Summe auf der Rechnung des Gas- oder Stromanbieters ausfallen wird?
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Der
Wenn der Abschlag allerdings zu niedrig ist, drohe eine besonders hohe Nachzahlung. Hier kann der Rechner helfen, ein besseres Gefühl für den eigenen Verbrauch und die damit verbundenen Kosten zu bekommen – sowohl für Gas als auch für Strom. Wer es genauer braucht, sollte sich an eine offizielle Beratungsstelle wenden, wie die örtliche Verbraucherzentrale, die Energieverträge gegenprüft. Mieter:innen, denen Probleme mit dem:der Vermieter:in drohen, sollten sich an den Deutschen Mieterbund oder ihren Mieterverein wenden. Zu den Ansprüchen bei den Jobcentern und Sozialämtern beraten auch der Sozialverband VdK, der Sozialverband Deutschland und die Gewerkschaften ihre Mitglieder.
5. Wie setzt sich der Benzin- und Dieselpreis zusammen?
Derzeit landet fast die Hälfte der Tankrechnung beim Staat, denn Steuern machen einen Großteil des Spritpreises aus. Beim Benzin ist es noch etwas mehr als beim Diesel,
- Energiesteuer: Sie liegt für Benzin bei 65,45 Cent und für Diesel bei 47 Cent je Liter. Beide wurden zur Entlastung der Autofahrer:innen von Juni bis Ende August gesenkt.
- Mehrwertsteuer: Sie schlägt bei Mineralölgütern mit den üblichen 19% zu Buche.
- CO2-Zertifikatkosten: Diese liegen derzeit bei 8,03 Cent je Liter und fließen in CO2-ausgleichende Maßnahmen.
- Erdölbevorratungsabgabe: Sie ist mit 0,3 Cent pro Liter die geringste Abgabe und dient dazu, Reserven für Engpässe zu finanzieren.
Der Rest des Spritpreises setzt sich aus dem Börsenpreis des Rohöls zusammen, den der Rohölkonzern beim Einkauf zahlt, und einem undurchsichtigen Deckungspreis, der die restlichen Fixkosten wie Transport, Verwaltung, Vertrieb, Tankstellenpacht und Co. abdecken soll. Der Deckungspreis ist inflationsbedingt angestiegen, um die steigenden Kosten zu decken. Dadurch, dass er nicht einsichtig ist, können sich hier aber auch erhöhte Gewinne der Ölkonzerne verstecken.
Ebenso verantwortlich für den Anstieg der Spritpreise ist der Rohölpreis. Er kann je nach weltwirtschaftlicher Lage und Nachfrage stark fallen oder steigen. Gerade schießt er wegen des Angriffskrieges von Russland, einem der größten Ölexporteure, in die Höhe. Hinzu kommt der Kurs des US-amerikanischen Dollars, Öl wird weltweit fast nur in dieser Währung gehandelt. Steigt der Wechselkurs zum Euro, macht sich das auch an der Zapfsäule bemerkbar.
Warum ist Benzin in Österreich günstiger?
Ein Blick auf den internationalen und europäischen Markt zeigt, dass Deutschlands Tankstellen derzeit überdurchschnittlich hohe Spritpreise anzeigen. Das liegt daran, dass die Länder unterschiedliche Steuern auf die Preise niederschlagen. Unser Nachbarland Österreich erhebt beispielsweise nur 48,2 Cent Energiesteuer auf einen Liter Benzin – das macht 17 Cent Unterschied pro Liter Tankfüllung.
6. Wieso schwanken die Preise an deutschen Tankstellen im Tagesverlauf so stark?
Grund dafür ist hauptsächlich der Wettbewerb zwischen Tankstellenbetreibern. Shell, Total, Aral und Co. bestimmen selbst über die Spritpreise und wie oft sie diese wechseln. Andere Länder haben dem einen Riegel vorgeschoben. So dürfen
Fragen zur Gasversorgung
7. Aus welchen Ländern erhält Deutschland aktuell Gas?
Vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war Russland der größte Lieferant von Erdgas. Die wichtigste Pipeline war Nord Stream 1, die über die Ostsee nach Deutschland führt. Bereits seit Anfang September wird über diese jedoch kein Gas mehr geliefert. Das wird auch – zumindest in nächster Zeit – so bleiben, da die Pipeline ebenso wie Nord Stream 2 nach Explosionen mit ungeklärter Ursache seit Ende September mehrere Lecks aufweist. Vieles deutet hier auf Sabotage hin; wer diese verübt hat, bleibt nach wie vor im
Die Bundesregierung setzt deshalb seit einigen Monaten vermehrt auf Pipelinelieferungen aus Norwegen und den Niederlanden. Von dort stammt sowohl Erdgas, das in den Ländern vor Ort gefördert wird, als auch Gas in verflüssigter Form (liquefied natural gas, oder kurz: LNG), das mithilfe von Tankschiffen aus anderen Ländern importiert und an speziellen Häfen wieder in Gas umgewandelt
Bislang gibt es in Deutschland keine eigenen Häfen für LNG. Ab Dezember sollen zunächst 4 schwimmende Anlandeterminals ans Netz gehen, die die Bundesregierung gemietet hat: in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Lubmin und Stade. Langfristig sind an diesen Standorten feste Terminals vorgesehen, deren Bau aber voraussichtlich bis mindestens 2025 dauert.
Woher das LNG künftig kommt, ist noch ungewiss. Bislang gibt es nur die Zusage für eine recht kleine Menge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, auch Katar und Saudi-Arabien sind als mögliche Lieferanten im Gespräch. Größere Mengen könnten unter anderem aus den USA, Kanada und Israel bezogen werden.
8. Was bedeutet es, wenn die Gasspeicher zu 95% voll sind? Bis wann reicht das Gas?
Deutschland kauft über das ganze Jahr hinweg kontinuierlich Gas ein. Im Winter, wenn Privathaushalte und Gewerbe viel Energie zum Heizen benötigen, liegt der Verbrauch etwa 3–4-mal so hoch wie im Sommer. Ober- und unterirdische Speicher an etwa 40 Standorten nehmen den Überschuss der Gaslieferungen im Sommer auf und tragen dazu bei, die Versorgung in den kalten Monaten zu sichern.
Bei einem milden Winter reicht das Gas …
Wie hoch die Füllstände zu bestimmten Stichtagen sein müssen, ist gesetzlich vorgegeben – so war es auch schon vor dem Krieg in der Ukraine. Bis 1. Oktober sollen die Speicher zu 85% gefüllt sein, bis 1. November zu 95%.
Um zu vermeiden, dass die Versorgung knapp wird, muss
9. Wird derzeit noch Gas zur Stromerzeugung verwendet?
Ja. Derzeit liegt der Anteil von Erdgas an der Nettostromerzeugung in Deutschland
Zum einen liegt das daran, dass Gaskraftwerke ihre produzierten Strommengen sehr flexibel hoch- oder herunterfahren können. Das ist vor allem in Zeiten wichtig, in denen sehr viel Strom verbraucht wird, und um Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energien auszugleichen – solange es noch zu wenig Speichermöglichkeiten für Strom aus Wind und Sonne gibt.
Zum anderen gibt es Gaskraftwerke, die nicht nur Strom, sondern auch Wärme produzieren. Diese wird dann als Fernwärme über Rohrleitungen zu Endverbraucher:innen geleitet, um Wohnungen zu heizen und mit Warmwasser zu versorgen.
10. Welches Potenzial hat Biogas als Alternative zu Erdgas?
Während Erdgas aus unterirdischen Lagerstätten gefördert werden muss, gewinnt man Biogas durch Vergärung von organischem Material. Das können zum Beispiel Lebensmittelabfälle, Gülle, Mist oder Energiepflanzen wie Mais und Zuckerrüben sein. In einem großen Tank ohne Sauerstoff und Licht zersetzen Bakterien diese Biomasse, wobei ein Gasgemisch aus Methan und CO2 sowie geringe Mengen Wasser und Spurengase entstehen.
Manche Biogasanlagen filtern in einem aufwendigen Prozess das Methan aus dieser Mischung heraus – so entsteht Biomethan, das chemisch identisch mit dem in Erdgas enthaltenen Methan ist. Das Biomethan lässt sich in das normale Gasnetz einspeisen und beispielsweise dafür nutzen, Wohnungen zu heizen. In der Praxis wandeln die meisten Biogasanlagen das Biogas aber nicht um, sondern erzeugen damit direkt Strom und Wärme. Insgesamt produzieren in Deutschland derzeit 10.000 Anlagen zusammen rund 95 Terrawattstunden Biogas. Davon werden 85 Terrawattstunden für die direkte Stromerzeugung genutzt und 10 Terrawattstunden als Biomethan ins Gasnetz eingespeist.
Biogas könnte Erdgas in größerem Stil als bisher ersetzen
Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Biomasseforschungszentrums Leipzig und des Wuppertal Instituts
Fragen zu Nord Stream
11. Können die Nord-Stream-Pipelines repariert werden? Wenn ja, wie lange dauert das?
Theoretisch ja. Dass Pipelines im Meer kaputt gehen, ist nichts Ungewöhnliches. Schiffsanker oder alte Weltkriegsbomben beschädigen regelmäßig Pipelines. Je nachdem, wie tief die Pipelines an den betroffenen Stellen im Meer liegen und wie stark sie beschädigt sind, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sie zu reparieren. In einigen Fällen kann man die Pipeline aus dem Wasser auf spezielle Schiffe heben und neue Rohrabschnitte festschweißen.
Ob Nord Stream repariert werden wird, ist allerdings fraglich und hängt vor allem von politischen Fragen ab. Einige der Firmen, die an Reparaturen beteiligt werden müssten, sind russisch und unterliegen Sanktionen. Aufgrund der politischen Lage ist es durchaus denkbar, dass Nord Stream nicht mehr repariert wird. Auch wer die Kosten tragen würde, ist derzeit noch unklar.
12. Wie und von wem wird nach den Verantwortlichen für die Pipelinelecks gefahndet?
13. Wie kann man diese Infrastruktur überhaupt vor Sabotageakten schützen?
Tausende Kilometer lange Pipelines oder Tiefseekabel komplett zu schützen, ist kaum möglich. Gerade in der Tiefsee können kleinere U-Boote, die nur sehr schwer zu orten sind, unbemerkt Sabotage betreiben.
14. Wie wirkt sich das ausgeströmte Gas auf die Ostsee und die Umwelt aus?
In Nord Stream 1 war zum Zeitpunkt der Explosion Erdgas gefüllt, das zu großen Teilen aus Methan besteht.
15. Kann Methan wieder eingefangen werden wie CO2?
Es gibt ein paar physikalische Ansätze und Ideen, um der Atmosphäre Methan zu entziehen. Allerdings steckt die Forschung dazu noch komplett in den Babyschuhen. Große Investitionen in diese Technologien seien nötig, um ähnliche Fortschritte zu machen wie beim Carbon Capture,
Fragen zu langfristigen Plänen für die Energieversorgung
16. Wie sieht unsere Energieversorgung in den nächsten Jahren aus?
Unsere Energieversorgung bleibt auch in den nächsten Jahren eine Mischung aus erneuerbaren und fossilen Energieträgern. Im Wesentlichen ändern sich in den nächsten Jahren 3 Dinge:
- Die Atomkraft wird durch einen Streckbetrieb noch um ein paar Monate länger laufen, fällt aber im Laufe des Frühjahrs 2023 komplett aus dem Strommix.
- Die weggefallenen russischen Lieferungen an fossilen Energieträgern werden teils durch andere Importe, teils durch erneuerbare Energien und teils durch Einsparungen ersetzt. Vor allem beim Erdgas ist das nicht ganz einfach, weil Gaslieferungen auf komplexere Infrastruktur angewiesen sind als Öl oder Kohle. Im großen Ganzen sollten die russischen Lieferausfälle, die durch den saisonal steigenden Verbrauch vor allem im Winter ein Problem sind, aber durch gut gefüllte Gasspeicher und zusätzliche Importe von Flüssiggas aus Übersee kompensiert werden können.
- Der Ausbau erneuerbarer Energien wird durch eine Vielzahl von Maßnahmen, allen voran der EEG-Novelle des Bundeswirtschaftsministeriums beschleunigt. Sie umfasst deutlich angehobene Ausbauziele, Erhöhungen der Einspeisevergütungen für Solarstrom sowie verschiedene Regelungen, die die Installation neuer Fotovoltaikanlagen einfacher und flexibler machen. Auch der Ausbau der Windkraft an Land und auf dem Meer soll deutlich schneller gehen.
Um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen, sind neben regulatorischen Reformen, die in der EEG-Novelle teilweise enthalten sind, vor allem die Abstandsregeln in den Bundesländern entscheidend. In Nordrhein-Westfalen zeichnet sich das Ende der 1.000-Meter-Regel durch den schwarz-grünen Koalitionsvertrag bereits ab.
17. Welche Alternative für Gas gibt es zum Ausgleich der volatilen erneuerbaren Energien?
Um die wachsende Menge an volatilen erneuerbaren Energiequellen, also Energien, deren Verfügbarkeit aufgrund von Wetterverhältnissen schwankt, ins Stromnetz zu integrieren, sind im Wesentlichen ausreichend Speicher und gute Netze nötig. Wenn diese vorhanden sind, ist ein Stromnetz mit 100% erneuerbaren Energien gut machbar. Grundlastkraftwerke wie Kohle- oder Atomkraftwerke sind dann – ausreichend erneuerbare Quellen sowie Speichermöglichkeiten vorausgesetzt – nicht mehr nötig.
Bei den Speichern wird es auf ein Mosaik an verschiedenen Technologien ankommen, die sich ergänzen. Die wichtigsten sind:
- Pumpspeicher: Pumpspeicherkraftwerke sind die ältesten und etabliertesten Speicher. Die Ausbaumöglichkeiten sind hierzulande durch die Geografie allerdings eingeschränkt. Fast alle größeren Täler, die dafür infrage kommen, sind schon seit Jahrzehnten, wenn nicht seit über 100 Jahren als Pumpspeicherkraftwerke in Betrieb. Es gibt aber Pläne, zusätzliche Pumpspeicher in Norwegen über Tiefseekabel mit dem europäischen Stromnetz zu verbinden.
- Batteriespeicher: Sie können vor allem Solarstrom am Mittag aufnehmen und dann den Tag über verteilt wieder abgeben. Dabei wird es sowohl große Batteriespeicher geben, kleine dezentrale Anlagen in Wohnhäusern, aber auch parkende E-Autos werden als Speicher agieren.
- Wärme: Energie lässt sich als Wärme speichern. Gerade in gut isolierten Häusern mit Wärmepumpen kann die Heizung dann laufen, wenn viel Strom da ist. Die Wärme hält dann mehrere Tage vor.
- Wasserstoff: Überschüssiger Strom kann per Elektrolyse zu Wasserstoff umgewandelt werden. Allerdings gibt es dabei hohe Verlust, sodass sich das voraussichtlich nur bei hohen Überschüssen und für spezielle industrielle Zwecke lohnt.
- Weitere Speichermöglichkeiten: Es gibt viele weitere Konzepte zur Energiespeicherung. Überschüssige Energie lässt sich beispielsweise in Druckluftspeichern lagern oder zu flüssigen Kraftstoffen umwandeln. Welche Ideen in welchem Umfang zum Einsatz kommen werden, ist offen.
18. Wo stehen wir beim Thema Wasserstoff?
Es kristallisiert sich heraus, dass Wasserstoff in bestimmten Bereichen eine größere Rolle spielen wird. So könnte komprimierter Wasserstoff auf der einen Seite als Treibstoff für Fahrzeuge dienen, die viel Energie benötigen, wie Lkw, Flugzeuge, Schiffe oder Züge. Auf der anderen Seite kann Wasserstoff fossile Brennstoffe in gewissen industriellen Prozessen ersetzen, wo hohe Temperaturen notwendig sind, oder in bestimmten chemischen Prozessen, zum Beispiel in der Stahl- oder Zementproduktion.
Wasserstoff wird eher keine Rolle bei der Stabilisierung des Stromnetzes spielen
Weil mit der Wasserstoffproduktion aber hohe Energieverluste einhergehen, wird Wasserstoff voraussichtlich relativ teuer bleiben und als klassischer Energiespeicher zur Stabilisierung des Stromnetzes eher keine bedeutende Rolle spielen. Hier sind zum Beispiel Akkus überlegen. Die Bundesregierung verfolgt mit ihrer Wasserstoffstrategie einen umfassenden Plan, die Wasserstofftechnik weiter zu erforschen, Industrien im Land aufzubauen und Wasserstoff in Zukunft aus anderen Ländern zu importieren.
19. Wie viel solare Kapazität steckt in den Dächern? Wie viel Strom kann in Deutschland durch Wind gewonnen werden?
Die Kapazität für Fotovoltaikanlagen in Deutschland ist sehr hoch und längst nicht ausgeschöpft. Dabei spielt die sogenannte integrierte Fotovoltaik eine große Rolle, also die Kombination von Fotovoltaik mit anderen Flächennutzungen, zum Beispiel in der Landwirtschaft (Agri-Fotovoltaik), auf künstlichen Seen, auf Dächern, Häuserfassaden, an Lärmschutzwänden von Autobahnen sowie über Parkplätzen.
Für all diese Möglichkeiten zusammengenommen beziffert das
Solarstrom könnte den gesamten Strombedarf Deutschlands decken
Natürlich scheint die Sonne nicht immer, daher müssen bei der Fotovoltaik größere Kapazitäten installiert werden, um eine gewisse Menge Strom aus Kohle- oder Atomkraftwerk zu ersetzen. Das Flächenpotenzial in Deutschland ist allerdings so groß, dass es theoretisch kein Problem wäre, den gesamten Strombedarf im Land mit Solarstrom zu decken.
Auch das Potenzial für Windkraft ist in Deutschland längst nicht ausgeschöpft. Allein auf den bisher ausgewiesenen Flächen von weniger als 1% der Landesfläche könnte die Stromerzeugung durch sogenanntes »Repowering« bis 2030 verdoppelt werden. Unter Repowering versteht man den Austausch älterer Windräder durch neuere, leistungsstärkere Anlagen. Weitet man die Flächen auf etwa 2% aus, wie vom Bundeswirtschaftsministerium angestrebt, und zählt man den geplanten Ausbau auf der Nordsee hinzu, könnten jährlich bis zu 500 Terawattstunden Windstrom entstehen,
20. Wie steht es um eine Solarpflicht für Neubauten, große Hallen, Logistikzentren, Supermärkte und Autobahnen?
Bisher gibt es in den Bundesländern
21. Was kann jede:r von uns für die Energiewende tun?
Wer persönlich zur Energiewende beitragen möchte, kann das Thema bei Wahlentscheidungen stärker berücksichtigen.
Redaktion: Maria Stich, Felix Austen, Chris Vielhaus, Désiree Schneider und Corinna Cerruti
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily