Diese Clips lassen Mark Zuckerberg schlecht schlafen
Ein noch nie da gewesenes Urteil könnte einen neuen Umgang mit Superkonzernen anstoßen.
Whatsapp, Instagram und noch Dutzende Unternehmen mehr: Meta (ehemals Facebook) gleicht einem gigantischen Schwamm. Zahllose Firmen saugte der Megakonzern in den vergangenen 2 Jahrzehnten in Form von Übernahmen in sich auf.
Am Ende könnten es ausgerechnet »GIFs« sein, lustige kleine Bewegtbildchen im Internet, über die der Superkonzern stolpert. Denn hier zieht die britische Wettbewerbsbehörde Competition and Markets Authority (CMA) eine rote Linie durchs Internet und zeigt deutlich, dass sie angesichts der immensen Marktmacht Metas keinen Spaß mehr versteht.
Eine neue »finale Entscheidung« beendet das jahrelange Hin und Her zwischen Behörden und Meta in Großbritannien mit weitreichenden Konsequenzen. Mark Zuckerberg, der mit Facebook übermächtig wurde und heute gemeinsam mit anderen Techgiganten wie Alphabet (Google) den digitalen Markt beherrscht, zieht ausnahmsweise mal den Kürzeren.
Zur Freude von Netzaktivist:innen – denn es geht um weit mehr als eine Schlappe vor Gericht. Es ist eine einzigartige Entscheidung mit kaum zu unterschätzender Signalwirkung – ein Zeichen, dass Gier und Geld eben doch Grenzen haben, auch im Internet. Zuckerberg hat sich verzockt. Und die Wettbewerbshüter:innen sind endlich aus ihrem Dornröschenschlaf aufgewacht, um ihn zu stoppen.
Es war höchste Zeit.
Darum geht uns das Urteil aus Großbritannien alle etwas an
Wer bei Meta noch an einen harmlosen Internetkonzern denkt, der Menschen vernetzt und nur diejenigen etwas angeht, die einen Facebook-Account besitzen, geht Multimilliardär Mark Zuckerberg auf den Leim. Denn genau das versucht der Besitzer von Meta seit Jahren auszustrahlen: »Wir sind harmlos, unwichtig, nützlich.« Dabei ist der Konzern alles andere als das. Um sich das klarzumachen, reichen 3 Zahlen und ihr Kontext:
- 118 Milliarden. So groß ist der Jahresumsatz von
- 91. So viele Unternehmen hat Meta in den letzten 2 Jahrzehnten aufgekauft. Darunter waren so bekannte Namen wie Instagram (2012), Whatsapp (2014), Oculus VR (2014) und Giphy (2020). Dabei rühmte sich Zuckerberg: »Wir haben nicht ein einziges Mal eine Firma für die Firma gekauft.« Es ginge meist nur um Personal, das das Unternehmen abziehen konnte. Damit agiert der Konzern wie ein Heuschreckenschwarm für Digitalunternehmen – einverleiben, leerfegen, weiterziehen.
- 533 Millionen. Das ist die Summe der Betroffenen des letzten großen Datenlecks von Meta 2021. Eine Schwachstelle in der Facebook-Freundesuche war angeblich schuld. Von den Betroffenen landeten Adressen, Telefonnummern, Geburtstage, E-Mails und sogar Vorlieben in den Händen von Cyberkriminellen. Benachrichtigen wollte der Konzern die Betroffenen übrigens nicht –
Facebook ist also weder unwichtig noch harmlos, und auch über die Nützlichkeit der Dienste für
Was nicht abzustreiten ist, ist der enorme Einfluss des Superkonzerns. Deshalb stehen Regierungen und Behörden weltweit in der Pflicht, sich endlich mit Meta auseinanderzusetzen.
Eine Behördenart, die sich regelmäßig mit Meta beschäftigen muss, sind Kartellbehörden wie die englische Competition and Markets Authority (CMA). Wettbewerbshüter:innen wie diese entscheiden regelmäßig über Bedenken bei Neukäufen des Unternehmens – und hatten bisher selten etwas daran auszusetzen. Dabei hat es sich Meta in einem Oligopol bequem gemacht, also einem Markt mit erschreckend wenigen Konkurrenten.
Superkonzerne wie Facebook demonstrieren einen grundlegenden kapitalistischen Denkfehler: Wer ernsthaft glaubt, ein Start-up als Konkurrenz zu Facebook müsse nur besseren Service anbieten, um gegen den Marktriesen Erfolg zu haben, hat den Wecker ins
Nicht guter Service hält Menschen bei Quasimonopolisten, sondern ein Mangel an brauchbaren Alternativen – mit derselben Reichweite, Größe und Marktstellung. Die Regel lautet: Wer groß ist, wird meist nur noch größer. Das ist der Grund, warum Bekannte und Freund:innen trotz aller Skandale
Wird ein Konkurrent trotzdem nur ansatzweise gefährlich, kauft Meta ihn einfach auf und integriert ihn – so wie Instagram oder eben Whatsapp. Das kommt bei Investor:innen in den Konzern immer gut an.
Genau das hatte
Ein gerissener Schachzug, denn GIFs sind aus dem Netz kaum mehr wegzudenken und entwickeln sich neben Emojis immer stärker zu einer eigenen Ausdrucksform für Menschen, die Netzkultur leben.
Bisher fielen Wettbewerbsbehörden bei solchen Übernahmen vor allem durch Untätigkeit auf. Böse Zungen im Netz vermuteten, dass es an technischem Unwissen liege und manche Mitarbeiter:innen vielleicht erst mal »Meta« oder »GIF« googeln müssten. Das ist natürlich billiger Zynismus. Der wahre Grund dürfte sein, dass »unfaire Wettbewerbsvorteile« bei Digitalunternehmen schwieriger einzuschätzen sind und sich Behörden kaum trauen, es mit den finanziell übermächtigen, juristisch gut aufgestellten und durch penetrante Lobbyarbeit extrem einflussreichen Digitalkonzernen aufzunehmen.
Doch genau das hat die Competition and Markets Authority (CMA) jetzt getan und damit eine Lanze für andere Behörden gebrochen. Das Urteil, das Zuckerberg aktuell schlecht schlafen lassen dürfte, lautet »Wettbewerbsverzerrung«.
Deshalb bringt das Urteil den Konzern in die Bredouille
Die CMA äußerte bereits im Jahr 2020 Bedenken gegen die Übernahme und hatte die Integration von Giphy in Meta einstweilig blockiert. Facebook war dagegen vor Gericht gezogen und hatte der Aufsichtsbehörde vorgeworfen,
Die CMA blieb hart. Facebook scheiterte vor Gericht. Gut so.
Denn das Argument der Behörde ist nicht von der Hand zu weisen: Wenn Meta Giphy besäße, könnte das Unternehmen den Zugang zu GIFs für andere Dienste einschränken. Selbst wenn Meta dies nicht täte, hätte es damit ein marktwirksames Druckmittel, um etwa von Konkurrenten für das Bereitstellen der Dienste mehr Benutzer:innendaten einzufordern. Genau das ist in den Augen der Wettbewerbshüter:innen ein »unfairer Vorteil«.
Um besonders fair zu sein, setzte die CMA eine zweite unabhängige Untersuchungsgruppe ein, die zu demselben Urteil kam: Facebook muss Giphy wieder veräußern. Kurzum: Der Deal ist damit geplatzt. Und zwar nicht nur in Großbritannien, sondern weltweit –
Wir sind von der Entscheidung der CMA enttäuscht, akzeptieren aber das heutige Urteil als letztes Wort in dieser Angelegenheit. Wir werden eng mit der CMA zusammenarbeiten, um Giphy zu veräußern.
Bahnbrechend daran ist, dass eine Behörde durch saubere Arbeit, Marktwissen und Mut einem der 6 mächtigsten Konzerne der Welt einen Riegel vorgeschoben hat, der ihn mehr trifft und schmerzt als jede Millionenstrafe (die Meta eh aus der Portokasse bezahlt). Denn die CMA hat Metas Wachstum über Aufkäufe beschränkt und damit einen Weg für andere Behörden aufgezeigt, mit solchen Superkonzernen umzugehen. Und sie hat eine Grundsatzentscheidung mit Strahlkraft getroffen. Denn der eigentliche Grund für das Agieren der CMA war, dass Meta »seine bereits beträchtliche Marktmacht noch steigern« könnte.
Anders formuliert: Das Oligopol wird ziemlich ungemütlich. Diese hochoffizielle Einschätzung dürfte auch andere Wettbewerbshüter:innen aufwecken. Mark Zuckerberg hat sich über lustige Daumenkinobildchen und mit typischer Einverleib-Gier mächtig verzockt. Das alles passiert ausgerechnet 2022, einem Krisenjahr für Meta, in dem es statt Wachstum erstmals Aktienkursverluste hagelt. Allein in der vergangenen Woche stürzte die Meta-Aktie um ein Fünftel des Börsenwertes ab.
Die geplatzte Giphy-Übernahme ist aber nicht der einzige Auslöser. Denn Zuckerberg hat sich noch auf vielen anderen Ebenen verzockt:
- Whatsapp, das Meta für 19 Milliarden US-Dollar kaufte,
- Die Relevanz von Meta-Produkten schwindet.
- Zuckerbergs Herzensprojekt, das sogenannte Metaverse, kostete bereits über 71 Milliarden US-Dollar. Doch Unternehmen sind nicht von der Idee überzeugt, virtuelle Grundstücke zu kaufen und in einer bizarren 3D-Parallelwelt Meetings abzuhalten.
Vielleicht scheitert Meta nicht an Konkurrenz, sondern an sich selbst, da wäre die Giphy-Übernahme ein positives Signal gewesen. Doch genau das fällt nun aus. So muss der Superkonzern nun auf andere Weise versuchen, die eigenen Investor:innen bei Laune zu halten und die schwimmenden Felle zu retten – und dabei viel vorsichtiger agieren. Das ist am Ende für alle Internetnutzer:innen und GIF-Liebhaber:innen eine gute Nachricht.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily