Was geschehen muss, damit es in Syrien Frieden geben kann
Trotz andauernder Gewalt und amerikanisch-russischer Spannungen: Die Weichen für Frieden stehen so gut wie seit dem Jahr 2011 nicht mehr.
Wie viele Bomben und Raketen verkraftet der Friedensprozess für Syrien? Wie viele Chemiewaffen-Angriffe und amerikanische Vergeltungsschläge? Die jüngste Eskalation: Als Reaktion auf den
Und auch andernorts geht der Krieg unverändert weiter – obwohl die syrische Regierung und
Auch wenn die Chancen für den Frieden in Syrien derzeit schlecht stehen, in bewaffneten Konflikten ist es immer wieder vorgekommen, dass trotz anhaltender Gewalt Frieden geschlossen wurde. Das
Auch wenn die Opferzahlen in Nordirland weitaus geringer waren als in Syrien, gab es dort ebenfalls zahlreiche, untereinander zerstrittene Akteure, die kaum zusammen an einen Verhandlungstisch zu bringen waren. Das Beispiel zeigt: Egal wie intensiv gekämpft wird, solange auch gesprochen wird, bleibt die Hoffnung auf den Frieden. Wie also steht es um den Friedensprozess für Syrien, und unter welchen Bedingungen kann er erfolgreich sein?
Internationale und syrische Friedensgespräche
Viel Lob gab es für die Luftschläge der USA wegen des Giftgas-Angriffs in Syrien. Amerika zeige Stärke und würde der syrischen Regierung endlich ihre Grenzen aufzeigen, hieß es in
Dennoch gilt: Eine Lösung des Syrienkonflikts werden die USA damit nicht erzwingen. Die Angriffe sind zu klein, um das militärische Gleichgewicht zu verändern. Für einen nachhaltigen Frieden müssen nach wie vor die syrischen Akteure an einen Verhandlungstisch gebracht werden.
Ein wesentliches Hindernis für den Friedensprozess in Syrien ist die Anzahl der Akteure. Einheitliche Friedenspläne der Vereinten Nationen und der
Hinzu kommt, dass an den verschiedenen Friedensverhandlungen in Astana, Genf und Wien jeweils unterschiedliche syrische und internationale Akteure teilnahmen. Hier ein Überblick der Teilnehmer und der Ergebnisse der Friedensgespräche in den 3 Städten:
- Genfer Friedensgespräche
Die Genfer Friedenskonferenzen stehen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und sollen eine nachhaltige politische Lösung des Konfliktes erzielen. Bereits in der ersten Gesprächsrunde 2012 versuchte der damalige UN-Gesandte Kofi Annan, einen Friedensplan auf den Weg zu bringen.
Doch diese und die darauffolgende Runde brachten keine handfesten Fortschritte; die dritte Runde Anfang 2016 musste von den UN sogar vor dem Hintergrund der
Die Agenda basiert unter anderem auf der - Friedensverhandlung in Wien
Ende 2015 luden die USA und Russland die wichtigsten Regionalmächte aus dem Nahen Osten und der EU zu Gesprächen in Wien ein. Darunter waren auch Vertreter der Arabischen Liga, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen; insgesamt 17 Länder und 3 Organisationen. Die Teilnehmer kamen unter dem Namen
Erstmals wurde auch die iranische Regierung zu den internationalen Gesprächen eingeladen. Obwohl sie ein enger Verbündeter Assads ist, war sie bis dahin nicht an offiziellen Verhandlungen beteiligt. Im Gegensatz zu früheren Verhandlungsrunden ging es in Wien nicht konkret um den Frieden in Syrien, sondern um die Interessen der beteiligten Regionalmächte.
Damit sollten die Rahmenbedingungen für spätere Friedensverhandlungen bestimmt werden. Die Wiener Gespräche lieferten die Vorlage für die UN-Resolution in Genf und für die Wiederbelebung der Genfer Gespräche im Jahr 2016. Außerdem mündeten die Verhandlungen im ersten umfassenden Waffenstillstand zwischen der syrischen Regierung und den Rebellen, den beide Seiten jedoch kurze Zeit später wieder brachen. - Astana-Friedensgespräche
Parallel zu den Genfer Verhandlungen finden seit Mai 2015 die Astana-Gespräche statt: In der ehemaligen Sowjetrepublik Kasachstan treffen sich türkische, russische und iranische Politiker mit oppositionellen Milizenführern und Vertretern der syrischen Regierung. Die USA und andere westliche Mächte sind nicht vertreten. Anders als in Genf oder Wien stehen hierbei
Russland, die Türkei und der Iran agieren jeweils als wichtige Schutzmächte der syrischen Konfliktakteure: Der Iran bewaffnet schiitische Milizen wie den militärischen Arm der libanesischen Hisbollah, die auf Seiten des Regimes kämpfen. Und auch Russland übt direkten Einfluss auf den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad aus. Die Türkei wiederum hat sich frühzeitig auf die Seite der syrischen Rebellen
Die türkisch-russische Verständigung in Astana ermöglicht, Druck auf die Akteure auszuüben. Denn die meisten Konfliktparteien sind unter anderem finanziell von Russland und der Türkei abhängig. Als sogenannte
Warum Waffenstillstände möglich wurden
Eine wichtige Entwicklung im syrischen Friedensprozess ist, dass zunehmend auf Waffenstillstände gesetzt wird. Das ist möglich, weil schnelle, militärische Siege sowohl für das syrische Regime als auch für die Rebellen schwieriger werden. Hierbei spielt die Wiedereroberung Aleppos im Dezember 2016 durch das Assad-Regime eine wichtige Rolle.
Seitdem gibt es wieder eine feste, begradigte Front. Das heißt: Regierung und Opposition haben klar voneinander abtrennbare Einflusszonen. Während die Rebellen die Provinz Idlib kontrollieren, befinden sich die größten Städte des Landes und die reichen Küstenregionen wieder fest in der Hand des Regimes.
Wegen der russischen Luftschläge können die Rebellen auf keine größeren Landgewinne hoffen, zuletzt haben sie herbe Verluste hinnehmen müssen. Dennoch leben in den von ihnen kontrollierten Regionen geschätzt bis zu 1/5 der syrischen
Auch das Assad-Regime hat seit der Einnahme Aleppos keine größeren Landgewinne erzielt. Wenn militärische Landnahme unwahrscheinlich wird, haben die Kriegsakteure nicht das Gefühl, dass ihnen durch Gefechtspausen wertvolle Gelegenheiten entgehen. Das kann die Waffen eher zum Schweigen bringen.
Eigentlich sind das günstige Bedingungen für die Verhandlungen des Kriegsendes.
Eigentlich sind das günstige Bedingungen für die Verhandlungen des Kriegsendes. Dennoch scheint der Frieden bislang in weiter Ferne zu liegen. Damit die Gesprächsrunden erfolgreich sind, brauchen beide Seiten starke Verhandlungspartner, die sich an Vereinbarungen halten können. Während die syrische Regierung durch die militärischen Erfolge in der jüngsten Vergangenheit und die Unterstützung durch den Iran und Russland geschlossener auftritt als zu Beginn des Konfliktes, scheitern Versuche, die Opposition zu einen.
So verteilen sich wichtige Verhandlungspartner auf die parallel laufenden Konferenzen. Zuletzt zog sich etwa der kurdische Nationalrat aus dem
Wie Frieden verhandeln?
In einer
Das Regime muss bereit sein, politische Macht an die Rebellen abzugeben.
Verhandelte Lösungen sind Toft zufolge oft brüchig, Gewalt flammt regelmäßig wieder auf. Doch in Syrien scheinen Verhandlungen der einzige Weg aus dem Krieg zu sein. Denn nach 5 Jahren anhaltender Kämpfe kann auch Assad nicht mehr damit rechnen, die Rebellen vollständig zu besiegen; ebenso scheint ein Sieg der syrischen Rebellen heute unrealistisch.
In ihrer
Um Frieden zu verhandeln, ist es nötig, dass Rebellen sich entwaffnen und die Regierung Macht abgibt. Was braucht es dafür?
Dieses Bedürfnis nach Garantien bewegt auch die syrische Opposition: Warum sollte Assad sie nicht verfolgen lassen und politische Reformen zurücknehmen, wenn die Rebellen die Waffen niederlegen? Auf der anderen Seite hat auch die Regierung ein Interesse daran, dass die Rebellen Vereinbarungen einhalten und nicht bei der ersten Verstimmung wieder zu den Waffen greifen. Wer also kann dies garantieren?
Da wäre zum einen die internationale Gemeinschaft. Kurzfristig kann nur diese die Kriegsparteien in die Pflicht nehmen, durch Friedensmissionen oder Sanktionen. Die ISSG oder die Arabische Liga beispielsweise können wirtschaftliche Anreize für den Frieden schaffen: Handelskooperation gibt es dafür, dass sich an Vereinbarungen gehalten wird, gebrochene Vereinbarungen wiederum werden mit Wirtschaftssanktionen belegt. Die UN könnte mit einer Friedensmission die Einhaltung des Abkommens direkt überwachen.
Akteure wie die Türkei und Russland müssen sich entscheiden: Einerseits können sie einen Frieden hinauszögern, indem sie ihre jeweilige Kriegspartei militärisch unterstützen und gegen internationale Maßnahmen schützen. Damit würden sie gebrochene Waffenruhen hinnehmen und die Vertrauensbasis für künftige Verhandlungen zerrütten.
Andererseits könnten sie sich stärker für ein Friedensabkommen einsetzen: Dafür müssten sie Rebellen und Regierung deutlich machen, dass der Krieg nicht auf dem Schlachtfeld entschieden werden kann und dass Absprachen eingehalten werden müssen. Beide müssten von ihren Schützlingen einen Einsatz verlangen: Russland signalisiert Assad, dass es seine Offensiven nicht unbegrenzt unterstützt und eine Lösung am Verhandlungstisch hermuss, auch wenn dies zu einer Machtteilung führt. Die Türkei bereitet die Rebellen auf die Entwaffnung vor.
Auf dem Weg Richtung Frieden zählt jeder noch so kleine Fortschritt.
Dass Russland und die Türkei bereits jetzt Gespräche führen und als Garantiemächte für den Waffenstillstand auftreten, ist deswegen ein gutes Zeichen. Denn auf dem Weg Richtung Frieden zählt jeder noch so kleine Fortschritt: Hält ein Waffenstillstand, wächst das Vertrauen zwischen den Garantiemächten und den Kriegsparteien.
Langfristig aber muss der Frieden von innen heraus garantiert werden, an einer politischen Reform führt kein Weg vorbei. Nur so ist die Opposition auch ohne internationalen Schutz überlebensfähig: Eine regionale Autonomie oder eine garantierte Regierungsteilhabe sind zum Beispiel möglich.
Dabei müssen auch Interessen der syrischen Zivilgesellschaft berücksichtigt werde.
Mit Terroristen wird nicht verhandelt, oder?
Eine wichtige Einschränkung darf bei allen Fortschritten im Friedensprozess nicht vergessen werden. Selbst wenn sich syrische Regierung und Rebellen annähern, gibt es weiterhin 2 Kriegsparteien, die bislang von allen Verhandlungen und Waffenstillständen ausgeschlossen sind: radikale Islamisten des sogenannten Islamischen Staats (IS) und
Unter US-Präsident Donald Trump haben die amerikanischen Luftschläge gegen den IS zugenommen.
Über eine nicht-militärische Lösung des Konfliktes mit dem IS und der Nusra-Front wird scheinbar nicht einmal nachgedacht; von Verhandlungen sind sie ebenso ausgenommen wie von Waffenruhen. Und das, obwohl ein militärischer Sieg wenig aussichtsreich
3 Szenarien für das Ende des Konflikts
Dennoch gibt es zahlreiche Akteure, die aktiv in den Friedensprozess involviert sind und mit denen Verhandlungen stattfinden. Mit Blick auf die aktuelle Situation in Syrien gibt es 3 mögliche Szenarien für das Kriegsende:
- Sieg der Rebellen
Dies ist gleichzeitig auch das unrealistischste Szenario: Russland, das mehr als Assad auf eine diplomatische Lösung - Sieg der Regierung
Nachdem die Gespräche in Astana platzen und die Waffenruhe aufgekündigt wird, weitet Russland als Reaktion seine Unterstützung für Assad aus. Mit massiven Bombardements werden Rebellenstellungen geschwächt, kurdische Gruppen vertreiben Rebellen aus der Grenzregion zur Türkei. Die Türkei ist zunehmend mit sich selbst beschäftigt: Der Konflikt zwischen Erdoğan und der Opposition, die - Durchbruch bei den Verhandlungen
Die internationale Gemeinschaft einigt sich darauf, gleichzeitig Druck auf Assad und die Opposition auszuüben. Die UN entsendet auf Einladung der Kriegsparteien eine Beobachtermission, um die Einhaltung des Waffenstillstands zu überwachen. Russland, Saudi-Arabien, der Iran, die USA und die Türkei stoppen ihre Waffenlieferungen und Bombardements in Regierungs- und Rebellengebieten, stattdessen werden Wirtschaftshilfen versprochen im Falle erfolgreicher Verhandlungen. Das Geld dazu kommt von der »International Syria Support Group«, insbesondere aus der EU und der arabischen Liga. Für den Fall, dass Vereinbarungen nicht eingehalten werden, droht die ISSG mit Sanktionen. Assad bleibt nur übrig, weitreichenden Reformen zuzustimmen – Syrien wird zu einem föderalen System mit umfangreichen Autonomierechten in von Rebellen dominierten Gebieten umgebaut. Freie Wahlen sollen abgehalten werden, sobald der Krieg gegen den IS beendet ist. Da dieser sich aber hinzieht, bleibt Assad vorerst an der Macht.
Ohne politische Lösung kein Ende des Blutvergießens
Da derzeit weder ein Sieg der Rebellen noch der Regierung absehbar ist, ruhen die Hoffnungen für den Frieden auf den Verhandlungen. Die zaghaften Fortschritte und die immer länger währenden Gefechtspausen zwischen den Kriegsparteien bestätigen das. Wenn sich die Opposition jetzt zusammenschließt und die internationalen Akteure sich auf ihre Rolle als Garantiemächte für den Frieden besinnen, könnten die Verhandlungen mittelfristig erfolgreich sein. So könnte die internationale Gemeinschaft den Druck erhöhen; damit müsste auch Assad bald einlenken und einer Machtteilung zustimmen. Denn eins ist klar: Ohne eine politische Lösung lässt sich das Blutvergießen in Syrien kaum friedlich und in näherer Zukunft beenden.
Titelbild: AP Photo/Hassan Ammar - copyright