So geht Versöhnung: Wie ein Soldat zum Friedensaktivisten wurde
Ich bin nach Bosnien gereist und habe Menschen gefragt: Wie verzeiht man nach einem Krieg? In Teil 1 der Reportagereihe erzählt der Kriegsveteran Adnan Hasanbegović von seinem Weg zur Versöhnung.
Ist es möglich, zu vergeben, wenn Unverzeihliches passiert ist, wenn gemordet, gefoltert, vergewaltigt wurde? Katharina Wiegmann und Judith Braun haben versucht, diese Frage mit den Werkzeugen der Philosophie und der Psychologie zu beantworten:
Die Frage nach Vergebung wird komplexer, wenn es nicht nur eine Person ist, die Unrecht erfahren hat, sondern eine ganze Gesellschaft. Denn politische Versöhnungsprozesse sind oft die Aufgabe mehrerer Generationen.
Ich habe mich deshalb nach Bosnien-Herzegowina aufgemacht. In dem Land auf dem Balkan tobte vor 30 Jahren der wohl heftigste der Jugoslawien-Kriege. Und ein Teil der Bevölkerung erlitt ein grausames Kriegsverbrechen: den Genozid von Srebrenica.
Ich habe mit Menschen gesprochen, die Traumatisches erlebten und trotzdem keinen Hass (mehr) gegen ihre Täter:innen hegen; die daran arbeiten, die zerstrittenen Gruppen miteinander ins Gespräch zu bringen; die für sich persönlich Versöhnung gefunden haben und sich diese Versöhnung auch für ihr Land wünschen.
Jene Menschen will ich in den nächsten Wochen vorstellen und ihren Geschichten Raum geben.
Fotoprotokoll Nr. 1: Adnan Hasanbegović
Der Tunnel ist höchstens 2 Meter hoch und 2 Meter breit. Er engt mich ein. Dankbar laufe ich nach ein paar Minuten die Stufen, die aus dem Tunnel führen, wieder hoch und begrüße das Tageslicht. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieses feuchte Loch vor 30 Jahren einmal Freiheit für die Bewohner:innen Sarajewos, der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas, bedeutet hat.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily